Anfangs schien es wie ein unprofessioneller Wettbüro-Überfall, bei dem der Täter relativ zeitnah gefasst war. Doch wie am Ende auch die Staatsanwaltschaft annahm, steckte hinter der Geschichte mehr – der ausgeheckte Plan eines Trios, durch eine Inszenierung gemeinsam an Geld zu kommen. Auch das vermeintliche Opfer, eine Angestellte des Wettbüros, hing mutmaßlich in der Geschichte drin. Gegen den „Räuber“ fiel Donnerstagnachmittag am Landgericht ein Urteil.
Im Prozess packte er nach anfänglichem Zögern doch noch aus: Seit Ende August stand Lukas H. (26) wegen schweren Raubes vor dem Leipziger Landgericht. Doch davon blieb letzten Endes „nur“ noch ein Diebstahl in Tateinheit mit Beihilfe zur Untreue übrig. Wie konnte es dazu kommen? Es ist eine Story, wie sie auch Gerichte und Ermittler nicht jeden Tag erleben.
Offenbar ein abgekartetes Spiel
Laut ursprünglicher Anklage hatte Lukas H. am Abend des 21. Januar 2025 gegen 23:00 Uhr ein Wettbüro in der Eutritzscher Straße überfallen, dabei 19.142,38 Euro Beute aus dem gut gefüllten Tresor eingestrichen, zudem ein Samsung Galaxy-Mobiltelefon eingesackt. Unter der Beschimpfung „Du Schlampe, gib’ mir das ganze Geld, ich will das ganze Geld!“ habe der vorbestrafte Mittzwanziger die 19-jährige Kassiererin mit einem schusswaffenähnlichen Gegenstand bedroht und so sein Ziel erreicht, hieß es.
Die unfreundlichen Worte waren wohl tatsächlich gefallen – aber offenbar Teil eines inszenierten Spektakels: Nach seiner Aussage stand Lukas H. aufgrund von Drogenschulden derart unter Druck, dass er sich von seinem Gläubiger und dessen Halbschwester – der Kassiererin aus dem Wettbüro – zu dem Plan hinreißen ließ, einen Überfall zu simulieren, bei dem die Angestellte das Opfer spielt. Lukas H. soll im Gegenzug einen geringen, vierstelligen Anteil erhalten haben sowie die Zusage, dass seine Rauschgift-Schuld beglichen sei.
Vorwurf des Raubes vom Tisch
Das Geschwisterpaar, bei dem der Bruder während der Tatausführung als Fahrer fungiert und die Beute später entgegengenommen haben soll, erwartet eine gesonderte Strafverfolgung. Lukas H. selbst, der inzwischen aus der Untersuchungshaft freigekommen ist, erschien am Donnerstag unentschuldigt nicht zum letzten Verhandlungstermin. Auch Verteidiger Ingo Stolzenburg gab an, nichts zum Verbleib seines Mandanten sagen zu können.
So wurde der Prozess in Abwesenheit der Hauptfigur zum letzten Akt am Donnerstag über die Bühne gebracht. Klar war, dass der strafrechtliche Vorwurf eines schweren Raubes nicht mehr zu halten sein wird. Diskutiert wurde eher, wie das am Tatabend im Tresor gelagerte und erbeutete Geld rechtlich eingeordnet werden muss.
Denn nur so kann entschieden werden, ob in dem speziellen Fall beispielsweise wegen Diebstahls, Unterschlagung oder möglicher Untreue verurteilt werden kann. Die Wendung der Sachlage hatte eben auch die Rechtssituation durcheinandergewirbelt.
Angeklagtem wird Drucksituation zugebilligt
Letztlich verurteilte die Strafkammer Lukas H. wegen Diebstahls in Tateinheit mit Beihilfe zur Untreue zu zehn Monaten Haft ohne Bewährung. Dazu kommen die Einziehung von Wertersatz in Höhe der Beute und die Verfahrenskosten.
„Von einem erschreckenden Raubüberfall ist lediglich eine abgekartete Sache übrig geblieben“, fasste die Vorsitzende Richterin Katrin Seidel zusammen. Die Trickserei des Trios und auch der „Überfall“ seien sicher fehlerbehaftet und wenig professionell vorbereitet gewesen.
Strafmildernd wurde dem abwesenden Lukas H. eine „gewisse Drucksituation“ zugebilligt: „Er war ein bisschen das klassische Opfer, das herumgeschubst wird.“ Das heißt aber nicht, dass seine Handlung alternativlos war, betonte das Gericht. Man habe bereits am unteren Strafrahmen angesetzt und alles in die Waagschale geworfen, was für den „Räuber“ spräche, vor allem auch sein Geständnis.
Dilettantische Inszenierung: „Ein bisschen an die Bully-Herbig-Show gedacht“
Das Urteil entsprach der Forderung der Staatsanwaltschaft, während Verteidiger Ingo Stolzenburg am Ende seines einstündigen Schlussvortrags eine Bestrafung „mit Augenmaß“ beantragt hatte. Der Rechtsanwalt kritisierte die Arbeit der Kripo, die nach seiner Ansicht viel eher auf die vermutliche Mittäterschaft der zwei anderen Personen hätte aufmerksam werden müssen.
Selbst als man bei dem mutmaßlichen Komplizen beispielsweise 6.000 Euro Bargeld fand, hätten sich die Ermittler mit einer Ausrede abspeisen lassen, kritisierte Stolzenburg.
Auch das Video der Überwachungskamera zeige das Dilettantische des „Überfalls“: „Da habe ich ein bisschen an die Bully-Herbig-Show gedacht.“ Ihr Mandant sei vor allem „schändlich ausgenutzt“ worden, so das Resümee der Verteidigung. Gegen das Urteil kann noch Revision eingelegt werden.
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