Nachdem es gestern heftige Kritik am ersten Evakuierungsflug der Bundeswehr in Kabul gab, bei dem nur sieben Menschen an Bord genommen wurden, setzte die Bundeswehr den Evakuierungsbetrieb fort und hat nach Angaben des Bundesaußenministeriums bisher rund 500 Menschen aus Afghanistan ausfliegen können. Außerdem wurde gestern am Rande eines CDU-Bürgerforums in Freiberg eine Polizistin verletzt, die Ministerpräsident Kretschmer von teils rechtsextremen Protestierenden abschirmen wollte. Und in Sachsen und Berlin haben Klima-Aktivist/-innen Häuser und Bäume besetzt. Gleichzeitig übt die Linke in Sachsen-Anhalt scharfe Kritik an der SPD, nachdem diese ihre Forderung nach einem Untersuchungsausschuss für den Fall Oury Jalloh zurückgenommen hat. Die LZ fasst zusammen, was am Mittwoch, dem 18. August 2021, in Leipzig, Sachsen und darüber hinaus wichtig war.

Polizistin bei „Freie Sachsen“-Protest verletzt

Zwischenfall nach CDU-Bürgerforum in Freiberg: Gestern Abend war Sachsens Ministerpräsident in Freiberg zu Besuch, um im Rahmen einer Diskussionsrunde mit Bürger/-innen ins Gespräch zu kommen. Die Partei „Freie Sachsen“, die vom Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestuft wird, hatte zu einer Demonstration anlässlich des Kretschmer-Besuchs aufgerufen. Unter anderem in Telegram-Gruppen hatten die „Freien Sachsen“ dazu aufgerufen, „Kretschmer zu zeigen, dass seine Politik auf Widerspruch stößt“.Im Rahmen des Protests wurde eine Polizistin verletzt. Als Kretschmer das Veranstaltungshaus Tivoli gegen 20 Uhr verließ, befanden sich laut Polizei rund 150 „aufgebrachte Bürger“ im Umfeld des Gebäudes und versperrten die Ein- und Ausfahrten. Sie pfiffen und buhten Kretschmer aus und machten sich mit Tröten und Trommeln lautstark bemerkbar. Die Einsatzkräfte versuchten laut Polizei durch Bilden einer Polizeikette, die Protestierenden aus einer der Ausfahrten zurückzudrängen, damit der Ministerpräsident den Ort verlassen kann.

Einige Personen versuchten dennoch, die PKW-Ausfahrt zu blockieren und die Polizeikette zurückzuschieben. Im Gedränge fuhr einer der Regierungswagen einer Polizistin über den Fuß. Auf Videos ist zu sehen, wie zwei Kollegen die 29-Jährige kurz darauf forttragen. Laut Polizei wurde die Frau umgehend in ein Krankenhaus gebracht, welches sie am späten Abend wieder verlassen konnte. Sie ist nach Angaben der Polizeidirektion Chemnitz derzeit nicht dienstfähig.

Michael Kretschmer verurteilte heute die Aggressivität der Demonstrierenden und rief dazu auf, sich gegen gewaltbereite Reichsbürger/-innen und Rechtsextreme zu stellen, die sich unter dem Namen „Freien Sachsen“ organisieren. „Im Internet sind der Hass und die Niedertracht aber auch die Hintermänner sehr gut dokumentiert“, fügte Kretschmer mit Verweis auf einschlägige YouTube- und Telegramkanäle hinzu.

Bundeswehr setzt Evakuierungsflüge aus Kabul fort

Die Bundeswehr setzt ihre Evakuierungsflüge aus der afghanischen Hauptstadt Kabul fort. Laut Bundesaußenministerium haben die deutschen Einsatzkräfte bisher rund 500 Menschen ausgeflogen (Stand: heute 14 Uhr). Darunter befänden sich 202 afghanische und 189 deutsche Staatsbürger/-innen, zudem 59 Personen aus weiteren EU-Ländern und 51 aus anderen Nicht-EU-Staaten.

