Am 3. Februar findet bereits das 15. Benefizkonzert der Elternhilfe für krebskranke Kinder statt. Professorin Veronika Wilhelm ist die einzige Musikerin, die bisher bei allen Konzerten musizierte. Im großen L-IZ-Interview berichtet die stellvertretende Solo-Cellistin des Gewandhausorchesters von Klößen im Hals bei Benefizkonzerten, ihrer eigenen Erfahrung mit der Heilungskraft der Musik, die Hoffnung auf einen neuen Spendenrekord und das kommende Konzert.

Frau Wilhelm, das 15. Benefizkonzert der Elternhilfe für krebskranke Kinder steht an und Sie waren als einzige Künstlerin bei allen dabei – obwohl Sie mit ihren Ämtern sicher mehr als genug zu tun haben. Wie kommt das?

Vorweg: unter uns Musikern gibt es eine relevante Anzahl von Kollegen, die es nur ein- oder wenige Male nicht ermöglichen konnten, bei diesen Benefizkonzerten der Elternhilfe krebskranker Kinder dabei zu sein, die sich aber genauso verbunden fühlen, wie ich es tue. Insofern spreche ich sicherlich im Namen vieler Kollegen, wenn ich sage, es ist uns eine Herzensangelegenheit, die Arbeit der Elternhilfe zu unterstützen.  Wenn schutzbedürftige Kinder ohne jegliches Verschulden an Krebs erkranken, dann gerät das gesamte Familienleben aus dem Gleichgewicht.

Die aufopferungsvolle und nicht genug zu würdigende vielschichtige Arbeit der Elternhilfe benötigt Geld und Zuwendung. Unsere Konzerte können nicht nur einen unbeschwerten Abend bewirken, sondern wir wollen mit ihnen ebenso öffentliche Aufmerksamkeit erreichen, um weitere Unterstützer ins Boot zu holen, denn wer auf der Suche ist, mit seinem Geld Gutes zu tun, der ist bei der Elternhilfe krebskranker Kinder genau richtig.

Auch die Ärzte, Schwestern und Pfleger freuen sich über die dringend benötigte Hilfe. Was mich betrifft: ja, ich habe eigentlich genug zu tun. Jede Minute hierfür aufgebrachter Zeit ist jedoch sinnvoll investiert, so dass ich dem Mitwirken an diesen Konzerten Priorität einräume, gegebenenfalls zu Lasten anderer parallel stattfindender Dinge, beziehungsweise Aufgaben jenseits der Dienste am Gewandhaus.

Als Zeitzeugin können Sie uns einen kurzen Abriss über die Entwicklung des Konzerts vom ersten bis zum diesjährigen geben. Wie liefen die ersten Konzerte und wie gelang die feste Etablierung im Leipziger Veranstaltungskalender?

Ich habe eine erfreuliche Entwicklung seit den ersten Konzerten in der Thomaskirche bis heute erlebt. Wir hatten bereits damals einige Gänsehautmomente in der relativ gut gefüllten Thomaskirche. Doch niemand konnte anfangs voraussehen, dass wir nun schon unser 15. Benefizkonzert gestalten können. Der Umzug ins Gewandhaus ermöglichte, der inzwischen weiter gewachsenen Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit, mehr Platz zu verschaffen.

Dieses gewachsene öffentliche Interesse ist ein toller Erfolg – zeigt es doch, dass mit Beharrlichkeit der Elternhilfe, insbesondere des Sporttherapeuten Markus Wulftange, der gemeinsam mit seinen Mitarbeitern seit 15 Jahren die Benefizkonzerte organisiert, immer mehr Menschen dafür sensibilisiert werden konnten, die Arbeit rund um die Kinderonkologie zu verstehen und zu unterstützen. Unsere Benefizkonzerte unter der Schirmherrschaft unseres Oberbürgermeisters haben in der Zwischenzeit einen beständigen Platz im Leipziger Veranstaltungskalender, und auch dieses Mal dürfen wir uns wieder auf einen vollen Saal freuen. Schön wäre es natürlich, wenn sich die Entwicklung der vergangenen Jahre noch krönen ließe und die schönen Spendenerfolge von einer neuen Rekordsumme abgelöst würden.

Was war ihr persönlicher Höhepunkt in der bisherigen Konzert-Historie?

Da möchte ich mich nur ungern festlegen: persönlich habe ich einige schöne Erinnerungen, denke da beispielsweise an die gemeinsamen Konzerte mit dem Thomanerchor, der mit seinen Kinderstimmen eine besondere Verbindung zu unserem Anliegen auszulösen vermochte, oder auch an die Alpensinfonie, die in Verbindung mit einem an die Leinwand projizierten Film einer Gebirgswanderung emotionale Momente bescherte. Es kommen in den Konzerten auch Betroffene und Beteiligte zu Wort, die uns ganz unmittelbar vor Augen führen, wie wichtig und unverzichtbar unser Aller Unterstützung ist. Diese Beiträge zeichnet die besondere Atmosphäre der Konzerte aus.

