Warum musste Jessica S. mit nur 30 Jahren gewaltsam sterben? Die Staatsanwaltschaft hat den Ex-Partner der lebensfrohen Paunsdorferin wegen heimtückischen Mordes aus niedrigen Beweggründen auf die Anklagebank gebracht. Am zweiten Prozesstag im Landgericht sprach Marcus K. (41) am Donnerstag persönlich über den Vorwurf der Anklageschrift, die zweifache Mutter im Schlaf erstochen zu haben.

Er soll zum Mörder seiner Partnerin geworden sein, weil er die Trennung und den angekündigten Auszug von ihr nicht akzeptiert habe – so sieht es die Anklage. Doch folgt man der Version, die Handwerker Marcus K. am Donnerstag im Leipziger Landgericht vorlegte, klingt es, als hätten nicht Selbstsucht und Besitzdenken zum grausamen Tod von Jessica S. geführt, sondern eine Art Unfall. In einer Erklärung, die der Angeklagte mit brüchig-weinerlicher Stimme verlas, beschrieb der 41-Jährige das Geschehen aus seiner Sicht.

Angeklagter: Sie hat mich mit einem Messer bedroht

Die Schilderung des Fliesenlegers wich deutlich von dem gezielten Stich in die rechte Halsseite ab, mit dem Marcus K. die auf dem Sofa schlafende Jessica S. am 20. oder 21. Mai 2024 in der noch gemeinsam genutzten Paunsdorfer Wohnung ermordet haben soll. So hatte es Staatsanwältin Vanessa Fink zum Prozessauftakt beschrieben.

Marcus K. dagegen will Jessica S. am 21. Mai 2024, einem Dienstag, etwa 06:00 Uhr, das übliche „Guten Morgen“ zugerufen haben, als er das Wohnzimmer betrat. Zuvor hatten beide die Nacht in getrennten Zimmern verbracht. Jessica S. habe den Gruß nicht erwidert, sondern ihm von der Couch aus in etwa einem halben Meter Entfernung ein Messer vorgehalten, ihn beschimpft, sie wolle ihn nicht mehr und es wäre besser, er wäre bei einem Motorradunfall einige Zeit zuvor gestorben: „Ich war erschrocken und wollte ihr das Messer entreißen. Sie ist seitlich auf das Kopfkissen gefallen.“

Im Gerangel sei es zu dem Stich gekommen: „Ich stand unter Schock, bekam Angst, meine Hände waren voller Blut“, so der Angeklagte. Was er wohl dann tat, deckt sich mit den Kenntnissen der Ermittler: Er habe der toten Jessica S. eine Decke über den Kopf gezogen, weil er den Anblick nicht ertrug, und die Tür zum Wohnzimmer versperrt, damit die Kinder ihre Mutter nicht auffinden, so Marcus K. am Donnerstag im Landgericht: „Ich war am Boden zerstört.“ Das Paar hatte einen gemeinsamen Sohn (4), zudem brachte Jessica eine Tochter (10) in die Beziehung mit.

Anklage geht von kaltblütigem Mord aus

Dem Geschehen vorausgegangen sei ein Familientreff mit den Schwiegereltern in einer Gartenkneipe am Vortag, dem Pfingstmontag, bei dem Jessica S. ihm die kalte Schulter gezeigt habe, sagte Marcus K. aus. Am Abend habe sich in der Küche ein Streitgespräch entwickelt, während die Kinder nebenan spielten. Laut Polizei und Staatsanwaltschaft kriselte die etwa achtjährige Beziehung des Paars ohnehin längst, Jessica S. sprach vier Wochen vor ihrem Tod offenbar die Trennung aus.

Ihrem Umfeld zufolge lebte die Modeverkäuferin aber bis zum geplanten Bezug ihrer eigenen Wohnung weiter mit den Kindern und Marcus unter einem Dach. Hinter der Fassade eines soliden Familienlebens mit gemeinsamer Unternehmung, Kids, Hund und Katze habe sich der gebürtige Leipziger oft kontrollierend und eifersüchtig gegenüber Jessica S. gezeigt, so heißt es zumindest. Ob es zutrifft, darüber könnte dieser Prozess Klarheit bringen.

Bedauern, Reue – dies ließ Marcus K. am Donnerstag zumindest äußerlich kaum erkennen, wollte auch keine Fragen zu seiner Version des Tathergangs beantworten. Anders bei den persönlichen Verhältnissen, wo der 41-Jährige auf Bitten von Strafkammer und Staatsanwaltschaft bereitwillig seinen Lebensweg skizzierte: Alkohol- und Drogenprobleme habe er nicht, aber seit einigen Jahren Depressionen, gab der zuletzt Selbständige an, schilderte auch den traumatischen Verlust des geliebten Familiendackels vor einigen Jahren. Das Tier musste damals nach dem Angriff eines größeren Hundes, der es schwer verletzte, eingeschläfert werden.

Einlassung des Angeklagten sei absurd, sagt jemand

Wie die Erzählung des mutmaßlichen Mörders auf die Gegenseite wirkt, lässt sich kaum ermessen. Mutter, Bruder und Tochter der verstorbenen Jessica S. treten im Prozess als Nebenkläger auf, sind allesamt durch Anwälte vertreten.

Der angebliche Tatablauf, den Marcus K. auf den Tisch legte, sei absurd, so ist es hier von jemandem zu vernehmen, würde dem Verletzungsbild und der Auffindesituation am Tatort widersprechen. Bis heute gilt die Tatwaffe, ein Messer, übrigens als verschwunden.

Die Verhandlung wird am 19. März mit Zeugenbefragungen fortgesetzt. Termine hat die Kammer unter der Vorsitzenden Richterin Antje Schiller bis 28. Mai geplant.

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