In Sachsen-Anhalt wird es vorerst keinen parlamentarischen Untersuchungsausschuss zum Todesfall Oury Jalloh geben. Das teilte der Landesverband der Linkspartei am Dienstag, dem 17. August, mit. Im Gegensatz zu den Grünen würde sich die SPD „Beratungen für die gemeinsame Einsetzung eines Untersuchungsausschusses verweigern“, heißt es in einer Pressemitteilung. Noch im Juli 2020 hatte die SPD entschieden, einen Untersuchungsausschuss zu beantragen. Doch der kurz darauf veröffentlichte Abschlussbericht zweier Sonderbeauftragter lasse keine „offenen Ermittlungsansätze“ erkennen, so die SPD.

Die Linkspartei in Sachsen-Anhalt wirft der SPD dennoch Wortbruch vor. „Für die Angehörigen und alle, die auf Aufklärung hoffen, ist die Situation schon seit langem unerträglich – sie kämpfen seit Jahren für die Aufklärung“, so Henriette Quade, innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion, und der Landesvorsitzende Stefan Gebhardt in einer gemeinsamen Pressemitteilung. „Dabei dürfen wir sie nicht im Stich lassen.“

Linke und Grüne auf SPD angewiesen

Weiter verweist die Linksfraktion darauf, dass ein Untersuchungsausschuss ohne die Stimmen der SPD nicht möglich sei. Die CDU würde das sowieso seit Jahren blockieren. „Wir wollen aufklären, wie es über so einen langen Zeitraum zu diesem fundamentalen Versagen rechtsstaatlicher Institutionen in Sachsen-Anhalt kommen konnte, und sehen darin auch die Verantwortung des Parlaments.“Kritik kommt auch von den Grünen: „Wir bedauern, dass die SPD ihren eigenen Beschluss noch vor der Amtsübernahme einer neuen Landesregierung, an der sie sich beteiligen will, nicht mehr achtet“, ließ Sebastian Striegel, der rechtspolitische Sprecher seiner Fraktion, mitteilen. Er sieht noch offene Fragen, die im Rahmen eines Untersuchungsausschusses möglicherweise geklärt werden könnten.

Todesumstände ungeklärt

Offen ist vor allem die zentrale Frage, wie genau Oury Jalloh am 7. Januar 2015 in einer Polizeizelle in Dessau ums Leben kam. Laut offizieller Darstellung zündete der gefesselte Mann seine Matratze selbst an und starb an den Folgen des Zellenbrands. Doch zahlreiche Ungereimtheiten und falsche Polizeiaussagen weckten Zweifel an dieser Darstellung.

Die staatlichen Ermittlungen im Fall Oury Jalloh waren im November 2018 endgültig eingestellt worden, obwohl zuvor Gutachten deutliche Hinweise dafür geliefert hatten, dass eine Selbsttötung unwahrscheinlich ist. Auch der Abschlussbericht der Sonderbeauftragten brachte keine neuen Erkenntnisse zutage. Seit drei Jahren arbeitet eine zivilgesellschaftliche Kommission an der Aufarbeitung des Falls – alle anderen Versuche scheinen nun gescheitert.

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