Am 3. Januar 2022 ging eine Mail an Sachsens Kultusministerium, an den Kultusminister Christian Piwarz selber, mit der Potsdamer Schüler/-innen ihre Bedenken bezüglich des Verbots von geschlechtergerechter Sprache an sächsischen Schulen äußerten. Sie baten um eine Stellungnahme zu ihren aufgeführten Argumenten. Mittlerweile bekamen sie eine Antwort über eine Referentin vom Sächsischen Kultusministerium.

„Haben die überhaupt unsere Kommentare gelesen?“ – diese Frage stellten die Schüler/-innen frustriert sich und mir, nachdem ich am Freitag erneut zu Gast in dem Deutschleistungskurs in Potsdam war. Gemeinsam lasen wir die Antwort zu unserem Anliegen bezüglich der Entscheidung des Sächsischen Kultusministeriums zum Verbot von geschlechtergerechter Sprache mithilfe von Sonderzeichen, die mir eine Referentin des Sächsischen Kultusministeriums, Dr. Susann Meerheim, geschickt hatte.

Kein Interesse am Diskurs

Der Sächsische Kultusminister Christian Piwarz selbst hat bis jetzt noch nichts von sich verlauten lassen, außer auf der Webseite abgeordnetenwatch.de, wo er uns darauf hinwies, dass ihn diese Anfrage nicht in seiner Position als Abgeordneter berühre und er deswegen dazu nicht Stellung nehmen könne. Eine frustrierende Aussage, mit der wir nichts anfangen können.

Frustrierend war aber auch die Antwort von Dr. Meerheim, so reformulierte sie den Brief an die sächsischen Schulleitungen vom 25. August 2021 in ihrer Mail, anstatt auf unser Anliegen einzugehen.

Wie die Schüler/-innen feststellten: „Wir haben ihr zu diesem Schreiben Fragen gestellt und um eine begründete Stellungnahme gebeten und sie antwortet uns… mit exakt diesem Schreiben?!“.

Leider scheint es wirklich so, als gäbe es vonseiten des Kultusministeriums kein Interesse daran, sich auf einen Diskurs mit den jungen Menschen einzulassen. Nur so kann ich mir erklären, dass die Schüler/-innen keine Antwort auf ihre geäußerten Bedenken erhalten, dass die Entscheidung des Kultusministeriums ein Eingriff in einen gerade stattfindenden Prozess der Sprachentwicklung sei.

Oder dass ein Verbot von Sonderzeichen nicht haltbar sei, solange das Sächsische Kultusministerium keine adäquate Alternative für die Versprachlichung des dritten Geschlechts, das seit 2018 öffentlich-rechtlich anerkannt ist, bieten. Darauf, dass ihnen diese Entscheidung Sorgen bereite, da sie einen Konflikt mit den Allgemeinen Persönlichkeitsrechten sähen, wenn Menschen nicht frei ihre Geschlechtszugehörigkeit versprachlichen dürften.

Widerspruch in der Reaktion

Weiter entdeckten die Schüler/-innen sogar einen Widerspruch in der Reaktion von der Referentin: So beginnt sie damit, dass es darum ginge, alle Geschlechter auf respektvolle Art und Weise anzusprechen und sichtbar zu machen. Ihr erster Vorschlag für diese Umsetzung ist aber, dass man ja die Paarform nutzen könne, also das weibliche und männliche Geschlecht für Personenbezeichnung nutzen solle.

Die Schüler/-innen bekommen von ihr aber keinen Vorschlag für die sprachlich respektvolle Anrede von Menschen der Kategorie divers. Die Schüler/-innen waren sich im Unterrichtsgespräch einig, dass, solange diese Anrede nicht gemeingesellschaftlich gefunden worden ist, es eine voreilige, überzogene Entscheidung der sächsischen Regierung ist, junge Menschen darin zu beschneiden, mit welchen sprachlichen Mitteln sie ihre Geschlechtszugehörigkeit äußern.

Besonders in Anbetracht der Realität, in der viele öffentlich-rechtliche Medien, Privatpersonen oder Webseiten schon längst Sonderzeichen wie den Asterix, die Doppelpunkte, das Binnen-I oder den Unterstrich nutzten, um auf Menschen mit Achtung der Geschlechtervielfalt zu referieren.

Weitere Schritte sind geplant

Der Kurs formulierte mit mir und dem Kursleiter gemeinsam eine Antwort auf die Referentin des Sächsischen Kultusministers, in der wir nochmal unsere konkreten Fragen herausgehoben haben und um eine detaillierte, genaue Stellungnahme bitten. Wir sendeten diese als Mail zurück an die Absenderin und sind gespannt, wie der Dialog weitergeht.

