Am Donnerstag, 11. Juli, verรถffentlichte der Student/-innenRat der Uni Leipzig die Nachricht, er stelle sich auf Streik gegen Schwarz-Blau ein. Ein entsprechender Beschluss wurde am Dienstagabend, 9. Juli, von den Vertreter/-innen der Fachschaften mit groรer Mehrheit im Plenum des StuRa gefasst. Anlass fรผr die Entscheidung sind die zu erwartenden hohen Wahlergebnisse fรผr die AfD bei den kommenden sรคchsischen Landtagswahlen am 1. September 2019 sowie bei den ebenfalls im Herbst stattfindenden Landtagswahlen in Brandenburg und Thรผringen.
Die Studierenden hoffen auf diese Weise, eine Beteiligung der AfD an der nรคchsten sรคchsischen Landesregierung zu verhindern.
โFรผr den Fall, dass im Herbst 2019 Koalitionsverhandlungen unter Beteiligung der AfD aufgenommen werden, wollen wir nicht รผberrascht, sondern vorbereitet sein. Darum beginnen wir schon jetzt, unsere Studierenden auf einen mรถglichen Bildungsstreik vorzubereitenโ, so Carl Bauer, Referent fรผr Hochschulpolitik im StuRa. โAb dem Tag, an dem Koalitionsverhandlungen mit der AfD aufgenommen werden, ist nichts mehr wie zuvor. Gemeinsam mit tausenden Studierenden werden wir den Lehrbetrieb an der Universitรคt zum Erliegen bringen und unseren Protest kreativ auf die Straรe tragenโ, ergรคnzt Lukas Gliem, ebenfalls Referent fรผr Hochschulpolitik.
Zuletzt wurde die Mรถglichkeit gemeinsamer Regierungskoalitionen von CDU und AfD von einer Gruppe CDU-Parlamentarier/-innen aus Sachsen-Anhalt ins Gesprรคch gebracht. Michael Kretschmer, sรคchsischer Ministerprรคsident, hatte sich noch im vergangenen Herbst dahingehend geรคuรert, dass man auch Koalitionsverhandlungen mit der AfD nicht pauschal ausschlieรen kรถnne. Zuletzt hatte er die Zusammenarbeit mit der AfD jedoch mehrfach ausgeschlossen.
โEs ist offensichtlich, dass es in der CDU keine einheitliche Haltung zur AfD gibt. Ein Teil der CDU wรผnscht sich eine klarere Abgrenzung nach Links und damit verbunden ein Zugehen auf die AfD. Ob der Ministerprรคsident nach dem drohenden Wahldebakel im Herbst eine klare Kante gegenรผber der AfD wahren kann, ist fraglich. Darum rufen wir alle Demokrat/-innen dazu auf, fรผr den Fall, dass es im Herbst zu Koalitionsverhandlungen mit der AfD kommt, alles stehen und liegen zu lassen und gemeinsam ihren Protest auf die Straรen zu tragenโ, so Magdalena Kupfer von der Initiative #wirstreiken in Leipzig.
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Sollte man diesen Streik unterstรผtzen? Macht der irgendwie Sinn? Ist denn die AfD nicht eine Partei wie alle anderen?
Ist sie nicht.
Klimawandel leugnen als Programm
Auch wenn so mancher im Parteiprogramm der AfD zur Sachsenwahl, die die Partei gleich mal Regierungsprogramm genannt hat, weil sie unbedingt mitregieren will, lauter scheinbar schรถne Punkte wie Babygeld und Heimatpolitik fรผr die Dรถrfer finden mag (die eigentlich extra analysiert werden mรผssten, so schwammig sind die Vorschlรคge). Aber kaum etwas macht deutlicher, dass die AfD die Partei alter, verbissener Mรคnner ist, die nicht wahrhaben wollen, dass unsere Zukunft gerade verbrannt wird, wie die Teile im Programm, die sich mit Energie- und Klimapolitik beschรคftigen.
Die AfD leugnet nicht nur in den Sรคtzen einzelner Mitglieder den Klimawandel, bei ihr ist das Leugnen Programm.
Zur Forderung, das Erneuerbare Energien Gesetz abzuschaffen, heiรt es im Wahlprogramm der AfD: โTechnisch ist der weitere Ausbau von Erneuerbaren Energien nicht sinnvoll, weil es auf absehbare Zeit keine Speichermรถglichkeiten fรผr die erforderlichen Energiemengen gibt. Die Energiedichte von Solar- und Windkraft ist nicht ausreichend, um den Industriestandort Deutschland stabil mit Elektroenergie zu versorgen. Grundsรคtzlich gibt es durch die Komplexitรคt des CO2-Kreislaufes keinen Nachweis, dass die anthropogenen CO2-Emissionen in ihren Auswirkungen einen relevanten Einfluss auf die Entwicklung der Durchschnittstemperaturen haben. Da auf dieser unbelegten These die gesamte Politik der ,Erneuerbaren Energienโ aufbaut, entfรคllt jede Notwendigkeit, diese anthropogenen CO2-Emissionen รผber die gesetzliche Prรคferierung bestimmter Energieformen wie Wind und Solar zulasten der grundlast- und regelfรคhigen Energieformen Kohle- und Gasverstromung zu reduzieren.โ
Das ignoriert nicht nur sรคmtliche wissenschaftlichen Belege fรผr den Anteil des Menschen an der Klimaerwรคrmung, es ist eine ganz direkte Forderung zur Unterstรผtzung der alten fossilen Konzerne.
