Da gern und ausführlich und im Normfall undifferenziert gemeckert und gehetzt wird - und dies nicht nur in "bildungsfernen" Schichten - fragt Tanner gern mal Menschen, deren Lebenskonzepte nicht für soviel blinde Wut und unzivilisierten Hass stehen. Der Christoph David Schumacher zum Beispiel organisiert mit Freunden Gedenken an jüdische Menschen - dies über die Bande Fußball und immer mit dem Gedanken an ein humanes Miteinander. Da können sich die Trolle und Hetzer wahrhaft mehrere Scheiben von ihm abschneiden.

Shalom Christoph David Schumacher. Mit Katrin Auerswald und Viviane Goesch organisierst Du das Internationale Fußballfest zum Max & Leo Bartfeld Pokal. Erzähl doch mal bitte ein bisschen, um was es da geht.

Shalom Volly. Unser Fußballbegegnungsfest ist ein internationales C-Junioren-Turnier in Gedenken an die Brüder Max und Leo Bartfeld und alle Sportler der ehemaligen jüdischen Fußballvereine in Leipzig. Unser Verein Tüpfelhausen – Das Familienportal e.V. will mit dem Fest junge Menschen zusammenbringen und Verständnis sowie Akzeptanz für unterschiedliche Kulturen wecken. Vom 19. bis zum 21. Juni 2015 veranstalten wir das Turnier in der Sportschule “Egidius Braun” des Sächsischen Fußball-Verbandes e.V. Drumherum haben wir ein breites wie attraktives Kulturprogramm gestrickt.

Wer spielt denn mit?

Traditionsvereine aus ganz Deutschland, so der Altonaer FC von 1893, der 1. FC Lokomotive Leipzig, der FSV Zwickau und Viktoria 1889 Berlin, um einige zu nennen. Dann jüdische Clubs wie Makkabi Frankfurt und der FC Hakoah Zürich und natürlich auch Vereine, die sich vorbildlich um Flüchtlinge kümmern wie der Leipzig United F.C., ein Projekt des NETZwerk Blau-Gelb e.V., und der SV Silberhöhe Halle mit dem Projekt Social Streetsoccer. Aus Israel reist der Pardes Hanna Carcoor Sport Club mit einer großen Delegation an.

Eine Liste mit allen Mannschaften wie allen Programmpunkten findest Du auch auf unserer eigenen Kampagnenseite unter www.fussballbegegnungsfest2015.de.

Toll ist, dass fast alle Mannschaften, die teilnehmen, einen Bezug zu den Zielen des Turniers sowie zu der Entwicklung des Fußballsports in Deutschland haben. Beim Altonaer FC von 1893 wurde zum Beispiel 1903 die 1. Deutsche Fußballmeisterschaft ausgespielt, die der heimische 1.FC Lokomotive Leipzig unter dem damaligen Namen VfB Leipzig gewann. Viktoria Berlin ist ebenfalls zweimaliger Deutscher Fußballmeister, in den Jahren 1908 und 1911 holten sie die Viktoria nach Berlin.

Auf dem Platz der Spielvereinigung 1899 Leipzig e.V. hatte Bar Kochba Leipzig sein erstes Domizil. Und mit unseren Freunden von Hakoah Zürich spielt die Mannschaft mit, die mit einem Freundschaftsspiel 1922 den Platz von Bar Kochba Leipzig einweihte. Viel Geschichte wie Tradition ist also im Raume.

Und wer waren Max & Leo Bartfeld?

Max und Leo Bartfeld waren Brüder, die zu den engagiertesten Mitgliedern von Bar Kochba Leipzig zählten. Durch unseren bundesweiten Gedenktag an Bar Kochba Leipzig, den wir mit der Initiative 1903 im November 2013 ausgerichtet haben, erzielten wir viel Aufmerksamkeit. In den Niederlanden las davon ein Überlebender der Shoa, Ze´ev Bar. Er ist der Sohn von Max Bartfeld.

Ein Team von Tüpfelhausen hat Ze´ev im Spätsommer 2014 in Amsterdam besucht und seine Lebensgeschichte aufgezeichnet. Wir wollen mit diesem Turnier an die Familie Bartfeld, die soviel Leid und beinahe die völlige Auslöschung unter dem nationalsozialistischen Terror- und Gewaltregime erlitten hat, erinnern.

Und Du – wie bist Du da eigentlich reingerutscht in dieses Fußballfestorganisieren?

Na ja, ein großer Fußballfan bin ich schon zeitlebens. Mein Fußballherz gehört der BSG Chemie Leipzig. Darüber hinaus ist Tüpfelhausen als Familienverein eine Toleranz- wie Willkommenskultur in Leipzig wichtig, die Extremismus jeder Form die rote Karte zeigt. Leider nehmen antisemitische wie antizionistische Meinungen auch in Leipzig wieder zu. Wir wollen mit dem großen Fußballfest einen kulturellen Austausch und eine Toleranzkultur anstoßen. Fußball ist dafür ideal, denn er verbindet niederschwellig und ist in fast allen sozialen Schichten, vielen Kulturen wie Ländern der Volkssport Nummer 1.