Damit das Anliegen der Schüler/-innen auch weiter wirklich Gehör findet, haben wir uns als nächsten Schritt überlegt, diesen Dialog breiter zu öffnen und uns an das Sächsische Staatsministerium der Justiz und für Demokratie, Europa und Gleichstellung zu wenden.

Wir werden uns in einer Nachricht an die Landesbeauftragte für LSBTTIQ*, an Frau Dr. Blumtritt richten, um sie zu fragen, wie sie den von uns beschriebenen Konflikt zwischen der Wahrung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts und der Entscheidung zum Verbot von geschlechtergerechter Sprache mittels Sonderzeichen bewertet.

Außerdem sind wir daran interessiert zu erfahren, inwieweit dieses Verbot mit den Zielen des sächsischen „Landesaktionsplan Vielfalt” einhergeht. Als vorerst letzten Schritt wollen wir uns zudem mit dem neuen und ersten Queer-Beauftragten der Bundesregierung, Sven Lehmann, in Verbindung setzen.

Der Deutschleistungskurs war sich einig, sich nicht so leicht abkanzeln zu lassen und auf sein Recht eines öffentlichen Diskurses mit den Entscheidungsträger/-innen beharren zu wollen. Hoffen wir, dass sie in ihrem gesellschaftlichen Engagement nicht enttäuscht werden.

Hinweis der Redaktion in eigener Sache

Seit der „Coronakrise“ haben wir unser Archiv für alle Leser geöffnet. Es gibt also seither auch für Nichtabonnenten alle Artikel der letzten Jahre auf L-IZ.de zu entdecken. Über die tagesaktuellen Berichte hinaus ganz ohne Paywall.

Unterstützen Sie lokalen/regionalen Journalismus und so unsere tägliche Arbeit vor Ort in Leipzig. Mit dem Abschluss eines Freikäufer-Abonnements (zur Abonnentenseite) sichern Sie den täglichen, frei verfügbaren Zugang zu wichtigen Informationen in Leipzig und unsere Arbeit für Sie.

Vielen Dank dafür.

Empfohlen auf LZ

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Keine Kommentare bisher

Kinder aus Potsdam werden also angeleitet und motiviert weiterhin im Bundesland Sachsen die Behörden zu beschäftigen.

Es ist leider wieder ein Beispiel dafür, wie Politik sich genau überlegen muss, welche Begehrlichkeiten man mit vermeintlich “harmlosen” oder “nicht wirklich einschränkenden” Beschlüssen weckt. Erst beantragt man den formell erst mal sehr gut klingenden “Klimanotstand” auf kommunaler Ebene, und am Ende werden die Gremien gelöchert, warum denn das Müllfahrzeug noch nicht elektrisch fährt und wie hoch der elektrisch gefahrende Anteil des Hybrid-Dienstfahrzeuges doch bitteschön ist. Schließlich ist ja Notstand. Also jedenfalls bis zur Grenze vor Taucha.

Und hier hat man sich entschlossen dem Zeitgeist zu folgen, und einer absoluten Kleinstmenge an Leute die völlig ungefährliche Eintragung ihres so genannten dritten Geschlechts zu ermöglichen. Tut eigentlich niemandem weh, sollen sie doch bitte leben wie es ihnen passt und das auch im Ausweis so bei sich führen. Es waren, wenn ich nicht falsch informiert bin, nicht mal 1.000 Menschen, die sich diese Variante haben eintragen lassen. Jeder Interessierte kann sich die Prozentzahl selbst ausrechnen, die sich bei 83.000.000 Einwohnern ergibt, kleine Kinder mal nicht extra separiert. Es geht um die Größenordnung.

Nun wird sich hier in der angeleiteten “Frustbefreiung” beschwert, dass dieses dritte Geschlecht ja schließlich vom Gesetzgeber anerkannt wurde (!) und nun eben nicht ohne Sonderzeichen “versprachlicht” werden könne. Hätte man dem Zeitgeist einfach mal nicht nachgegeben…

Allein schon die Anzahl der Buchstaben in der Stellenbezeichnung der nächsten Beauftragten, die jetzt mit dem Thema behelligt wird (es sind sieben Stück), merkt man schon wie sehr ins Detail die Suche nach weiteren kleineren Gruppen der Gesellschaft gehen kann. Und da sind die Asexuellen meines Wissens noch gar nicht mit dabei. Dieser Weg ist schon deshalb falsch, weil er die Betonung auf die Unterschiedlichkeit legt, auf die Diskriminierung und all die Opfermythen, die uns manche Leute einreden wollen. Es ist nicht so, dass sich jede erdenkliche, noch nicht gefundene (Rand-)Gruppe durch das Sternchen oder den Doppelpunkt vertreten sieht. In ein paar Jahren reden wir wieder über etwas ganz anderes, weil uns dann eingeredet wird, dass wir all die Jahre böse, negativ und diskriminierend über “??” geredet haben. Und das war so furchtbar noninklusiv, dass es jetzt geändert gehört.

