KommentarNatürlich schreiben wir hier nicht ohne Grund auch über Lärm, über die Vermüllung einer Welt mit lauter Dingen, die vor allem zu Einem gut sind: ruhiges Nachdenken zu unterbinden. Stanislaw Lem hat einst darüber geschrieben, wie man die Entwicklungsphasen von planetaren Gesellschaften auch aus Lichtjahren Entfernung messen kann: an ihrem Lärm.

Wenn sie den Weltraum mit Lärm vermüllen, stehen sie zwar an der Schwelle zum Betreten des Weltraums – aber sie verschwenden ihre Ressourcen und werden es wohl niemals schaffen, über ihren Planetenorbit hinauszukommen.

Und wer genau hinschaut, der sieht, dass es derzeit zwar ziemlich zweifelhafte Versuche gibt, ein paar Lebensmüde zu einer höchst riskanten Mission auf den Mars zu entsenden. Aber dahinter steht kein Programm mehr, kein gebündelter Wille, der Menschheit den Weg in den Kosmos zu bereiten. Die eigentlichen Ressourcen werden auf der Erde verbrannt. Auf einer Erde, die wir gerade dabei sind, in eine Müllhalde und in ein Tollhaus zu verwandeln.

In dem Moment, wo wir die Ressourcen brauchen werden, um aufzubrechen in die unendlichen Weiten, wird es sie einfach nicht mehr geben. Und von einer einigen Weltgemeinschaft, die solche Projekte stemmen könnte, kann auch keine Rede sein.

Im Gegenteil: Seit 25 Jahren haben die Kalten und Heißen Krieger wieder die Oberhand und versuchen mit den völlig untauglichen Methoden des imperialen Zeitalters die drängenden Probleme einer Welt zu lösen, in der sich gerade die Lebensgrundlagen für alle verknappen.

Es ist eigentlich ziemlich offenkundig, dass es ohne kooperative Lösungsmodelle in der internationalen Politik nicht geht.

Nur: Was passiert, wenn die geschaffenen internationalen Gremien zum Spielball der großen Nationen werden, die nur ihre eigenen, egoistischen Interessen durchsetzen wollen und an einer nachhaltigen Lösung für alle gar nicht interessiert sind? Egal, ob es die diversen Klimakongresse betrifft oder die EU, in der nicht nur englische Vertreter meinten, eine gemeinsame Lösung von Problemen sei nicht (mehr) in ihrem Interesse?

Da muss eine Menge passiert sein. Eine Veränderung im Denken der Protagonisten, die so nachhaltig ist, dass die Akteure nicht einmal mehr merken, was sie da zerstören und warum sie das tun. Und: Welche Folgen das haben wird. Als sei das Projekt EU schon am Ende, abgewirtschaftet oder diskreditiert. Obwohl nur die handelnden Akteure diskreditiert sind – aber wer hat den Mumm, sie zu bitten, endlich in Rente zu gehen? Aufzuhören, den Kontinent mit falschen Rezepten und faulen Ausreden zu beglücken?

Denn es ist ziemlich offenkundig, dass es die Hauptakteure der EU und einiger großer Spieler aus diversen interessierten Staaten wie Deutschland waren, die 2007/2008 unfähig waren, echte Lösungen für die Finanzkrise, die damals noch eine reine Bankenkrise war, zu entwickeln? Was verständlicher wird, wenn man sich anschaut, wie sehr diese interessierten Herren allesamt mit den großen Banken des Kontinents verbandelt waren und sind. Man ärgert seine Blutsbrüder ja nicht, wenn man deren Grenzüberschreitungen einfach hinter bunten Nebelbänken versteckt, ein großes Warnschild hinstellt („To big to fail!“) und dann noch ein zweites, damit ja alle die richtige Route nehmen: „Alternativlos.“

Man ist ziemlich schnell bei dem, was Leute wie Maggie Thatcher und alle ihre wirtschaftlich ungebildeten Nachahmer angerichtet haben. Auch und gerade im politischen Denken des Kontinents: „There is no alternative.“ Kurz: t.i.n.a.

Das haben selbst die sozialdemokratischen und linken Wirtschaftsminister gefressen und verinnerlicht.

Natürlich ist das ein Denk-Verbot. Sogar eines, das längst unterschwellig funktioniert. Man denkt über Alternativen zu Austeritäts- und „Rettungs“-Programmen nicht mehr nach. Die Leute, die in Europa für die diversen EZB- und Troika-Programme zuständig sind, sowieso nicht. Andere schon. Aber die müssen, wenn sie sich mit ihrer Haltung vorwagen wie der derzeitige Labour-Vorzitzende Jeremy Corbyn, mit einer massiven Kampagne nicht nur in den Medien, sondern auch dem Kreis der eigenen Genossen rechnen, die sich mit „New Labor“ seit Tony Blair so schön eingerichtet haben.

Was ahnen lässt, wie eng verschwägert die etablierten politischen Eliten mit den Gewinnern des mit „t.i.n.a“ etablierten Denkens sind.

Worüber debattiert Europa dann eigentlich noch?

Eigentlich über nichts. Denn TTIP und CETA, das sind Themen empörter Bürger, die längst das Gefühl haben, dass weder EU-Kommission noch Parlament die Zukunft des Kontinents und der hier versammelten Völker und Nationen im Sinn haben. Wie denn auch? Es gibt ja keine Rückkopplung. Nicht mal den Ansatz, die schwelenden Probleme des Kontinents benennen und diskutieren zu wollen.

Man hat ein bürokratisches System implementiert, das auf die Zeigerausschläge der Zeit nicht mehr reagieren kann. Und auch nicht reagiert. Und wenn dann die einzelnen Staaten sich verweigern, weil es ja sowieso egal ist, steht auf einmal eine einsame Bundeskanzlerin da und muss sich von allen Seiten beschimpfen lassen, obwohl sie mit ihrer „Wir schaffen das“-Haltung eine zentrale europäische Position vertritt.

Nicht die Bundeskanzlerin muss sich in dieser Frage bewegen (in anderen schon), sondern die Herren Bürokraten und Politik-Karrieristen. Denn es steht ja seit 2014 als Aufgabe da: Wie kann Europa in der Flüchtlingskrise seiner Verantwortung gerecht werden.

Die meisten hochbezahlten Herren Gnadenlos haben sich der Frage verweigert. Sie haben ganz öffentlich verkündet, dass sie an gemeinsamen Problemlösungen nicht interessiert sind. Sie haben mit breiter Brust versagt. Und finden das auch noch gut und richtig. Da haben sich einige Völker augenscheinlich einen rechten Versagerverein als Regierung gewählt. Das macht die Sache nicht leichter.

Ändert aber auch nichts an der Aufgabe. Denn wenn die Feiglinge aus der dritten Reihe sich verweigern, müssen die anderen nach Lösungen suchen. Das geht ohne Alternativen nicht. Das geht ohne Diskussionen nicht. Das geht auch ohne Visionen nicht, wohin man kommen möchte mit diesem Europa.

Denn eines steht fest, auch wenn die Vielredner immer so tun, als sei das jetzt gerade nicht dran: In den Lösungen, die für den heutigen Tag gesucht werden, müssen auch immer die Visionen für Morgen stecken. Und in der sogenannten Flüchtlingsfrage steht auch immer die Frage: Will Europa die (welt-)offene Gesellschaft oder will man sich einmauern wie China vor 2.000 Jahren? Kann ja sein, dass das die Lösung wäre und wir sind nur zu blöd, den Sinn darin zu sehen.

Und natürlich kann man auch darüber nachdenken, wie weltoffen Europa sein soll, ob das auch heißen muss: Ressourcen werden geteilt und Starke helfen den Schwachen. Und es gibt endlich einen europäischen Pass für alle EU-Bürger. Fälschungssicher.

Man sieht: Sogar eine so einfache Frage hat Folgerungen. Und zwingt zum alternativen Denken. Ein Denken, das es aber in der EU nicht mehr zu geben scheint. In der EU regiert t.i.n.a.

Es gibt keine Stimme, keine Organisation – kann ja sogar ein gemeinsam finanziertes Institut sein – die europäische Diskussionen organisieren. In allen europäischen Sprachen. Mit Plattformen, auf denen sich – barrierefrei – alle einbringen können und eine qualifizierte Moderation dafür sorgt, dass die wirklich lösungsorientierten Vorschläge auch wirklich diskutiert werden. Stattdessen überlässt man das einem Luftikus wie Mark Zuckerberg und wundert sich, dass nur Bocksgesang dabei herauskommt.

Natürlich wissen wir, dass es auf nationaler Ebene nicht besser aussieht. Medienminister stehen vor Herrn Zuckerberg wie Kaninchen vor der Schlange. Wirtschaftsminister auch. Von den Finanzministern reden wir gar nicht.

Mal so aus Wählerperspektive betrachtet: Das ist organisierte Machtlosigkeit. Es ist logisch, dass sich das auf sehr irrationale Weise Bahn bricht.

Aber es hat immer mit Sachwaltern der Alternativlosigkeit zu tun, die auch keine Wege mehr kennen, Diskussionen zu öffnen und Fehler zu korrigieren (ist ja auch peinlich, wenn man welche zugeben muss). Haben sie ja in ihren Managementkursen nie gelernt. Wäre jedenfalls mal was anderes, als man sonst so von den üblichen Überlebenstrainings für Manager hört.

Nein: Wir fordern  jetzt nicht, die Managementkurse abzuschaffen. Die könnten eher besser werden.

Aber wir fordern für die EU eins: Schmeißt die Manager raus.

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