Besser spät als nie: Ein heute 71-jähriger Mann aus Zwenkau musste sich am Montag vor dem Leipziger Landgericht verantworten, weil er ein Nachbarsmädchen über Jahre hinweg immer wieder sexuell missbraucht haben soll. Die vorgeworfenen Taten lagen dabei außergewöhnlich lange zurück. Unter Ausschluss der Öffentlichkeit legte der Rentner ein Geständnis ab – und erhielt vom Gericht die späte Quittung für seine Verbrechen.

Claudia N. (Name geändert) wird ein Leben lang mit dem klarkommen müssen, was ihr als kleines Kind und Teenagerin angetan wurde. Über Jahre hinweg soll sich ihr damaliger Nachbar Bernd Rolf G., der zwischen Januar 1990 und März 2004 im gleichen Zwenkauer Haus mit Claudia N. wohnte, immer wieder an dem Mädchen vergangen haben.

Missbrauchsfälle zwischen 1993 und 2000

Staatsanwältin Jana Kalex benannte in ihrer Anklageschrift insgesamt 84 Fälle des schweren sexuellen Missbrauchs, die mit dem 7. Geburtstag von Claudia N. im Jahr 1993 begannen und sich lange hinzogen, bis das Mädchen 14 Jahre alt wurde. Allein 78 Mal soll der heute 71 Jahre alte Bernd Rolf G. die Geschädigte während dieser Zeit in seinem eigenen Schlafzimmer unsittlich berührt und sie zu Manipulationen an ihm gezwungen haben, teilweise bis zum Samenerguss. Jeweils drei weitere Fälle hätten sich, wahrscheinlich in den späten neunziger Jahren, auch in der Kellerbox und auf dem Gartengrundstück des Angeklagten abgespielt.

Opfer will Schlussstrich ziehen

Nach einem Rechtsgespräch hinter verschlossener Tür einigten sich die Prozessbeteiligten auf einen recht milden Strafrahmen von drei Jahren und drei Monaten bis drei Jahren und neun Monaten Haft. Dem Opfer Claudia N. sei es wichtig, dass ihr eine Aussage vor Gericht erspart bleibt, sagte seine Anwältin Eve Leupold. Zu quälend ist die Erinnerung offenbar bis heute für sie. Die inzwischen 35-Jährige war Nebenklägerin im Prozess, jedoch nicht persönlich anwesend.

Bernd Rolf G. (71) bespricht sich vor Prozessbeginn mit seinem Verteidiger Malte Heise. Foto: Lucas Böhme
Bernd Rolf G. (71) bespricht sich vor Prozessbeginn mit seinem Verteidiger Malte Heise. Foto: Lucas Böhme

Verhandlung nichtöffentlich

Auf Antrag von Strafverteidiger Malte Heise wurde die Öffentlichkeit für die weitere Verhandlung ausgeschlossen: Da intime Details aus dem Privatleben seines Mandanten zur Sprache kämen, müsse das Interesse der Öffentlichkeit zurücktreten. Die 5. Strafkammer unter Vorsitz von Richter Berthold Pfuhl folgte diesem Standpunkt. Allerdings hatte Anwalt Heise schon vorab ein Geständnis des 71-jährigen Bernd Rolf G. angekündigt.

Als Erwachsene dem Freund anvertraut

Noch am selben Nachmittag verurteilte die Kammer den geschiedenen Bernd Rolf G. zu einer Haftstrafe von drei Jahren und neun Monaten. Eine solche Höhe ist nicht mehr bewährungsfähig. Nach LZ-Informationen hatte der Rentner seine Taten in der nichtöffentlichen Sitzung eingeräumt – allerdings blieben offenbar Unklarheiten, sodass nur Handlungen bis zum 12. Lebensjahr von Claudia N. sanktioniert werden konnten. Dennoch wird der frühere Tierpfleger seine Wohnung im fortgeschrittenen Alter wohl demnächst mit einer Zelle in der JVA tauschen müssen. Der Richterspruch ist bereits rechtskräftig.

Ans Licht gekommen war der jahrelange Kindesmissbrauch nach all den Jahren offenbar, weil sich Claudia N. erst im Erwachsenenalter ihrem Freund gegenüber öffnete. Beide stellten dann Strafanzeige.

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