Liebe Regierung. Lasst euch davon nicht einschüchtern oder bedrängen. Die meisten Menschen möchten keine Sonderzeichen in den Wörtern. Und genauso wenig wie die Menschen, die sich nicht im System der zwei Geschlechter wiederfinden, in ihrem Leben geärgert, diskriminiert oder behindert werden sollen, genauso wenig muss man sie mit – gemessen an ihrer Anzahl – besonderen Samthandschuhen anfassen, oder umgedreht der mehreren Zehnerpotenzen größeren Mehrheit zumuten, sich ihretwegen in der erlernten und genügend komplizierten Sprachgewohnheit zu ändern.

Liebe Leute, die ihr auch gegen Gendern seid. Macht den Mund auf und fragt eure Kollegen, eure Medienschaffenden, eure öffentlichen Stellen und die, die euch vorgaukeln wollen, wie man heute zu reden hätte, was das bitteschön soll. Gebt denen, die öffentliche Wirkung und damit Gewohnheit und Kultur etablieren auch mal etwas Rückmeldung von der anderen Seite.

Und noch ein Wort zum in der Vergangenheit gern verbreiteten “es bleibt ja für alle freiwillig – wer es möchte macht es, wer nicht, der gendert eben nicht.”:
Es war von vornherein absehbar, dass hier ein Quasistandard geschaffen werden soll, an den sich letztendlich alle halten müssen.
Natürlich ist da kein Zwang vorhanden, wenn mein Personalverantwortlicher sagt, es wird ihm vorgeschrieben, dass er Gendern soll. Es besteht auch kein Zwang darin, dass ein Freund nur diejenigen Ausschreibungen vom Amt gefördert bekommt, die ohne generisches Maskulinum, “gern” auch mit “geschlechterdiversen Formulierungen” auskommen. Null Druck wird ausgeübt, wenn man sich an immer mehr staatliche Stellen wendet, dazu die moralische Wirkung einer Oberstufenklasse benutzt, um seinen Willen zum Gendern zu etablieren. Und natürlich ist da auch kein diffuser Druck zu sehen, wenn ein Freund von mir eine interne (!) Stellenausschreibung, die sich an eine Gruppe von ausschließlich 11 Männern richtet, die im Kanalbau arbeiten, mit den Geschlechtern “m/w/d” ausschreiben und im Fließtext die bekannten Genderzeichen benutzen soll.
Sagte jedenfalls die lokale Personalstelle seiner Konzernniederlassung. Auf Nachfrage berief sie sich auf Vorgaben der Regionalleitung. Die wiederum auf Nachfrage sagte, sie würden die Vorgaben der Deutschlandvertretung des europäischen Konzerns umsetzen, um die es hier geht. Aus Spaß hat besagter Freund in der französischen Zentrale nachgefragt, und die Antwort bekommen, dass keine Vorgaben gemacht wurden.

Ich finde, man sollte sich in dieser Sache mal wieder aufs Wesentliche besinnen. Dieser vorauseilende Gehorsam, besonders divers sein zu wollen, vermeintlich modern, im Zeitgeist liegend, der ist Quatsch. Wenn sich der Toom Baumarkt in Plagwitz eine große Regenbogenfahne vor den Parkplatz hängt um eine positive Botschaft zu verbreiten und mehr Kunden zu werben, dann kann er das genauso tun wie die Supermärkte und Banken, die ihre Regenbogenaufkleber im Eingangsbereich platzieren. Alles ok, es ist eben Werbung, aber ich habe auf die Sprachveränderungen keinen Bock mehr, und ich möchte es auch nicht hinnehmen, dass nun langsam wirklich so getan werden soll, als wäre Gendern der einzige Weg zur Gerechtigkeit der Geschlechter.
Und die Konzentration, die Suche nach den kleinsten Artefakten unserer Gesellschaft das sinnbringende Wahrheitsserum unserer Ethik.

> Der Deutschleistungskurs war sich einig, sich nicht so leicht abkanzeln zu lassen und auf sein Recht eines öffentlichen Diskurses mit den Entscheidungsträger/-innen beharren zu wollen. Hoffen wir, dass sie in ihrem gesellschaftlichen Engagement nicht enttäuscht werden.

Hoffen wir, dass der Diskurs tatsächlich stattfindet (und kein Diktat der vermeintlich besseren Moral wird) und die Regierung standhaft bleibt. Und dem Willen der Mehrheit eine Stimme gibt.

https://www.infratest-dimap.de/umfragen-analysen/bundesweit/umfragen/aktuell/weiter-vorbehalte-gegen-gendergerechte-sprache/

Schreiben Sie einen Kommentar