Am Samstag, den 9. Mai veröffentlichten Unbekannte auf dem linken Szeneportal „Indymedia Linksunten“ über 100 private Dateien aus dem Besitz des Leipziger Rechtsextremisten Alexander K. Bei den Daten handelt es sich einerseits um Screenshots, andererseits um Sprachnachrichten. Das geleakte Material liefert aufschlussreiche Einblicke hinter die Kulissen der ortsansässigen Neonazi-Szene.

Das Material stammt wahrscheinlich von einem Handy, das Antifa-Aktivisten Alexander K. im vergangenen März geraubt hatten. Die Urheber des Indymedia-Artikels nennen sich selbst „161Boxing“ und sprechen in der Einleitung von „militanten Antifaschist_innen“, die in den Besitz der geleakten Datensammlung gekommen seien.

Einige Screenshots deuten auf die Nachrichtenplattform Whatsapp als Quelle hin. Über das Netzwerk lassen sich nicht nur Textnachrichten und Bilder, sondern auch aufgezeichnete Sprachnachrichten versenden. Anscheinend tauschte sich Alexander K. in berichtsähnlichen Wasserstandsmeldungen mit anderen Neonazis aus Sachsen, darunter vor allem Maik Scheffler, einem Delitzscher Stadtrat aus. Dieser war im Januar 2015 aus der NPD ausgetreten und scheint eher dem neuen Rechts-Kurs K.´s zugeneigt zu sein.

Die vermutlich originalen Inhalte lassen Rückschlüsse auf die augenblickliche Lage innerhalb der rechtsmilitanten Szene in Leipzig zu. So geht aus den Nachrichten hervor, dass die Bürgerinitiative gegen den Moscheebau in Leipzig namens „Gohlis sagt Nein“ offenbar seit ihrer Gründung im Herbst 2013 von den NPD-Aktivisten rings um den 2014 gescheiterten Leipziger Stadtratskandidaten Alexander K. gesteuert wurde.

Mittlerweile baut der Leipziger Szenekader den sächsischen Landesverband der aus Hamburg stammenden Kleinstpartei „Die Rechte“ von Christian Worch mit auf. Die Legida-Proteste spielen sich ohne öffentlich sichtbare Unterstützung der strammrechten Kameraden ab, doch im Hintergrund scheinen einige Fäden bei K. zusammenzulaufen.

Man kennt sich: Silvio Rösler ruft am am 9. März auf dem Augustusplatz im Namen Legidas zur Unterstützung Alexander K.s auf, nachdem dieser in einer Leipziger Kneipe attackiert worden war. Foto: L-IZ.de
Man kennt sich: Silvio Rösler ruft am am 9. März auf dem Augustusplatz im Namen Legidas zur Unterstützung Alexander K.s auf, nachdem dieser in einer Leipziger Kneipe in Möckern von Unbekannten attackiert worden war und dies auch selbst bei Facebook verbreitete. In den Audiofiles wird auch über diesen Vorgang gesprochen. Foto: L-IZ.de

Wie eng ist der Draht zwischen Legida und Rechtsextremisten in Leipzig?

Anfänglich war Alexander K. von einem Mitorganisator gebeten worden, nicht zu erscheinen. Der Neonazi las dem Mann die Leviten, bei einer auf Screenshots zu sehenden Chatdebatte mit einem “Holger Legida” soll es gar um die Veranstaltungstechnik bei Legida gegangen sein, zu deren Daten man bei der Anbieterfirma einfach einen Gruß von Nils L., einem weiteren bekannten sächsischen Neonazi, ausrichten solle. Deutschlandfahnen und Plakatierdienste könnte K. laut den Audiofiles ebenfalls beigesteuert haben.

Anschließend nahmen offenbar die Organisatoren Tipps und Tricks von den Neonazis um K. dankend an. Dazu zählten laut der Voicenachrichten die Hinzuziehung des Rechtsanwalts Arndt Hohnstädter (was K. in den Nachrichten zumindest als richtig goutiert), die Solidarisierung mit der Polizei nach dem Angriff auf die Dienststelle in der Wiedebach-Passage im vergangenen Januar oder mögliche Orte für Demonstrationen.

„Bei Legida ist man da ein bisschen im Hintergrund tätig“, erklärte Alexander K. in den Dateien zur aktuellen Strategie. Man rede darüber hinaus auf den Versammlungen mit den Menschen und versuche sie, in die richtige Richtung zu lenken. Welche Richtung das ist, macht er kurz darauf in einer weiteren Voicenachricht klar: „Für mich ist immer noch der Feind das Weltjudentum und der Zionismus, die hinter diesen Verbrechen stehen.“ Gemeint waren angebliche Missetaten gegen das deutsche Volk, aber auch gegen die islamische Welt.

Es ist allerdings nicht nur die große Weltverschwörung, die sich K. herbeifabuliert hat. Angeblich besitze er Fotos, die eine enge Freundschaft zwischen der Linken-Abgeordneten Juliane Nagel und dem Leipziger Polizeipräsidenten Bernd Merbitz belegen würden. Zu vermuten ist, dass damit eine kurze Zeitspanne gemeint sein könnte, in welcher die beiden bei einer Legida-Demonstration auf dem Augustusplatz nahe beieinander standen und einige Worte wechselten.

