Beim Verhandlungstermin vor zwei Wochen war der große Saal des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) in Leipzig voll mit Öffentlichkeit und Presse, die Stimmung angespannt, aber der Austausch der Argumente sachlich: Im Fall einer Frau aus Bayern, die sich der Zahlung des monatlichen Rundfunkbeitrags verweigert, hat der 6. Senat heute entschieden: Der Rechtsstreit wird an eine Vorinstanz zurückverwiesen. Die Hintergründe.
63,53 Euro: Mit diesem überschaubaren Betrag nahm im April 2022 alles seinen Anfang. Damals war Frau H. aus Bayern ein Bescheid für den genannten Rundfunkbeitrag für die Monate Oktober 2021 bis März 2022 ins Haus geflattert. Doch Frau H. wehrte sich, zog gegen den Bayerischen Rundfunk (BR) vor Gericht: Sie sah den öffentlich-rechtlichen Rundfunk (ÖRR) als „Erfüllungsgehilfen staatlicher Meinungsmacht“, der seinem Auftrag einer ausgewogenen und vielfältigen Berichterstattung nicht nachkomme. Daher könne sie ihren Beitrag verweigern, argumentierte die Klägerin.
Vorinstanzen wiesen Klage ab
Ob ihr das zusteht, ist weiter offen: Der 6. Senat des Leipziger BVerwG hob das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (BayVGH) als Vorinstanz auf und verwies den Rechtsstreit für eine neue Verhandlung dorthin zurück. Beim BayVGH war Frau H. zuletzt, wie zuvor auch beim Münchner Verwaltungsgericht, mit ihrem Ansinnen gescheitert. Es wurde argumentiert, dass allein die Unzufriedenheit mit Sendungen nicht von der Zahlungspflicht befreie.

Und: Schon die Möglichkeit des Senderempfangs bedeute einen Vorteil, der den Beitrag rechtfertigt – unabhängig davon, ob man den ÖRR tatsächlich konsumiert. Es komme auch nicht darauf an, ob ein strukturelles Defizit beim ÖRR-Programm vorliegt. Wenn man dieser Auffassung sei, stehe die Möglichkeit einer Programmbeschwerde bei den Aufsichtsgremien offen.
Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache war aber eine Revision zugelassen worden, sodass der Fall beim BVerwG landete, dem höchsten Verwaltungsgericht in Deutschland, meist in letzter Instanz zuständig für Streitigkeiten zwischen Bürgern und Behörden.
Vorinstanz verstieß laut BVerwG gegen Bundesrecht
Die Kollegen in Bayern, monierten die Leipziger Bundesrichter am Mittwoch, hätten bei ihrem Urteil nicht bedacht, wie das Bundesverfassungsgericht (BVG) den Rundfunkbeitrag per Urteil vom 18. Juli 2018 gerechtfertigt hatte: Damals hatte das BVG den Rundfunkbeitrag als mit dem Grundgesetz vereinbar erklärt, weil ja im Gegenzug jeder die Möglichkeit habe, von einem vielfältigen Programmangebot zu profitieren.
Ob dies tatsächlich heute noch zutreffe, sei eine Frage, der die bayerischen Richter nicht nachgingen. Dabei, so das BVerwG, sei sie zentral: Die verfassungsrechtliche Legitimität des Rundfunkbeitrags sei laut Gesetz nicht gegeben, wenn das Programmangebot des ÖRR die Anforderungen an Meinungsvielfalt und Ausgewogenheit über einen längeren Zeitraum nicht erfüllt. Die Schwelle, wann dies erreicht sei und sich womöglich auf die Beitragspflicht auswirkt, sei aber sehr hoch und der Nachweis anspruchsvoll, unterstrich der Senat.
Hinzu komme die Problematik der grundgesetzlich verbrieften Programmfreiheit, welche die Rundfunkanstalten verpflichte, in eigener Regie die Auftragserfüllung sicherzustellen.
Hohe Anforderungen an Defizits-Nachweis
Mit anderen Worten: Der Weg, gerichtlich gegen den Rundfunkbeitrag vorzugehen, wird, wenn ihn jemand beschreiten will, ein langer. Ein Zeitraum von nicht unter zwei Jahren müsse in den Blick genommen werden, in dem durch wissenschaftlich fundierte Gutachten der belastbare Nachweis gelingt, dass Hörfunk, Fernsehen und Telemedien insgesamt und regelmäßig ein Defizit bei Vielfalt und Ausbalanciertheit aufweisen.
Sollte ein Verwaltungsgericht dies bejahen, müsste es die Rundfunkbeitragspflicht dem BVG zur Prüfung vorlegen, urteilten die Leipziger Richter. Nach jetzigem Stand der Beweiserhebung scheine es aber zweifelhaft, ob die Klägerin tatsächlich einen Sieg einfährt, indem sie eine Vorlage in Karlsruhe erreicht. Schon beim Verhandlungstermin vor zwei Wochen hatte der Senatsvorsitzende Ingo Kraft betont, dass vereinzelte Unzufriedenheit mit ÖRR-Formaten bei Weitem nicht reiche.
Klägerseite spricht von Erfolg
Zudem wurde argumentiert, dass die Klägerin, die anonym bleiben will und nicht persönlich vor Gericht erschien, ein von ihr empfundenes ÖRR-Programmdefizit auf Basis des Rundfunkbeitragstaatsvertrags nicht ins Feld führen könne. Denn der Rundfunkbeitragstaatsvertrag schaffe keine Verbindung zwischen Beitragspflicht und Erfüllung des Programmauftrags.

Auch die im Grundgesetz verankerte Rundfunk- und Informationsfreiheit gäben keine Rechtsgrundlage her, eine Erfüllung des Informationsauftrags seitens des ÖRR einzufordern.
Um den Rundfunkbeitrag als solchen ging es im Verfahren nicht, sondern vor allem um die Frage, wie Gerichte mit Klagen umgehen. Dies wurde nun ein Stück weit beantwortet. Die Klägerseite sprach nach der Urteilsverkündung von einem Erfolg: Es sei zu begrüßen, dass Verwaltungsgerichte die ÖRR-Programmvielfalt prüfen müssten, so Rechtsanwalt Harald von Herget. Die Option der Programmbeschwerde sei weitgehend nutzlos, hieß es in der Verhandlung, da sie zu fast 100 Prozent als unbegründet verworfen werde.

Die andere Seite hatte entgegengehalten, dass sich der ÖRR selbstverständlich zu rechtfertigen habe, journalistische Fehler würden intern aufgearbeitet, so die Prozessvertreterin des Bayerischen Rundfunks, Eva Ellen Wagner. Der Eindruck dysfunktionaler Strukturen bei ÖRR sei aber falsch, betonte die Professorin für Öffentliches Recht. Der ÖRR wolle niemanden bevormunden.
BVerwG 6 C 5.24, Urteil am 15. Oktober 2025
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