Sie war kreativ, lebensfroh, hatte Zukunftspläne – doch dann soll Marcus K. seine 30-jährige Ex-Partnerin Jessica S. in Paunsdorf während ihres Schlafs erstochen haben, weil er ihr kein Recht auf ein selbstbestimmtes Leben zubilligte, so die Staatsanwaltschaft. Er dagegen stellt den grausigen Tod der Frau als Mischung aus Unfall und Notwehr dar. Am Mittwoch sprach der wegen Mordes angeklagte Mann über Details aus dem Beziehungsleben des Paares.
Ein Haushalt mit zwei Kindern, Hund und Katze, beide Eltern berufstätig, die Beziehung mit Höhen und Tiefen: Auf den ersten Blick scheint es recht normal, was Marcus K. dem Landgericht am Mittwoch beschrieb. Der 41-jährige Fliesenleger muss sich wegen heimtückischen Mordes an seiner früheren Partnerin Jessica S. verantworten. Er soll die Frau im Mai 2024 während ihres Schlafs auf dem Sofa der gemeinsamen Paunsdorfer Wohnung erstochen haben, weil sie sich von ihm getrennt hatte und ihre Zukunft ohne ihn plante.
Probleme in der Beziehung seinen meist geklärt worden
„Sie war ein kreativer Mensch, auf ihr Äußeres bedacht, liebevoll, temperamentvoll“, schilderte Marcus K. am Mittwoch mit brüchiger Stimme im vollbesetzten Saal 115 des Leipziger Landgerichts, wie er Jessica S. wahrnahm. Vor etwa acht Jahren lernte er die Mode-Verkäuferin durch seine Arbeit kennen, man war sich sympathisch, zog irgendwann zusammen, unternahm Ausflüge, ging essen und ins Kino. Später wurde Jessica, die bereits eine kleine Tochter in die Beziehung mitbrachte, erneut schwanger, gebar einen Sohn.
Probleme habe es gegeben, aber: „Das haben wir meist gelöst gekriegt.“ Streitpunkte seien die Arbeitszeiten gewesen, Unordnung im Haushalt, die Wohnsituation. Marcus K. sprach von einer Beziehung ohne Machtgefälle, auch Gewalt habe nie eine Rolle gespielt. Selbst einen Monat Kurzzeit-Affäre mit einem anderen Mann, welche sie beendete, habe er Jessica trotz beschädigten Vertrauens verziehen: „Mir ging es nicht gut, aber ich habe sie geliebt und wollte, dass es alles wieder klappt.“
Die auf ihr Erscheinungsbild bedachte Jessica S. unterzog sich laut Marcus K. mehreren Schönheits-OPs, die er finanziell, teils widerwillig, unterstützt haben will.
Angeklagter spricht von verunglückter Notwehr
Vier Wochen vor ihrem Tod habe Jessica ihm eröffnet, dass sie ihn nicht mehr liebe und die Beziehung vorüber sei, so Marcus K. weiter. Die 30-Jährige hatte sich demnach bereits eine noch zu sanierende Wohnung in der Nähe ausgeguckt, den Einzug mit Kindern und Katze geplant, bestellte Möbel über eBay. Er habe ihr den Transporter zur Abholung organisiert, sagte der Angeklagte. Davon, dass sie bereits einen anderen Mann kennengelernt hatte, habe er nichts gewusst.
Die Anklagebehörde geht hingegen davon aus, dass Jessica die Trennung und der Freiheitsdrang zum Verhängnis wurden: Der laut Zeugen kontrollierende und übergriffige Marcus K. habe dies nicht akzeptiert und die Verkäuferin heimtückisch erstochen. Seine Version weicht ab: Jessica habe ihn am Morgen des 21. Mai 2024 auf dem Sofa, wo sie genächtigt hatte, unerwartet beschimpft und mit einem Messer bedroht. Beim Versuch, es ihr abzunehmen, sei es im Gerangel zum tödlichen Stich in den Hals gekommen.
Jessica S. verblutete. Eine Erklärung, warum sie überhaupt ein Messer in ihrem Nachtlager bei sich gehabt haben soll, konnte Marcus K. am Mittwoch nicht liefern. Der Verbleib der mutmaßlichen Tatwaffe ist bis heute ungeklärt.
Die Aussage Marcus K.s basierte auf 45 Detailfragen, welche die Strafkammer an ihn und seine Anwälte gestellt hatte. Mehrere davon, die das Sexualleben des Paars und den Tathergang betrafen, wollte der Angeklagte allerdings nicht beantworten. Einen Antrag der Verteidigung, die Öffentlichkeit vorübergehend vom Prozess auszuschließen, lehnte das Gericht zuvor ab.
Danach packte er einen Rucksack und fuhr zu seiner Mutter
Nach Jessicas Tod, so Marcus K. schließlich, habe er ihr eine Decke über den Kopf gezogen, die Zimmertür verriegelt und den Rucksack gepackt: 3.000 Euro Geldreserven, eine Münztasche, Familienbilder, Zeilen an seinen vierjährigen Sohn. „Das sollte alles für die Kinder sein.“ Mit diesen und dem Hund sei er per Auto die kurze Strecke zu seiner Mutter gefahren, eröffnete der fassungslosen Frau, dass etwas Schreckliches passiert sei. Kurz habe er mit dem Gedanken gespielt, sich vom Balkon seiner Mutter in die Tiefe zu stürzen.
Aber: „Dann hat mich die Polizei festgenommen. Da kam eine ganze Truppe an.“ Marcus K. landete wegen Mordverdachts in U-Haft. Auch seine Mutter (61) war Mittwoch als Zeugin am Landgericht erschienen, verweigerte aber die Aussage: Niemand muss nach deutscher Strafprozessordnung nächste Angehörige belasten. Äußerungen der Frau gegenüber der Polizei dürfen in diesem Verfahren ebenfalls nicht verwertet werden.
Der Prozess wird fortgesetzt. Noch bis Ende Mai sind Verhandlungstage geplant.
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