Im vergangenen Jahr war der 13.12. noch eine Überraschung, die sich im Leipziger Osten entlang der Eisenbahnstraße als spontane Randale abspielte. Erstmals in Leipzig hatten zirka 100 Beteiligte das Datum in die Buchstabenreihenfolge des Alphabetes umgewandelt und ihrem Ärger über die Polizei Luft gemacht. Bis sie kam; dann waren alle verschwunden. 2022 gab es eine Vorankündigung, einen Treffpunkt für 19 Uhr und eine Demoroute nach Leipzig-Connewitz zum heutigen „A.C.A.B.“-Abend.

Was vom vergangenen Jahr blieb, war die Erkenntnis, dass auch manche linksradikalen Kreise vor Moscheen nicht haltmachen, wenn diese zur vom türkischen Staat kontrollierten DITIB-Gemeinde gehören. Scheiben gingen zu Bruch, wenige Tage später lag dann trotz einer klaren Distanzierung von der Aktion seitens der Landtagsabgeordneten Juliane Nagel (Die Linke) ein Schafskopf vor den Türen ihres Abgeordnetenbüros im Leipziger Süden.

Da war also etwas aus dem Ruder gelaufen, übrig blieben Ermittlungen der Polizei, die ins Leere führten.

Heute soll dies nun alles etwas weniger überraschend und wenn man so will „ziviler“ zugehen. Ab 19 Uhr wollen sich die ersten auf dem Johannisplatz sammeln, von dem aus es heute über den südlichen Innenstadtring Richtung Leipzig Connewitz gehen soll.

Wie groß die Beteiligung letztlich sein wird, ist noch schwer abzuschätzen, doch die Mobilisierung war entsprechend breiter als noch im Vorjahr. Und so falsch der pauschale Vorwurf „all cops are bastards“ allen Polizeibeamten gegenüber ist, so oft gab es im zurückliegenden Jahr durchaus wieder Anlässe, so manchen Staatsbediensteten in Uniform deutlich infrage zu stellen.

Nicht zuletzt die Erschießung von Mouhamed D. am 8. August 2022 in Dortmund lässt bis heute angesichts der bislang geklärten Fakten sprachlos auf den Umgang mancher Polizeibeamten mit ihrem Gewaltmonopol werden. Kurz nach der Tötung des 16-jährigen Senegalesen folgte auch eine Reaktion mittels „Solifoto“ aus Leipzig mit eindeutiger Gewalt-Botschaft.

Radikal und militant. Am 11. August 2022 entrollen Leipziger/-innen am Conne Island Solibanner wegen des Todes in Dortmund aus. Foto: Gregor Wünsch
Radikal und militant. Am 11. August 2022 entrollen Leipziger/-innen am Conne Island Solibanner wegen des Todes in Dortmund aus. Foto: Gregor Wünsch

Gleich mehrfach trendete auch bei anderen Fällen 2022 der Hastag #Polizeigewalt auf Twitter, immer wieder ging und geht es auch um Kontakte von Polizisten in die rechtsextreme Szene. Besonders aber fiel wohl in Leipzig selbst die Frage auf, was letztlich viele junge Gegenprotestler und Antifaschist/-innen vom allgemeinen Umgang der Beamten mit ihnen bei unzähligen „Querdenker“-Demos halten.

Denn auch der 26. September 2022 liegt noch nicht weit entfernt. Da hatten offensichtlich Polizeibeamte die Opfer eines Überfalles aus der rechten Melange der Montagsdemonstrierer heraus ganz intuitiv für die Täter gehalten und jugendliche Antifaschist/-innen drangsaliert.

Auch dies könnte sich am heutigen Abend niederschlagen, welchen wir ab hier live berichten werden.

19:30 Uhr: Wie eine normale Versammlung

Der Unterschied am Beginn der Demo könnte kaum größer zum letzten Jahr sein. Während die ersten Redenbeiträge laufen, sammeln sich bislang rund 200 Teilnehmer/-innen auf dem Johannisplatz bei Temperaturen um die aktuell 8 Grad unter Null.

Die Polizei hat ordentlich Kräfte aufgefahren – immerhin geht es ja heute um sie selbst und Kritik an der eigenen Arbeit. Ob aus Interesse oder Befürchtungen der Unfriedlichkeit der Demo lassen wir mal offen.