Für die Evakuierung hat die Bundeswehr eine sogenannte Luftbrücke zwischen Kabul und dem 750 Kilometer entfernten Taschkent in Usbekistan eingerichtet. Militärtransportflugzeuge des Typs A400M fliegen die Strecke von Kabul nach Taschkent und laden die evakuierten Menschen dort ab. Von Taschkent werden die Personen mit gecharterten Lufthansa-Maschinen nach Frankfurt am Main gebracht.

Kurz nach der Landung in Taschkent heute Morgen leiten Bundeswehrsoldaten evakuierte Menschen aus einem A400M. Foto: Bundeswehr

Laut Bundeswehr sind für den heutigen Mittwoch insgesamt vier Evakuierungsflüge zwischen Kabul und Taschkent geplant. Der erste Lufthansa-Airbus ab Taschkent landete heute Morgen mit 131 Insassen in Frankfurt.

Seitdem die radikalislamistische Terrorgruppe der Taliban Kabul eingenommen hat, spielen sich dramatische Szenen am Flughafen Kabul ab. Menschen versuchen verzweifelt, außer Landes zu kommen. Der zivile Flugverkehr ist eingestellt. Die Zu- und Ausfahrten und zivilen Bereiche des Flughafens werden von den Taliban kontrolliert.

Klima-Aktivismus in Sachsen…

Heute fanden mehrere Besetzungen durch Klima-Aktivist/-innen in Deutschland statt. Nahe dem Kiestagebau Würschnitz 1 bei Ottendorf-Okrilla (nördlich von Dresden) haben mehrere Personen ein Waldstück besetzt, wie die Sächsische Zeitung berichtet. Der genannte Tagebau soll in den nächsten Monaten erweitert werden, wofür mehrere Hektar Bäume gefällt werden sollen. Zudem plant das Kieswerk Ottendorf-Okrilla die Erschließung eines neuen Kiestagebaus in der Nähe.

Die Aktivist/-innen kritisieren, dass der Kiesabbau geplant wurde, ohne Folgen auf die Umwelt einzubeziehen. „Die 1998 erworbenen Abbaurechte werden ohne Beachtung heutiger Erkenntnisse von den politisch Verantwortlichen durchgesetzt“, heißt es in der Pressemitteilung des Bündnisses.

Seit Jahren machen die Würschnitzer Bürgerinitiative und Naturschutzverbände auf die gravierenden Umweltfolgen der Kiesförderung aufmerksam, doch an den Vorhaben geändert hat sich bisher nichts. Laut Bürgerinitiative wird durch den Kiesabbau unter anderem der Zufluss zu den Mooren im 84 Hektar großen Naturschutzgebiet gestört, sodass die Moore langfristig austrocknen könnten.

Zudem weist das Grundwasser durch das Zuschütten der Kiesgruben mit Bauschutt und Bodenaushub erhöhte Nitratwerte auf.

…und in Berlin

Eine weitere Besetzung führte die Gruppe Extinction Rebellion heute Morgen in Berlin durch. Mehrere Personen drangen in die Bundesgeschäftsstelle des CDU-Wirtschaftsrates in der Luisenstraße ein. Davor protestierten weitere Personen mit Plakaten, Gesängen und Sitzblockaden. Nach etwa dreißig Minuten holten Polizeikräfte die Besetzer/-innen aus dem Gebäude.

Mit der Besetzung protestiert Extinction Rebellion nach eigenen Angaben gegen die „unverhältnismäßige politische Einflussnahme unternehmerischer Einzelinteressen, die Profitmaximierung über den Erhalt unserer Lebensgrundlagen stellen und so hauptverantwortlich für die Klimaerhitzung und das Zusammenbrechen globaler Ökosysteme sind“. Die Lobbyarbeit von Verbänden wie dem Wirtschaftsrat führe aktuell zur unwiderruflichen Zerstörung der menschlichen Lebensgrundlagen.

SPD Sachsen-Anhalt will doch keinen Untersuchungsausschuss zum Fall Oury Jalloh

Vor mehr als 16 Jahren – am 7. Januar 2005 – verbrannte der aus Sierra-Leone stammende Oury Jalloh in einer Gewahrsamzelle des Polizeireviers Dessau. Die Polizei gab danach an, der gefesselte und stark alkoholisierte Mann habe sich selbst angezündet. Schnell kamen aufgrund von Brandgutachten, Zeug/-innenaussagen und Spuren aus der Brandnacht erhebliche Zweifel an der offiziellen Version der Polizeibehörden auf.

