Heute vor genau 18 Jahren kam Oury Jalloh durch einen Brand im Dessauer Polizeigewahrsam ums Leben. Die Todesumstände des Asylbewerbers aus Sierra Leone am 7. Januar 2005, die bis heute als ungeklärt gelten, brachten am Samstag etwa 1.500 Menschen in Dessau auf die Straße. Sie forderten vor allem Aufklärung ein, da die offizielle Version, wonach Jalloh sich in der Zelle selbst angezündet haben soll, nach ihrer Ansicht nicht haltbar ist.

Nach Angaben des Organisatorenteams waren es etwa 1.500, nach Aussage der Polizei 1.600 Teilnehmerinnen und Teilnehmer, die am Samstag beim Protestzug durch die Innenstadt von Dessau an den Tod des Afrikaners vor 18 Jahren erinnerten.

Die Demonstration stand erneut unter dem Motto „Oury Jalloh – das war Mord!“ Der Aufzug durch die Innenstadt verlief weitgehend friedlich, jedoch kam es laut unserem Reporter vor Ort zum Bewurf des Dienstsitzes der Staatsanwaltschaft mit Feuerzeugen. Zudem wurde von Demonstranten ein Rauchtopf entzündet. Die Polizei war auch mit auswärtigen Kräften stark präsent, hielt sich jedoch zurück. Am Dessauer Polizeirevier legte der „Verein Multikulturelles Dessau“ Blumen und Kränze zur Erinnerung an Oury Jalloh ab.

Eines der Transparente erinnerte neben Oury Jalloh auch an die Fälle von Hans-Jürgen Rose (1997) und Mario Bichtemann (2002), die ebenfalls im Dessauer Polizeigewahrsam bzw. kurz nach der Entlassung von dort verstorben waren.

Wurde Oury Jalloh 2005 von Polizeibeamten ermordet?

Der Fall Oury Jalloh sorgt seit vielen Jahren für Zündstoff und Diskussionen. Fest steht, dass der in Deutschland zuletzt geduldet lebende Mann unter dem Vorwurf, er habe Frauen belästigt und sich der Polizei widersetzt – dies wird jedoch von anderer Seite zurückgewiesen – am 7. Januar 2005 festgenommen und in den Polizeigewahrsam verbracht worden war. Hier kam er kurz darauf bei einem Zellenbrand ums Leben. Nach offizieller Darstellung soll er sich, gefesselt auf einer Matratze liegend, selbst angezündet haben.

Ein Befund, der wegen zahlreicher Widersprüche und Ungereimtheiten von Angehörigen, Freunden und Aktivisten angezweifelt wird. Zwar wurde ein Polizeibeamter wegen fahrlässiger Tötung durch Unterlassen im Dezember 2012 zu 10.800 Euro Geldstrafe verurteilt, dies wurde auch rechtskräftig. Aber Ermittlungen hinsichtlich der Frage, ob Dritte beim Ausbruch des Feuers beteiligt waren, hatte die Hallenser Staatsanwaltschaft im Oktober 2017 eingestellt. Alle Versuche, gegen den Beschluss rechtlich vorzugehen, blieben bisher erfolglos. Dabei stand immer wieder der Vorwurf des Beschweigens und der Vertuschung im Raum.

Während zwei von Sachsen-Anhalts Landtag eingesetzte Juristen im Sommer 2020 keine Ansätze sahen, um wegen Mordes zu ermitteln – gleichwohl aber Behördenversagen und Rassismus feststellten – kam zuletzt das Gutachten eines britischen Brandexperten im November 2021 zu dem Schluss, der vorher offenbar misshandelte Oury Jalloh sei durch Polizeibeamte angezündet worden. Die Untersuchung war durch die private Initiative „Initiative in Gedenken an Oury Jalloh“ in Auftrag gegeben worden.

Neue Ermittlungen? Hoffnung auf Bundesverfassungsgericht und Europäischen Gerichtshof

Der Bruder Oury Jallohs, der extra aus Guinea angereist war, dankte am Samstag ausdrücklich den zahlreichen Unterstützerinnen und Unterstützern: Dies gebe der Familie des Opfers die Kraft, den juristischen Kampf fortzusetzen.

Zuletzt hatte das Oberlandesgericht Naumburg im Oktober 2019 eine Wiederaufnahme von Ermittlungen im Fall Oury Jalloh abgelehnt. Dagegen ist noch immer eine Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht (BVG) anhängig – ein Beschluss steht bislang aus. Die lange Verfahrensdauer ist ebenfalls Gegenstand der Kritik, da das Gros an Eingängen beim BVG innerhalb von zwei Jahren beschieden werde, nur etwa zwei Prozent dauerten länger als drei Jahre. Diese Merkwürdigkeit kritisierte kürzlich auch Mouctar Bah, ein Freund des Getöteten, im RBB-Radio.

Sollten auch die Karlsruher Richter neue Ermittlungen ablehnen, wurde bereits die Anrufung des Europäischen Gerichtshofs angekündigt. Dies ist aber erst nach Ausschöpfung der deutschen Instanzen möglich. Auch nach 18 Jahren, soviel steht fest, ist das letzte Wort also längst nicht gesprochen.

Empfohlen auf LZ

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar