Amazon, Seattle, Sherlock Holmes, Nepal, Literaturbertrieb, Knasterfahrung und noch viel mehr kommt zur Frage im ellenlangen, epischen Interview mit David Gray. Viel Lesestoff. Aber extrem unterhaltsam. Wie ein gutes Leben: lang und unterhaltsam. Und kaum zu bremsen. Ein Meilenstein der Journalistikgeschichte, kein Kiesel, nein, ein Berg. Apropos Berg - im dritten Teil geht es auch um Bergsteigen in Leipzig und überhaupt …

Noch so ein Schmankerl aus Deiner Vita: “Seine Biographie umfasst längere Aufenthalte in Südostasien, Großbritannien und Frankreich. Seine gewöhnlich zu knapp bemessene Freizeit verbringt er gern beim Bergsteigen und Segeln.” – Das klingt verführerisch weltmännisch. Was muss ich mir denn unter “längere Aufenthalte” vorstellen? Und warum? Es gibt ja auch längere Aufenthalte in britischen Gefängnissen, zum Beispiel. Und wo, verdammt, gehst Du Bergsteigen hier in Leipzig?

Jetzt wird das hier persönlich, oder was? Okay, David Gray ist ja ein Pseudonym. Das war gar keine große Überraschung, nehme ich an. Aber auch wenn man seine Pseudonymbiografie verfasst, sollte die möglichst nah an der Wahrheit entlang schrammen. Alte Regel: Wenn schon schwindeln, dann nah an der Wahrheit entlang, sonst fällt’s irgendwann mal auf und man hat sich blamiert.

Ich habe wirklich während mehrerer längerer Reisen viele Monate in Nepal und Indien verbracht. Das waren prägende Erlebnisse, die mich persönlich  bewegt und auch verändert haben. Ich recherchierte dort für ein Sachbuchprojekt und war nebenbei für verschiedene NGO tätig. Aber das sind persönliche Dinge, die nicht wirklich in die Öffentlichkeit gehören. Sorry. Ich kann aber hier gern die Gelegenheit nutzen auf das verheerende Erdbeben hinzuweisen, das Nepal vor einiger Zeit traf und eines der ärmsten Länder der Welt noch chaotischer und hilfloser hinterließ als es vorher schon war.

Wenn ihr helfen wollt, habe ich  einen Tipp für euch: www.nepalmed.de ist ein Verein, bei dem eure Spenden wirklich dort landen, wo sie hin sollen und hingehören, nämlich an die Leute in Nepal, die alles verloren haben und noch dazu auf medizinische Hilfe angewiesen sind.

Was Knäste betrifft, da könnte ich mit Kurzzeitaufenthalten im Ausländerknast in Kathmandu aufwarten, der übrigens bis zum Erdbeben erstaunlich luxuriös war. Mit Clubledersofa und Einbauküche für die Gemeinschaftszelle. Da wirkten die Gitter vor den Fenstern und an den Türen zunächst gar nicht so schlimm. Aber ich war da nur knapp 12 Stunden, das ist nicht viel Knasterfahrung. Echte Knackis werden darüber mit Recht sehr müde lächeln. Aber es macht sich trotzdem gut in der Biographie eines Krimischreibers oder?

Das stimmt. Ich schreib ja derzeit SF und wollte auch schon mit einem Raumschiff …

Nicht unterbrechen, Volly, ich bin grad so gut in Fahrt. In Großbritannien und Irland war ich länger, weil ich in beiden Ländern Beziehungen hatte. Und meine irische Geliebte studierte später in Paris, da war ich auch längere Zeit, zumal ich auch zuvor gern und länger in Frankreich war, im Süden im Languedoc.  Mit dem Englischen hatte ich nie wirkliche Probleme, aber Französisch wirklich halbwegs gut zu lernen krieg ich einfach nicht hin. Das regt mich schon auf.

Und jetzt zu Deinen sportlichen Aktivitäten.

Segeln, das klingt ein wenig nach Yachtbesitzer und Herrenreiter, oder?  Aber da steckt mein ältester Freund dahinter, der war nämlich DDR- Jugendmeister im Segeln und hat mich angefixt, was seinen Sport betrifft. Obwohl ich es wirklich liebe, gebe ich auch zu, dass ich ein schlechter Segler bin und immer happy, wenn da wer auf dem Boot einfach den Kapitän gibt und mich anschiebt und überwacht. Dennoch vermittelt Segeln ein ganz besonderes Gefühl von Freiheit, das mir sehr gefällt und nach dem man schon ein bisschen süchtig werden könnte. Klettern, das kam während des Abiturs.

Da lernte ich einige Sportkletterer kennen, die so abenteuerlich gestimmt waren, mich auf Touren in Italien, Österreich und Frankreich mitzunehmen. Wo man klettern kann in Leipzig? Na im Kletterturm in Mockau in der Taucher Straße oder im No Limit an der Wettinerbrücke und gerade jetzt im Sommer auf dem K4 in Grünau Mitte, der ist ganz gut für etwas fortgeschrittenere Anfänger geeignet.

Eines Deiner Werke heißt: Little Red Riding Hood – ein Thrillermärchen. Was ist das denn, so ein Thrillermärchen?  Ich mag ja selbstgezimmerte Schubkästchen, aber dies? Dies verstehe nicht mal ich. Erzähl doch mal.

Ach, ich habe so eine längere Shortstory geschrieben, in der ich das Märchen vom Rotkäppchen ins moderne Paris verlegte, also konkret in die Modelszene und weil es eben eine Variation auf Rotkäppchen war, aber genauso auch ein kurzer Thriller, da kam mir spontan die Idee, beide Begriffe zusammenzuwerfen. Ein Reporter von Deutschlandradio Kultur fand das in einem Interview mal ziemlich cool und stellte dieselbe Frage und erwartete, dass ich da eine sehr wohlüberlegte literaturtheoretische – und Germanistikdozenten-kompatible Antwort darauf hätte. Hatte ich damals nicht und heute auch nicht. Spontane Idee. Fand ich seinerzeit gut. Mehr ist da nicht.

Natürlich müssen wir auf Deinen Künstlernamen zu sprechen kommen. Da gibt es ja noch einen Mister Gray, der David heißt. Und Musik macht, statt Fesselspiele. Was verbindet Dich mit ihm? Und wie kam es zu Deinem Namen?

Ich fand seine Songs schon gut und ich weiß auch gar nicht mehr so ganz genau, wie ich auf David Gray als Pseudonym kam, das musste damals aber echt schnell gehen, weil am Computerbildschirm wollte Amazon, dass ich endlich einen Autorennamen für mein erstes Buch bei denen eingebe und am Telefon war zugleich mein Literaturagent, der mir riet nur ja nicht meinen eigenen Namen da anzugeben, sondern mir ein möglichst poppiges Pseudonym zuzulegen, unter dem ich, im Fall, dass das Buch keiner kauft, nie und nimmer wieder gefunden werden könnte, falls ich später doch noch mal den ganz großen Bestseller landen sollte.

Das kam dann ein bisschen anders, weil der Bestseller wurde das selbstpublizierte Buch und der Name David Gray blieb an mir kleben, auch für die Verlagstitel. Geht aber schlimmer, denke ich.

Jetzt reicht’s aber fürs Erste. Danke, David, und demnächst mal wieder gern auf ein Getränk.

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