Nur wenige Tage nachdem die deutsche Justiz den Todesfall Oury Jalloh zu den Akten gelegt hat, stärkt ein neues Gutachten offenbar den Verdacht, dass Polizist/-innen den Mann am 7. Januar 2005 in einer Gewahrsamzelle in Dessau getötet haben. Demnach wurde Jalloh vor seinem Tod angeblich schwer misshandelt. Bereits vor zwei Jahren hatte die Staatsanwaltschaft Dessau spekuliert, dass Jalloh möglicherweise sterben musste, um zugefügte Verletzungen zu vertuschen.

Der am 7. Januar 2005 in Polizeigewahrsam gestorbene Oury Jalloh ist kurz vor seinem Tod offenbar schwer misshandelt worden. Das soll aus einem forensischen Gutachten hervorgehen, das die „Initiative in Gedenken an Oury Jalloh“ am Montag, den 28. Oktober, auf einer Pressekonferenz in Berlin vorgestellt hat und das die taz nach eigenen Angaben einsehen konnte.

„Dabei wurden ihm unter anderem Schädeldach, Nasenbein, Nasenscheidewand und eine Rippe gebrochen“, schreibt die taz. Diese Verletzungen müssen laut Gutachten zwischen der Ankunft in der Dessauer Gewahrsamzelle und dem Tod einige Stunden später entstanden sein, heißt es weiter.

Oury Jalloh war laut Obduktion an einem Hitzeschock gestorben. Nach Polizeiangaben hatte der gefesselte und stark alkoholisierte Mann aus Sierra Leone seine Matratze selbst angezündet. An dieser Version gab es von Beginn an Zweifel. So tauchte beispielsweise im Laufe der Untersuchungen ein Feuerzeug auf, das zunächst nicht in der Asservatenliste verzeichnet war. Zudem sagten Polizist/-innen falsch vor Gericht aus oder zogen Äußerungen zurück.

Gutachten bestätigt Spekulationen der Staatsanwaltschaft Dessau

Im November 2017 wurde bekannt, dass die Staatsanwaltschaft Dessau mittlerweile von einer Tötung ausgeht. Laut mehreren Gutachten sei eine Fremdeinwirkung wahrscheinlicher als eine Selbstanzündung, soll es in einem Aktenvermerk heißen, über den einige Medien berichteten. Möglicherweise sollten durch den Mord zuvor verursachte Verletzungen vertuscht werden, hieß es. Das neue Gutachten bestärkt diese Vermutungen.

Nachdem die Staatsanwaltschaft Dessau ihre Einschätzung zu dem Todesfall geändert hatte, musste sie das Verfahren an die Staatsanwaltschaft Halle abgeben, die dieses kurz darauf einstellte. Zuletzt scheiterte auch ein sogenanntes Klageerzwingungsverfahren. Die juristische Aufarbeitung des Todesfalls gilt als abgeschlossen.

In Kürze sollen jedoch zwei vom Landtag in Sachsen-Anhalt beauftragte „parlamentarische Berater“ ihre Untersuchungen beginnen. Zudem hat sich bereits im Januar 2018 eine „Internationale Untersuchungskommission“ gegründet. Mit dem heute präsentierten Gutachten hat sie ein weiteres Mal dafür gesorgt, dass es auf Druck zivilgesellschaftlicher Kräfte vielleicht doch noch Aufklärung in dem Fall geben kann.

Die deutsche Justiz legt den Todesfall Oury Jalloh zu den Akten

Die deutsche Justiz legt den Todesfall Oury Jalloh zu den Akten

Empfohlen auf LZ

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

René Loch über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar