Die Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz am 14. März 2021 haben zu eindeutigen Ergebnissen geführt: Die jeweils stärkste Partei – Bündnis 90 / Die Grünen in Baden-Württemberg, die SPD in Rheinland-Pfalz – hat die Wahlen eindeutig gewonnen und wird den/die Ministerpräsidenten/in stellen. Neben der AfD ist die CDU in beiden Bundesländern die große Wahlverliererin.

Für mich ergeben sich aus dem Wahlergebnis sechs Schlussfolgerungen:

1. Die AfD ist in beiden Bundesländern um ca. ein Drittel geschrumpft – das wichtigste, erfreulichste Ergebnis der Landtagswahlen! Es zeigt zweierlei: Die AfD hat als Protestpartei ausgedient. Sie konnte von der Kritik an und der Unzufriedenheit mit dem Corona-Krisenmanagement der Bundes- und Landesregierungen nicht profitieren.

Und: Wenn sich alle demokratischen Parteien einschließlich CDU und CSU (da in einem mühsamen, in sich widersprüchlichen Prozess) klar gegen die Rechtsnationalisten von der AfD positionieren und jede Form der Zusammenarbeit ablehnen, hat dies direkte Auswirkungen auf das Wahlverhalten derer, die mit dem Gedanken spielen, die AfD zu wählen. Sie bleiben entweder zu Hause oder geben ihre Stimme einer demokratischen Partei.

2. Die gegenüber 2016 deutlich geringere Wahlbeteiligung bei den beiden Landtagswahlen unterstreicht, dass die digitale Kommunikation die analoge nicht ersetzen kann. Zur politischen Auseinandersetzung und Mobilisierung gehören die direkte Begegnung, die öffentliche Debatte, das Gespräch facetoface mit den Bürger/-innen.

3. Durch das Wahlergebnis hat sich auf der Bundesebene eine Machtoption jenseits der CDU/CSU und abseits des für viele „Schreckgespenstes“* „Rot-Rot-Grün“/„Grün-Rot-Rot“ ergeben: die sog. Ampel, eine Koalition von SPD, Bündnis 90/Die Grünen, FDP.

Diese Machtoption ist – unabhängig von der Frage, wer in dieser Konstellation stärkste Kraft wird und den/die Kanzler/in stellt – eine aussichtsreiche Möglichkeit, nach der Bundestagswahl eine Reformregierung zu bilden. Damit kann, wenn die „Ampel“ im Wahlkampf zu einer politischen Option erhoben wird, eine Wechselstimmung erzeugt bzw. dieser Nachdruck verliehen werden.

4. Die Persönlichkeit des/der Spitzenkandidaten/in spielt bei der Wahlentscheidung des Bürgers/der Bürgerin eine entscheidende Rolle. Insofern hat die SPD gut daran getan, sehr frühzeitig Olaf Scholz als Kanzlerkandidaten zu nominieren. Er hat Wahlen gewonnen, ist koalitionserfahren, kann aufgrund eines klaren Wahlprogramms eine Ampel-Koalition verkörpern, ohne sich zu verbiegen, und ist eine integre Persönlichkeit verbunden mit programmatischer Glaubwürdigkeit.

Allerdings muss die SPD auch nüchtern erkennen: Ohne solche Persönlichkeiten an der Spitze hat sie keine Chance, der voranschreitenden Marginalisierung der Sozialdemokratie zu entgehen. Das belegt das ernüchternde Wahlergebnis in Baden-Württemberg.

5. Die Frage, wer Kanzlerkandidat der CDU wird, ist mit dem gestrigen Wahlsonntag aller Voraussicht nach entschieden: Armin Laschet. Das ist für die CDU durchaus tragisch. Denn Laschet hat bei den noch ausstehenden Landtagswahlen in Sachsen-Anhalt, Berlin, Mecklenburg-Vorpommern, Thüringen kaum die Möglichkeit, sich zu profilieren. Vielmehr droht er zum personifizierten Wahlverlierer zu werden.

Es ist sehr unwahrscheinlich, dass sich Markus Söder zur Bundestagswahl an die Spitze einer Verlierer-CDU stellen wird. Doch wenn die CDU ihren Vorsitzenden nicht nominiert und stattdessen einem Kanzlerkandidaten Markus Söder (CSU) den Vorzug geben sollte, dann kommt das einer Selbstdemütigung der CDU gleich.

6. Während die SPD bei den Bundestagswahlen 2009 und 2017 nicht von ihrer Regierungsarbeit in der Koalition mit CDU/CSU profitieren konnte, auch weil Bundeskanzlerin Angela Merkel durch die Sozialdemokratisierung der CDU den SPD-Anteil neutralisierte, werden nun die deutlich zutage getretenen Mängel bei der Bekämpfung der Coronapandemie und die schonungslos offenbar gewordenen krisenhaften Zustände der öffentlichen Verwaltung der CDU angelastet. Das kann zu einer Wechselstimmung führen.

* Die Partei „Die Linke“ ist in beiden Bundesländern sehr klar an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert. In dem Moment, in dem sich auch die FDP auf ein Ampel-Reformbündnis einlässt und die SPD sich stärker als Gerechtigkeitspartei profiliert, verliert „Rot-Rot-Grün“ an Anziehungskraft.

Zum Blog von Christian Wolff: http://wolff-christian.de

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Es gibt 2 Kommentare

ich muss ergänzen: der Artikel “Das Common des Kommunismus: …” zeigt recht gut, warum SPD, Scholz, aber auch die süddeutschen Konstellationen keine Lösung bieten können

Sehr geehrter Herr Wolff,

für mich ergeben sich beim Lesen sehr viele Fragezeichen.
-die SPD als Gerechtigkeitspartei?
-die “Sozialdemokratisierung der CDU” – hier muss ich kommentieren: das ist lediglich die Anpassung an stärker säkularisierte und modernisierte Wählerschichten – ohne Aufgabe des strategischen Gesellschaftsmodells und der Machtverteilung
-ein Olaf Scholz ist etwa so “gerecht” wie ein Winfried Kretschmann “grün” ist
-FDP und Grüne bedienen ein zusammenhängendes akademisches Klientel – die FDP das ältere konservative, die Gründen das “moderne” jüngere
-könnte das schlechte Abschneiden der Linken neben den hausgemachten Gründen auch etwas mit einem hegemonialen antikommunistischen Meinungsbild zu tun haben, welche nicht vom Himmel fiel.? Besonders nicht in Süddeutschland!

Der Abwärtstrend der SPD erklärt sich für mich neben dem Aussterben der trad. SPD-Wähler vor allem mit ihrer Scharnierfunktion. Sie ist wirklich zerrissen von einem irgendwie linken Anspruch und einer zuverlässigen rechten Politik, wenn im Amt – mit Nuancen zu CDU, damit aber umso akzeptierter als Ausputzer. Sie trägt dann auch die Folgen. Unser sächsischer Herr Dulig ist dafür ein gutes Beispiel.

Ich wäre auch nicht so optimistisch mit dem Bedeutungsloswerden der AFD. Der weitergehende Vertrauensverlust – vielfältige Gründe – und die Zuspitzung gesellschaftlicher Notlagen – die Schecks der gegenwärtigen Situation wurden noch nicht präsentiert – werden ihr zuspielen. Selbst kluge und denken Menschen gebrauchen mir gegenüber das Argument, man müsse alle mal Politik machen lassen. In Sachsen haben ja auch mal Menschen, die nicht zum Klientel der FDP gehören, diese gewählt. An deren zweistelligen Ergebnissen leiden wir noch heute.

Mit freundlichen Grüßen
Thomas Marx

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