Vor gut einem Jahr hatte die damalige Bundesinnenministerin Nancy Faeser das als rechtsextrem eingestufte Compact-Magazin verbieten lassen, zeitgleich gab es deutschlandweite Razzien. Im Eilverfahren wurde das Verbot kurz darauf gerichtlich ausgesetzt. Seit Dienstag nun verhandelt das Bundesverwaltungsgericht unter großem Medienandrang in der Hauptsache. Auch Chefredakteur und Geschäftsführer Jürgen Elsässer ist mit dabei.
Jürgen Elsässer scheint an diesem Dienstag nach Pfingsten gut gelaunt, als er mit seiner Frau Stephanie den altehrwürdigen Saal des Bundesverwaltungsgerichts betritt. Klatschen ist bei einigen Zuschauern zu vernehmen. Heute sei ihr Hochzeitstag, sagt Elsässer zu Reportern, das sei doch ein Glückszeichen, dass es gut ausgehe. Dann hält der 68-Jährige seine Autobiografie in die Kameras – und demonstrativ mehrere Ausgaben des Compact-Magazins. Der Ex-Linke, der seit den frühen Nullerjahren die politische Gegenrichtung einschlug, gibt sich siegesgewiss.
BMI erhebt schwere Vorwürfe
Anders sah es vor knapp einem Jahr aus – damals war Elsässer wohl doch etwas perplex, als er im Morgenmantel vor einer Truppe an Fahndern stand, die sein Haus in Brandenburg aufgesucht hatten. Mitte Juli 2024 hatte es bundesweite Razzien gegeben, die damalige Bundesinnenministerin verbot das von Elsässer verantwortete Compact-Magazin als „zentrales Sprachrohr der rechtsextremistischen Szene.“

Die 2010 gestartete Monatszeitschrift mit einer Auflage von zuletzt 40.000 Exemplaren sowie deren Online-Präsenz und YouTube-Kanal würden gegen den Staat, Amtsträger und Migranten hetzen, Geschichtsrevisionismus und antisemitische Ideologien befeuern.
Dazu würden etwa die USA und die NATO einseitig als Feindbilder bedient. Für das Bundesinnenministerium (BMI) ein Grund zum Verbot: „Es ist zu befürchten, dass Rezipienten der Medienprodukte durch die Publikationen, die auch offensiv den Sturz der politischen Ordnung propagieren, aufgewiegelt und zu Handlungen gegen die verfassungsmäßige Ordnung animiert werden“, hieß es.
Verbindungen ins (neu)rechte Milieu
Aus Sicht des BVerwG in Leipzig war die Sache nicht ganz so klar: Im August 2024 hatten die Bundesrichter das Verbot des Print- und Onlinevertriebs von Compact nach einem Eilantrag mit Maßgaben ausgesetzt. Daher durfte die vom Bundesamt für Verfassungsschutz seit 2021 als gesichert rechtsextremistisch eingestufte Publikation erst einmal weiter erscheinen, solange das Hauptverfahren offen war.
Das läuft nun aufgrund einer Klage der Compact GmbH seit Dienstag. Das BMI argumentiert mit Verbindungen des Magazins beispielsweise zur AfD, deren inzwischen offiziell aufgelöster Jugendorganisation „Junge Alternative“ und zur Identitären Bewegung um Martin Sellner. Auch wenn es durchaus neutrale Beiträge gäbe, würden verfassungsfeindliche Positionen erkennbar.
Ist ein Verbot verhältnismäßig?
Rechtlich geht es im laufenden Verfahren um die Frage, ob die Compact Magazin GmbH über das Vereinsrecht verboten werden kann, wie der Bund argumentiert. Ulrich Vosgerau, einer der Kläger-Anwälte, nannte das Compact-Magazin zum Verhandlungsbeginn ein „reguläres Pressemedium“, sodass das Vereinsrecht nicht greifen würde. Anders sieht es die Beklagten-Seite: Für deren Vertreter Wolfgang Roth gab es „keinen Grund, dass eine Verbotsmöglichkeit überhaupt nicht anwendbar ist.“
Roth erinnerte unter anderem daran, dass schon die Mütter und Väter des Grundgesetzes 1948/49 die fragwürdige Rolle extremistischer Verlage rechter und linker Prägung in der Vergangenheit vor Augen hatten. „Nichts hat ferner gelegen als eine ausnahmslose Schutzstellung von Medienunternehmen“, sagte der Rechtsanwalt des BMI.
Der Senat des BVerwG hatte gleichwohl bereits in seinem Eilentscheid vom August 2024 argumentiert, dass eine sofortige Vollziehung des Verbots einen massiven Eingriff in die Presse- und Meinungsfreiheit bedeute. Andererseits gäbe es in den Veröffentlichungen des Compact-Magazins „Anhaltspunkte insbesondere für eine Verletzung der Menschenwürde“ und eine „kämpferisch-aggressive Rhetorik“, wobei sich wiederum die Frage stelle, ob ein komplettes Verbot angesichts der Mehrzahl rechtlich nicht angreifbarer Beiträge verhältnismäßig sein könne.
„Im Verlag bin ich der Diktator“
Senatsvorsitzender Ingo Kraft hielt Elsässer am Dienstag Zitate vor, in denen unter anderem vom Regimesturz die Rede ist. Elsässer behauptete, es sei ihm vor allem um Aufmerksamkeit gegangen, es sei ja auch ein Wahljahr gewesen, hieß es zudem. Anwalt Ulrich Vosgerau meinte: Die vorgelegten Zitate seien „vielleicht ein bisschen ruppig“, aber nicht geeignet, Elsässer als jemanden hinzustellen, der den Rechtsstaat beseitigen wolle.

Der 68-Jährige stellte sich selbst so dar: „Im Verlag bin ich der Diktator“, so der Publizist. Seine GmbH sein faktisch nur von ihm befehligt worden, könne daher auch nicht als Verein gelten.
Der Prozess endete am Dienstagabend nach etwa acht Stunden und soll morgen mit der Sichtung von über 240 Seiten fortgesetzt werden. Laut BMI fänden sich hier Belege für verfassungsfeindliche Positionen. Insgesamt sind vorerst drei Tage angesetzt, ein Urteil noch nicht absehbar.
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