Im Rahmen der „Autonomen Besetzertage“ wurde am Mittwoch ein leerstehendes Wohngebäude in der Einertstraße 3 für besetzt erklärt. Die Gruppierung „Leipzig besetzen“ wollte so auf die fortschreitende Gentrifizierung aufmerksam machen. Sie fordern Freiräume für alternative Lebensentwürfe sowie bezahlbaren Wohnraum. Polizei rückte an und räumte das Gebäude.

Am Nachmittag um 16 Uhr ging die Nachricht an die Öffentlichkeit: Das „Eineck“, ein Eckhaus an Einert- und Ludwigstraße, ist besetzt! „Statt genutzt zu werden, sollen leerstehende Häuser lieber weiter verfallen“, prangern die Besetzer in ihrem Statement an.

„Doch wir lassen uns davon nicht einschüchtern und Aufgeben war sowieso noch nie eine Option. Wenn ihr uns räumt, kommen wir wieder! Denn wir haben keine Wahl. Die ganze Stadt wird weggentrifiziert, alternative Lebensentwürfe werden verdrängt und geräumt und statt ihre Gewinne als Möglichkeit zu sehen, unsere Mieten zu senken oder unsere Wohnungen zu pflegen, machen Hauseigentümer*innen und Immobilienkonzerne genau das Gegenteil: Die nächste Mieterhöhung kommt gewiss und die Heizung wird trotzdem nicht repariert.“

Hausbesetzung in der Einertstraße 3 im Leipziger Osten, 15.10.2025. Foto: Jan Kaefer

Mehrere Transparente hatten die Besetzer an der Fassade angebracht. „BESETZT“, war auf einem langen Stoff zu lesen, der genau am Eck aus dem Fenster hing. „DIE HÄUSER DENEN DIE SIE BRAUCHEN“, stand auf einem anderen. Um die 60-70 Menschen unterstützten die Besetzungsaktion mit einer angemeldeten Versammlung.

Kurz nach 17 Uhr zeigte sich eine der Personen im Haus, vermummt, mit Sonnenbrille und rothaariger Perücke am Fenster und hielt eine kurze Ansprache, in der sie die oben genannten Punkte noch einmal untermauerte. Zusätzlich machten die Insassen hin und wieder mit einer bunten Pyroshow auf sich aufmerksam. Mittels eines an einem Strick herabgelassenen Eimers wurden sie zudem mit Getränken und Pizza versorgt.

Hausbesetzung in der Einertstraße 3 im Leipziger Osten, 15.10.2025. Foto: Jan Kaefer

Die Polizei hatte derweil bereits alle vier Zufahrtswege abgesperrt. Gegen 18 Uhr verschafften sich die Beamten über das Nachbarhaus Ludwigstraße 12 Zutritt in den Innenhof, über den sie in das besetzte Gebäude gelangen wollten. Parallel dazu forderte die Polizei mittels Durchsage die Versammlungsteilnehmer dazu auf, den Bereich vor der Einertstraße 3 zu verlassen, da dieser nicht als Versammlungsfläche genehmigt sei.

Der Erfolg war spärlich. Als die Aufforderung kurz nach 20 Uhr zum inzwischen dritten Mal vergeblich wiederholt wurde, trat die Polizei erstmals körperlich in Aktion. Sie schob und stieß die Unterstützer aus der heiklen Zone, was kurzzeitig für aufgewühlte Stimmung sorgte. Schließlich bildete die Polizei eine Kette um das Haus und postierte zusätzlich mehrere ihrer Fahrzeuge als abschirmende Wagenburg.

Polizei räumt den Weg frei. Hausbesetzung in der Einertstraße 3 im Leipziger Osten, 15.10.2025. Foto: Jan Kaefer

Aufflackernde Lichter hinter den Fensterscheiben machten deutlich, dass die Polizisten inzwischen das doch recht große Gebäude Raum für Raum durchsuchten. Gegen 21:15 Uhr löste sich aus den Versammlungsteilnehmern ein Grüppchen von ungefähr 20 Personen, die zu einer kurzen Spontandemo aufbrachen und dabei kurzzeitig den Verkehr auf der Eisenbahnstraße lahmlegten.

Eine halbe Stunde später begann die Polizei im Haus damit, die an der Fassade angebrachten Transparente zu entfernen. Und gegen 22:20 Uhr schließlich wurden aus der inzwischen aufgebrochenen Haustür der Nummer 3 die vier Besetzerinnen und Besetzer nach draußen begleitet. Auf das Erteilen eines Platzverweises wurde, nach unseren bisherigen Informationen, verzichtet – auf eine Anzeige sicherlich nicht.

Die Besetzer/-innnen werden aus dem Haus gebracht. Hausbesetzung in der Einertstraße 3 im Leipziger Osten, 15.10.2025. Foto: Jan Kaefer

„Wir konnten nicht länger mit ansehen, wie dieses Haus weiter verstaubt und haben deshalb beschlossen, dort einzuziehen“, sei noch einmal aus dem Aufruf zitiert. Ideen, wie das seit vielen Jahren leerstehende Haus mit Leben gefüllt werden könnte, haben die Besetzer zur Genüge und sind gesprächsbereit: „Ganz besonders laden wir auch den*die Eigentümer*in und die Stadt Leipzig dazu ein, mit uns in Kontakt zu treten und über die weitere Nutzung des Hauses zu verhandeln.“ Gibt es also Hoffnung für das „Eineck“?

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