Gestartet ist die Versammlung jedenfalls mit einem Redebeitrag einer Initiative namens „Eltern gegen Polizeigewalt“. Dabei warf der Redner den Beamten im Angesicht des Versammlungsgeschehens der vergangenen Monate vor, sich nicht als genuin antifaschistisch gemäß des Grundgesetzes zu verstehen und sich allzuoft „hinter dem Neutralitätsgebot zu verstecken“.

Vielmehr ginge es statt einer verfassungsgemäßen Haltung eher so weit, dass mittels des Begriffes „Antifa“ ein Feindbild konstruiert würde, „dem die Polizei mit allen Mitteln begegnen muss“.

19:55 Uhr: Demoaufruf und Start

Bei der anschließenden Verlesung des Demoaufrufes folgt eine Aufzählung rechtsextremer und weiterer Vorfälle innerhalb der Polizei. Dazu gehören unter anderem persönliche Kontakte, welche einst mit Fernando V. ein Beamter zu Alexander Kurth pflegte, bei nicht genehmigten Trainings verschossene Munition beim Sondereinsatzeinheiten in Sachsen oder die Durchstechereien aus Ermittlungsakten bei Lina E. oder Henry A. im Jahr 2021 an die rechtsextreme bis konservative Presse.

Die Frage wird gestellt, ob es sich nun noch wirklich um eine Auflistung von Einzelfällen oder nicht doch um strukturelle Probleme handelt. Systemische Veränderungen aus der Polizei heraus hält man für unmöglich.

Die Demo hat sich mittlerweile zum Losgehen aufgestellt.

20:15 Uhr: Pyrotechnik und ein kurzer Stop

Kurz nach dem Loslaufen ist der erste Halt angesagt. Nachdem erster Rauch aus dem Demozug aufsteigt, halten die Polizisten den Zug an, da es sich beim Einsatz von Pyrotechnik um einen Auflagenverstoß handele. Kurz danach geht es an der Pragerstraße jedoch weiter.

20:40 Uhr: Auf dem Ring

Mittlerweile ist die Demonstration auf dem Leipziger Innenstadtring angekommen. Man hört „No nation, No border – fight law and order” und „BRD, Bullenstaat – wir haben dich zum Kotzen satt“. Größere Ereignisse gibt es derzeit keine. Die Polizei weist ab und zu auf die Unzulässigkeit von Vermummungen hin, bis es zu einem ersten Stopp, dann einen weiteren deshalb kommt. Aktuell steht die Demonstration das dritte Mal auf dem Ring.

Eine Durchsage der Polizei fordert nun die Teilnehmer/-innen auf, die Vermummungen abzulegen und sich von einigen mitgebrachten Regenschirmen als optischen Schutz zu trennen.

21 Uhr: Weiter geht es Richtung Süden

„Von Leipzig bis nach Rojava, Widerstand heißt Antifa“ und „deutsche Panzer raus aus Kurdistan“-Rufe sind auf Höhe des dritten Stopps am Wilhelm-Leuschner-Platz zu hören. Danach geht es nun weiter. Dann erklingt der Klassiker: „Hass, Hass, Hass wie noch nie …“ auf dem Weg Richtung Leipzig Süd. Vereinzelt sind Böller zu sehen und zu hören.

Nach dem Polizeipräsidium erneut ein Stopp, dieses Mal wegen der Böller und erneut wegen Vermummungen. Kurz danach sind vermehrt „Wo, wo wart Ihr in Hanau“ und „Oury Jalloh, das war Mord“ zu hören, während es nun die Karl-Liebknecht-Straße geradeaus Richtung Süden geht. Die Teilnehmendenzahl dürfte bei rund 250 liegen.

22 Uhr: Eine weitere Stunde ohne Zwischenfälle

Die Demonstration ist vorbei und es blieb, wie es gestartet war: friedlich. Im Grunde nicht so ungewöhnlich, dennoch ist es wohl vor allem am 13. Dezember 2022 und der explizit gegen die Polizei gerichteten Parolen und Banner wichtig zu betonen, dass sich heute beide zurückgehalten haben.

Eine einsame Tonne am Wegesrand. Foto: LZ
Eine einsame Tonne am Wegesrand. Foto: LZ

Einige stehen noch nach der Demobeendigung am Connewitzer Kreuz herum, erste Beamte sind abgerückt, die Szenerie hat sich deutlich gelichtet. Die einzige Mülltonne, die heute auf dem Weg aus unbekannten Gründen brannte, hatte nichts mit den Demonstrantinnen zu tun.

Noch bevor diese auf Höhe der HTWK vorüberkam, waren Anwohner bereits dabei sie zu löschen.

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