Manche Passage klingt dann wie direkt aus den PR-Abteilungen der Energiekonzerne: โDie AfD fordert, die Einspeiseprivilegien fรผr Wind-, Solar- und Bioenergie abzuschaffen. Wir setzen uns weiter fรผr die Nutzung des einheimischen Primรคrenergietrรคgers Braunkohle zur Energiegewinnung als grundlast- und regelfรคhige Energiequelle ein. Deutschland verfรผgt รผber die weltweit saubersten und effizientesten Kohlekraftwerke. โฆโ
Die deutschen Kohlekraftwerke gehรถren zu den grรถรten CO2-Emittenten Europas.
Aber die Passage macht deutlich: Die AfD will den Ausbau alternativer Energien nicht nur bremsen wie die CDU, sie will sie sogar zurรผckdrรคngen und ihre โEinspeiseprivilegienโ abschaffen. Solar- und Windstrom soll also nicht mehr privilegiert in die Netze eingespeist werden.
Kein Wunder, dass jungen Menschen vor dieser Partei graust, die die Zerstรถrung der Lebensgrundlagen der Menschheit einfach weitertreiben will, ungebremst.
AfD will auch am Verbrennungsmotor festhalten
Wobei dieser Punkt auch noch einen Haken hat, denn schon heute hรคngt Deutschland beim Ausbau Erneuerbarer Energien hinterher. Das langjรคhrige Bremsen der CDU zeigt Wirkung. Andere Lรคnder ziehen davon. Und das heiรt eben auch technologisch. Deutschland ist gerade dabei, auch energietechnologisch den Anschluss zu verlieren.
Und auch vom klimaschรคdlichen Verbrennungsmotor will die AfD nicht lassen: โDie AfD wendet sich gegen alle Tendenzen einer ideologisch gefรผhrten Deindustrialisierung Deutschlands und setzt sich fรผr die weitere Nutzung und Entwicklung des Verbrennungsmotors ein, bis eine konkurrenzfรคhige Technologie vorhanden ist. Das Elektroauto ist wegen der geringen Energiedichte der existierenden Akkumulatoren in naher Zukunft abgesehen von Nischeneinsรคtzen im Stadtverkehr als Massenprodukt nicht รถkonomisch und energetisch sinnvoll einsetzbar. Die AfD lรคsst nicht zu, dass klein- und mittelstรคndische Unternehmen durch Fahrverbote von typgeprรผften Fahrzeugen geschรคdigt werden. Deutschlands Industrie ist fรผhrend im Maschinenbau und besonders bei der Technologie von Verbrennungsmotoren. Die Kfz-Industrie ist einer der Schlรผsselzweige der einheimischen Wirtschaft. Das darf nicht durch unsinnige Fahrverbote und unrealistische Grenzwerte zerstรถrt werden.โ
รberflรผssig zu erwรคhnen, dass die AfD auch gegen die Schadstoff-Grenzwerte fรผr die Luft argumentiert und immer noch bezweifelt, dass die Messstellen richtig aufgestellt sind.
Aber besonders beรคngstigend ist, dass die Partei jeder Technologie jenseits der fossilen praktisch die realistische Umsetzbarkeit abspricht. Man redet zwar gern von Innovation und Erfindergeist โ aber tatsรคchlich atmet das Programm eine riesige Angst vor allen technologischen Verรคnderungen. Es ist diese Angst, die den Zweifel an einer neuen Technologiegeneration jenseits der fossilen Verbrennung befeuert und fatal an die Liebe zum Pferd als Transportmittel im 19. Jahrhundert erinnert.
Mit diesem Programm (wovon die meisten Punkte gar nicht auf Landesebene umsetzbar sind) wรผrde die AfD, sollte sie denn mit der CDU regieren, Sachsen komplett aus allen modernen Technologieentwicklungen ausklinken. Was gerade fรผr all jene Menschen fatal wรคre, die in den lรคndlichen Regionen nur zu bereit sind, die AfD zu wรคhlen. Denn all die favorisierten Technologien der AfD โ auch die Verbrennungsmotoren โ werden in naher Zukunft verschwinden. Mehrere Lรคnder haben lรคngst ein Ende des Verkaufs von Kfz mit Verbrennungsmotor schon um das Jahr 2025 beschlossen. Das heiรt: Der Markt fรผr schicke deutsche Autos mit Verbrennungsmotor wird verschwinden. Jeder Autobauer ist gut beraten, sein Modellangebot grรผndlich umzustellen.
Und sollte Sachsen an den Kohlekraftwerken festhalten, wird das Erwachen genauso heftig. Denn andere Lรคnder werden sich die Chance nicht nehmen lassen, die nรถtigen neuen Speichertechnologien auszubauen โ die sind technologisch nรคmlich lรคngst machbar. Und ein Land, das bei diesen Technologien nicht ganz vorne mit dabei ist, gerรคt wirtschaftlich erst recht ins Hintertreffen.
Vom Klima her betrachtet ist die Wahl der AfD โ eindeutig an ihrem Programm ablesbar โ eine Katastrophe. Und fรผr die nรถtige Wettbewerbsfรคhigkeit sรคchsischer Unternehmen auch.
Klimawandel kommt bei CDU und FDP nur unter ferner liefen
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