Am Rande einer Demonstration in Dresden am 20. September 2020 war es zu einer verbalen Auseinandersetzung zwischen Teilnehmenden und einem Polizisten gekommen. Letzterer äußerte dabei unter anderem den Satz: „Schubs mich und du fängst dir ne Kugel.“ Wie aus der Antwort auf eine Kleine Anfrage der Landtagsabgeordneten Kerstin Köditz (Linke) hervorgeht, blieb diese Drohung ohne Konsequenzen. Bereits im Dezember hat die Staatsanwaltschaft Dresden die Ermittlungen gegen den Polizisten eingestellt – ein Disziplinarverfahren wurde deshalb gar nicht erst eingeleitet.

Ausgangspunkt des Geschehens war eine Demonstration für die Aufnahme von Geflüchteten am 20. September des vergangenen Jahres. Am Ende der Veranstaltung hatten etwa zehn bis 15 Teilnehmende mit einem großen Spruchband eine Kreuzung blockiert und Pyrotechnik gezündet. Der Polizist trat dabei an die Personen hinter dem Banner heran und äußerte den Satz, welcher durch ein Video bekannt wurde.Die Staatsanwaltschaft Dresden kam im Dezember 2020 zu dem Ergebnis, dass das Verhalten „gerechtfertigt“ gewesen sei. Eine strafrechtlich relevante Bedrohung gab es nach Einschätzung der Behörde also nicht. Auch eine versuchte Körperverletzung im Amt sei nicht erkennbar, weil der dafür „erforderliche Vorsatz nicht nachgewiesen werden konnte“. Die Polizeidirektion Dresden verzichtete auf ein Disziplinarverfahren gegen den Beamten.

Überraschend ist das Ergebnis nicht. Schon kurz nach dem Vorfall hatte die Staatsanwaltschaft eine „antizipierte Notwehrsituation“ erkannt und deshalb zunächst kein Ermittlungsverfahren eingeleitet. Eine solche Notwehrsituation ist in den vorhandenen Videos aber nicht zu erkennen.

Tatsächlich hatte der Beamte zunächst einen Rauchtopf, der auf die Kreuzung geflogen war, in Richtung der Demonstrierenden getreten. Anschließend ging er allein auf diese zu. Die Stimmung war zu diesem Zeitpunkt leicht aggressiv, eine drohende Gefahr für den Polizisten war aber nicht ersichtlich. Erst nach der Äußerung kochten die Emotionen hoch. Inwiefern die Drohung mit dem härtesten Mittel – einem Pistolenschuss – angemessen sein soll, erscheint unverständlich.

Überraschend ist das Ergebnis auch deshalb nicht, weil Ermittlungen gegen Polizist/-innen meistens mit einer Einstellung enden. Erst vor wenigen Wochen war bekannt geworden, dass bislang kein/-e Polizist/-in im Zusammenhang mit dem G20-Gipfel in Hamburg vor vier Jahren angeklagt wurde. Die meisten Verfahren wurden eingestellt. Journalist/-innen und Aktivist/-innen hatten zahlreiche Fälle teils massiver Polizeigewalt dokumentiert.

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