Zur “Langen Nacht der Begegnung” ist’s ja dann eher das Miteinander und das Kennenlernen als das Toreschießen. Was soll denn da genau stattfinden?

Richtig. Hier geht es um Austausch, um ein Kennenlernen. Wir haben ein breites kulturelles Programm auf die Beine gestellt. Beginnend mit einem klassischen Streichquartett zur Eröffnung haben wir die im Leipziger Westen beheimatete Linie7ieben bei der “Langen Nacht der Begegnung” dabei. Und auch der DJ unterhält die Gäste mit einem ansprechenden Programm, u. a. populärer israelischer Tanz- wie Hallmusic. Zudem haben wir Ausstellungen und Führungen zu deutsch-jüdischer (Sport-) Geschichte in das Programm installiert. Und auch der Gaumen will unterhalten werden. Daher bieten wir an diesem Abend ein klassisches Kosher-Style-Grillbuffet für unsere Gäste an.

Leipzig hat ja eine lange jüdische Geschichte und mittlerweile auch – unter Anderem mit Küf Kaufmann – wieder herausragende Persönlichkeiten im öffentlichen Leben. Da gibt es Lebenswelten, in denen der Antisemitismus ausgemerzt scheint. In anderen Strukturen ist da aber noch die extreme Hasswelle. Wie kommt das, Deiner Meinung nach? Ich meine, wir denken doch alle von uns, dass wir zivilisiert sind …

Leider lassen sich bestimmte stereotype Muster anscheinend niemals vollständig aus den Köpfen der Menschen herausdrängen. Darüber hinaus setzen bestimmte politische wie religiöse Gruppen den Antisemitismus gezielt als Einstieg für ihre extremistischen Ziele ein. Aber auch in der so oft beschworenen “Mitte der Gesellschaft” sind antisemitische wie antizionistische Einstellungen verbreitet. Wir müssen daher schauen, möglichst viele, vor allem junge, Menschen zu erreichen und diese frühzeitig für eine breite Toleranzkultur zu gewinnen, die jedem Extremismus die berühmte “Rote Karte” zeigt.

Es werden ja auch gerne Begriffe vermischt, deshalb einfach mal an Dich die Frage: Was ist das eigentlich – möglichst klar und unkompliziert formuliert, dieser Antisemitismus?

Du gestattest, dass ich dafür kurz auf die Definition von Wikipedia verweise? Diese ist kurz und klar formuliert: Judenfeindlichkeit (auch Judenhass, Judenfeindschaft, gegebenenfalls Judenverfolgung) bezeichnet eine pauschale Ablehnung der Juden und des Judentums. Dieses Phänomen erscheint seit etwa 2.500 Jahren und hat besonders die Geschichte Europas über weite Strecken begleitet. Es reicht von Verleumdung, Diskriminierung und Unterdrückung über lokale und regionale Ausgrenzung, Verfolgung und Vertreibung bis zum Genozid an etwa sechs Millionen europäischen Juden (Holocaust) in der Zeit des Nationalsozialismus.

Bei der Langen Nacht gibt es auch ein “Kosher-Like”-Buffet. Weil es doch nicht alle Menschen wissen: was ist das denn? Also dieses kosher – und was ist ein “Kosher-Like”-Bufett?

Kosher heißt übersetzt nichts anderes als geeignet. Der Begriff hat ja auch Einzug in die deutsche Sprache gehalten. Du kennst die Redewendung: “Die Sache ist mir nicht kosher”. Ich will kosher als Begriff nur kurz umreißen, er ist zu vielschichtig, um ihn hier in der kurzen Form darstellen zu können und eine genaue Definition wird Dir nur ein Rabbiner geben können. Der Kaschrut, also die jüdischen Speisegesetze, definieren, welche Speisen erlaubt und nicht erlaubt sind und wie deren Zubereitung auszusehen hat. Grundsätzlich gibt es drei große Aspekte dabei: Die Unterscheidung von erlaubten und nicht erlaubten Tieren. Das Verbot des Blutgenusses und die Aufteilung der Lebensmittel in fleischige (basari), milchige (chalawi) und neutrale (parve).

Ein Essen für “kosher erklären” kann nur ein Rabbiner. Uns ist es beim Turnier wichtig, auch vielen unserer jüdischen Freunde ein tolles Essen anbieten zu können, was sich an ihren Speisegesetzen orientiert. Dabei bieten wir beim Buffet ein vorwiegend vegetarisches Buffet an, trennen klar die milchigen von den fleischigen Speisen. Und bieten als Fleisch nur Hühnerfleisch an. Auch der Grill, auf dem das Hühnerfleisch zubereitet wird, ist komplett neu. Das alles ist sehr aufwendig, jedoch für eine gute Gastfreundschaft unabdingbar. Wir freuen uns, dass wir das alles möglich machen können.

Danke für die Antworten und natürlich viel Spaß und gute Begegnungen.

Ich danke Dir für das Interview.

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