Obwohl die zuständige Staatsanwaltschaft mittlerweile davon ausgeht, dass es sich nicht um einen Selbstmord handelt, sondern Oury Jalloh wahrscheinlich von Beamten der Polizei Dessau getötet wurde, kam es bisher nie zu einer Aufklärung des Falls.

In Sachsen-Anhalt wird deshalb seit Jahren ein Parlamentarischer Untersuchungsausschuss zum Feuertods Oury Jallohs diskutiert. Im vergangenen Sommer sprachen sich Linke, Grüne und SPD für ein entsprechendes Gremium aus. Wie der MDR berichtet, hatte die SPD-Fraktion im Magdeburger Landtag im Juli 2020 beschlossen, sich für einen Untersuchungsausschuss einzusetzen.

Nun die Kehrtwende: Gestern hat der Fraktionsvorstand beschlossen, ebendiesen Beschluss vorläufig nicht zu vollziehen. Laut Juliane Kleemann, SPD-Vorsitzende in Sachsen-Anhalt, gebe es keine offenen Ermittlungsansätze mehr zum Tod von Oury Jalloh.

Die Linkspartei in Sachsen-Anhalt kritisierte den Kurswechsel heute scharf. Henriette Quade, Linken-Landtagsabgeordnete, bezeichnete das Verhalten der SPD als „unredlich“. Die SPD mache ein gegebenes politisches Versprechen zur Verhandlungsmasse im Koalitionspoker.

Niemand hat behauptet, dass ein Parlamentarischer Untersuchungsausschuss den Tod von Oury Jalloh aufklären könnte“, sagte die innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion heute. Gerade wenn juristische Aufklärung scheitere, sei politische Aufarbeitung umso notwendiger.

Sachsen knackt 50-Prozent-Marke bei Zweitimpfungen

Worüber die LZ heute berichtet hat: Die Leipziger Bürgerinitiative „Gegen die neue Flugroute“ kritisiert in einem Protestschreiben an das Gewandhaus eine Werbekooperation zwischen Gewandhaus und dem Frachtlogistik-Konzern DHL.

Außerdem hat sich Ralf Julke im Rahmen des neuen LZ-Radwegetests 2021 die Leipziger Fahrrad-Problemstellen Arthur-Hoffmann-Straße und Georg-Schumann-Straße angeschaut und in seinen Texten jeweils Verkehrsteilnehmer zu Wort kommen lassen.

Bis zur Bundestagswahl sind es noch 39 Tage. Der Stadtjugendring hat nun ein digitales Portal zur Wahl gestartet, auf dem Interessierte umfassende Informationen zur Wahl erhalten und einen Überblick über die Leipziger Direktkandidat/-innen zur Bundestagswahl und deren Themen und Forderungen bekommen.

Zur Bundestagswahl hat die LZ Mitte Juli eine Interview-Serie mit wichtigen Direktkandidat/-innen in den beiden Wahlkreisen Leipzig-Nord und Leipzig-Süd gestartet. Heute ist Teil 2 des Interviews mit SPD-Kandidatin Nadja Sthamer online gegangen. Sie spricht darin über ihre bevorzugte Koalition, Olaf Scholz und den Wahlkampf im Leipziger Süden.

Was heute außerdem wichtig war: In Sachsen sind nun 50 Prozent aller Einwohner/-innen vollständig geimpft. Damit ist der Freistaat das letzte von 16 Bundesländern, das diese Marke geknackt hat.

Was morgen wichtig wird: Morgen jährt sich der sogenannte Augustputsch in Moskau zum 30. Mal. Vom 19. August 1991 an versuchten Anhänger der Kommunistischen Partei der Sowjetunion (KPdSU) drei Tage lang, den Sowjet-Präsidenten Michail Gorbatschow zu stürzen. Der Putsch scheiterte, Gorbatschow führte sein Amt weiter aus und die Sowjetunion zerfiel kurz darauf endgültig.

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