NPD-Politiker Enrico Böhm auf dem Weg zur Unterschrift bei seiner Vereidigung am 18. Dezember im Leipziger Stadtrat. Foto: L-IZ.de
NPD-Politiker Enrico Böhm auf dem Weg zur Unterschrift bei seiner Vereidigung am 18. Dezember im Leipziger Stadtrat. Foto: L-IZ.de

NPD-Stadtrat Enrico Böhm ist in rechten Kreisen offenbar unten durch

An seinem ehemaligen Parteifreund und Weggefährten Enrico „Porky“ Böhm, lässt er in den Materialien kein gutes Haar. Dass sich der NPD-Politiker im Stadtrat kaum einbringe, selbst bei Themen, wie Ausländer in Leipzig auf dem goldenen Tablett serviert, hält K. für kritikwürdig. In weiteren Mitschnitten, in denen ein weiterer Mann zu hören ist, wird der NPD-Mann als „peinlich“ diskreditiert. Außerdem habe er eher Schläge verdient. Immerhin könne Böhm – im Gegensatz zu seinen Vorgängern – noch nicht einmal eine für ihn geschriebene Rede vom Blatt ablesen.

„In Sachsen läuft es ganz gut“, meldet K. vermutlich dem früheren NPD-Vize Maik Scheffler hinsichtlich der Bemühungen, „Die Rechte“ im Freistaat zu reaktivieren. Wertschätzende Worte über die eigene Szene hatte Alexander K. jedoch parat: „In unseren Reihen lässt das Menschenmaterial zu wünschen übrig“, bemerkte er mit Blick auf die mangelnden Rethorikkünste seiner Kameraden. Die Gründungsmitglieder seiner derzeitigen Partei bezeichnete er sogar als „Minusmenschen“.

Wie echt sind die Leaks?

L-IZ.de stuft das geleakte Material durch diverse Rückschlussmöglichkeiten wie dem Verhältnis K.s zu Böhm, den Vorgängen im Kommunalwahlkampf 2014 und einem nachweislichen Kontakt K.s zur Holocaustleugnerin Ursula Haverbeck (siehe “Liveticker zu Legida vom 27. April 2015“) mittlerweile als authentisch ein. So äußert sich beispielsweise neben weiteren nachvollziehbaren Zusammenhängen, wie den Überfall auf sich selbst, Alexander K. zu einer Kontaktaufnahme zu einem gewissen “Andreas Paris” auf Facebook. Dieser habe geantwortet und sich im Namen des “Orgateams von Legida” auch bedankt. “Andreas Paris” findet sich als Verantwortlicher im Impressum der Internetseite, welche zur gestrigen Berliner Kundgebung “Gemeinsam für Deutschland” am 9. Mai 2015 ab 15 Uhr, Berlin, Hauptbahnhof auf dem Washingtonplatz mobilisierte.

Auf der Veranstaltung stellte sich der Leipziger am Mikrophon allerdings mit einem anderen Nachnamen vor und beschimpfte heute im Nachgang auf Facebook, hier wieder als “Andreas Paris”, den Dresdner Lutz Bachmann wegen dessen fehlender Unterstützung seitens Pegida für den offenbar als Großevent geplanten gemeinsamen Demonstrationsausflug der GIDA-Bewegung nach Berlin.

Die Spur der gestrigen Veranstaltung in Berlin führt also nach Leipzig und direkt zu Legida zurück. Seit heute kann man auf deren Facebookseite neben einer ernüchternden Selbsteinschätzung von 600 Teilnehmern lesen: “Als Gäste der gestrigen Veranstaltung in Berlin bedanken wir uns bei Andreas Paris, welcher als absoluter Organisationsneuling eine Veranstaltung auf fremden Terrain gemanagt hat und im Stile eines Feuerwehrmannes auch noch den ausgefallen Moderator ersetzte.” Unter anderem trat neben “Andreas Paris” und Jürgen Elsässer in Berlin auch der Leipziger Legida-Dauergast “Friedrich Fröbel” auf, weitere Legidaverantwortliche scheinen auf der vom Magazin “Compact” beworbenen Kundgebung ebenfalls vor Ort gewesen zu sein.

Alexander K. selbst kommentierte die Veröffentlichung der Dateien auf L-IZ-Nachfrage bislang nicht.

Die weitere Auswertung des Materials seitens L-IZ.de dauert an.

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Es gibt 4 Kommentare

Hallo Herr Freitag,

danke für die Antwort. Mit meiner Frage zur strafrechtlichen Würdigung war bzw. ist nicht der Umgang der L-IZ mit diesen Informationen gemeint, was unproblematisch sein dürfte. Mir geht es um den Umgang dieser Antiva-Aktivisten damit.

Lieber Klaus,

eine “Weitergabe” läge dann vor, wenn wir die frei im Netz verfügbaren, also für jederman zugänglichen Audios hier veröffentlichen würden. Den Rest regeln die einschlägigen Pressegesetze, denen wir uns (nicht zuletzt durch unsere Mitgliedschaft im Deutschen Presserat) selbstverständlich verpflichtet fühlen. Und die auch hier zur Anwendung kamen.

Antifa-Aktivist ist letztlich ein Sammelwort für Menschen, die estwas gegen Neonazis haben. Da wir selbstredend nicht wissen, wer die Leaks zur Verfügung gestellt hat, schien dies das richtige Wort für die Unbekannten.

Ihr M.F.

Unabhängig vom Inhalt dieses Beitrages.

Wäre denn jemand so freundlich mir zu erklären, was “Antifa-Aktivisten” sind? Ich kann mit diesen Begriff nichts anfangen. Bin ich zu blöd?

Handelt es sich bei der Weitergabe derartiger Informationen, die wahrscheinlich aufgrund gestohlener Handys zugänglich wurden, nicht um eine Straftat, die somit strafrechtlich geahndet werden könnte? Unter den Leserinnen bzw. Lesern wird sich doch ein Jurist finden, der bereit ist, diese – meine – Frage zu beantworten.

Ich hoffe, dass mein Willen zu Wissenserweiterung mich nicht in irgendwelche politische Ecken katapultiert, was ja besonders in Leipzig schon zum Alltag gehört.

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