Wie gelingt es Ihnen, sich trotzdem hundertprozentig auf Ihren Auftritt zu konzentrieren?

Auch uns Musikern steckt ein Kloß im Hals, wenn wir vom Schicksal Betroffener erfahren, so dass es für uns eine besondere Herausforderung ist, die notwendige Konzentration aufzubringen. Wir sind an solch einem Abend ja nicht dafür da, uns wohlzufühlen, sondern Gutes zu bewirken. Musik würde jedoch ohne Emotionen ihren Sinn verlieren. Insofern gehört die innere Beteiligung zu unserem Beruf – was nicht bedeutet, dass uns dies leicht fällt. So hoffen wir, dass es uns gelingt, das zuvor Gehörte in der Musik zu verarbeiten, so dass alle Konzertbesucher und insbesondere auch die Betroffenen spüren, dass wir im Herzen bei ihnen sind.

Spüren Sie als Künstler die unterschiedlichen Konzert-Atmosphären, die auch vom Zuschauerraum ausgehen, auf der Bühne?

Als Künstler haben wir natürlich ein Gespür für die jeweils im Raum herrschende Atmosphäre. Diese begleitet uns durch das Konzert und ermöglicht uns unmittelbare Reaktionen in der Auseinandersetzung mit der Musik. In den Benefizkonzerten ist nicht nur das Publikum ein anderes als in unseren Sinfoniekonzerten. Durch die besondere Thematik ist der Dialog mit dem Publikum auch für uns etwas Besonderes.

Inwieweit unterscheiden sich Benefizkonzerte von anderen Konzerten, die Sie spielen, vom künstlerischen Standpunkt?

Veronika Wilhelm hofft auf einen neuen Spendenrekord. Foto: Gerd Mothes
Veronika Wilhelm hofft auf einen neuen Spendenrekord. Foto: Gerd Mothes

Selbstverständlich haben wir auch in den Benefizkonzerten einen hohen künstlerischen Anspruch, wenngleich das Streben um Virtuosität oder Wettbewerbstauglichkeit wirklich nachrangig ist. Es hat sich inzwischen als eine schöne Tradition herausgestellt, dass in diesen Benefizkonzerten wir Gewandhausmusiker gemeinsam mit Kollegen des MDR, der MuKo und Studenten der Musikhochschule auf der Bühne musizieren. Das ist sehr schön – können wir doch zeigen, dass Musiker aller Leipziger Orchester dabei sein wollen, erfordert aber auch, dass wir innerhalb weniger Proben wiederum zu einem einheitlichen Ensemble zusammenwachsen.

Welche Aufgabe fällt aus Ihrer Sicht der Musik bei dem Benefizkonzert zu?

Zum Einen wollen wir betroffenen Familien, aber auch den Ärzten, Schwestern und Pflegern sowie den Mitgliedern der Elternhilfe – also all jenen, die sich um die Genesung der Kinder und die Unterstützung ihrer Angehörigen bemühen – seelischen Beistand leisten, ihnen ein wenig Ablenkung geben, helfen, mal die Sorgen aus dem Fokus zu holen. Andererseits möchten wir mit der Musik den Unterstützern danken und potentielle Geldgeber einladen, ihr Herz und ihre Geldbörse weit zu öffnen.

Glauben Sie an die heilende Wirkung von Musik?

Ja. Aus meiner eigenen onkologischen Geschichte heraus kann ich das nur bejahen. Heute muss man wohl Niemanden mehr davon überzeugen, dass Musik heilende Kräfte und eine heilende Wirkung hat.

Das diesjährige Konzert steht unter dem Thema “Masken, Mythen, Melodien”. Wirken Sie auch an der Themenfindung für die Konzerte mit?

Programmvorschläge und Ideen von uns Musikern sind willkommen, bevor passende Themen zu passender Musik gefügt werden. Letztlich bespricht Markus Wulftange gemeinsam mit dem Dirigenten und in Anlehnung an dessen Programmvorschläge das Thema des jeweiligen Konzertes.

Was erwartet die Besucher in diesem Jahr?

Die großartigen Pantomimen Bodecker&Neander werden da sein und gemeinsam mit uns die Pulcinella-Suite von Stravinsky aufführen. Da kommen Augen und Ohren der Besucher auf ihre Kosten. Beim schönen romantischen Cellokonzert von E.Elgar habe ich die Ehre, als Solistin aufzutreten. Des Weiteren hören Sie H. Berlioz Ouvertüre “Römischer Karneval” und C.M.v.Webers “Beherrscher der Geister” Ouvertüre.

Besonders freuen wir uns darüber, dass wir in diesem Jahr Herrn Matthias Foremny als Dirigenten gewinnen konnten, der nicht nur unser 1. Gastdirigent an der Oper Leipzig ist, sondern ebenfalls GMD des Stuttgarter Kammerorchesters und frischgebackener Lehrstuhlinhaber und Professor für Dirigieren und Orchesterleitung an der Hochschule für Musik und Theater “Felix Mendelssohn Bartholdy”. Wir wünschen uns allen einen schönen und erfolgreichen Abend.

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