Wer sich den Gründungskongress der neuen AfD-Jugendorganisation „Generation Deutschland“ am 29. November angeschaut hat, könnte glauben, junge Menschen stünden im Mittelpunkt. Doch hört man die Reden aufmerksam, erkennt man schnell: Die Jugend, um die es angeblich geht, kommt inhaltlich kaum vor. Was man stattdessen zu hören und sehen bekommt, ist ein politisches Projekt, das sich dem Gesicht der Jugend bedient, aber nicht deren Lebensrealität.
Zwar betont der neue Vorsitzende Jean-Pascal Hohm gleich zu Beginn, dass die Jugend „für unsere Partei unerlässlich“ sei und dass man „eine Zukunft haben“ wolle. Doch dieser Zukunftsbegriff bleibt abstrakt. Hohm spricht von Mut, Verantwortung und Zusammenhalt – wichtigen politischen Werten –, doch konkrete Jugendthemen wie Wohnen, Ausbildung oder Studienbedingungen bleiben unerwähnt.
Die Jugend dient hier vor allem als moralische Ressource, als rhetorisches Versprechen für eine bessere Zukunft, aber nicht als politische Zielgruppe mit eigenen Anliegen.
Stattdessen erzählen viele Reden eine andere Geschichte: die einer bedrohten Generation, die zugleich Opfer und Retter sein soll. Patrick Heinz schildert ein Beispiel aus einer Schule und ruft anschließend: „Ein Angriff auf einen von uns ist ein Angriff auf alle von uns.“ In solchen Passagen wird Jugend nicht als vielfältige Lebensphase sichtbar, sondern als klar definierter Kampfverband, als Einheit, die sich gegen äußere Feinde formieren soll. Der „Auftrag“ wird emotionalisiert, nicht konkretisiert.
Jugend ohne Spaß
Auffällig ist darüber hinaus, wie vollständig der Kongress jene Aspekte ausblendet, die Jugend normalerweise ausmachen. Spaß, Spiel, Sport, Leichtigkeit, kulturelle Interessen, Ausprobieren – all das kommt in keiner der zwanzig Reden vor. Keine Anekdote aus dem Vereinsheim, kein Verweis auf Musik oder Sport, keine Anspielung auf Hobbys oder jugendliche Lebensstile.
Die „Generation Deutschland“ präsentiert sich als Jugendorganisation, der das Jugendliche abhandengekommen ist. Die Atmosphäre wirkt bieder, fast asketisch, getragen von Pflichtgefühl, Ernstfallrhetorik und historischer Last.
Ausgerechnet ein Jugendkongress verzichtet auf alles, was Jugend typischerweise belebt: Spontaneität, Humor, Übermut, Neugier. Die jungen Menschen auf dieser Bühne dürfen nicht jung sein, sie sollen sofort funktional werden – als Träger einer Mission, nicht als Individuen mit eigenen Wegen in die Welt.
Das Problem liegt nicht darin, dass eine Jugendorganisation Pathos bemüht. Das Problem liegt darin, dass dieses Pathos die tatsächlichen Fragen junger Menschen überlagert. Fast vollständig fehlen Anliegen wie steigende Mieten, Druck im Bildungssystem oder die Unsicherheit der Arbeitsmärkte.
Selbst jene Themen, die nahe liegen würden – etwa die Zukunft der Ausbildung, der Zustand der Universitäten oder die Perspektiven junger Familien – kommen nicht vor. Stattdessen beschäftigen sich die meisten Redner mit Migration, Identität und politischen Gegnern. Jugend wird in dieser Logik nicht ernst genommen, sondern als Projektionsfläche funktionalisiert.
Je radikaler die Rede, desto stärker diese Instrumentalisierung. In mehreren Beiträgen wird die Jugend gar als historische Missionsträgerin inszeniert. Die Formulierung „Wir sind die Generation, die unsere Heimat vor dem Niedergang bewahrt“, wiederum von Hohm, zeigt diese Überhöhung besonders deutlich. Sie macht aus jungen Menschen nicht nur politische Subjekte, sondern politische Symbole – und kündigt ihnen damit jene Komplexität ab, die jede junge Generation auszeichnet.
Jugend als Mobilisierung
Dass die Jugend bei diesem Kongress vor allem als Symbol dient, zeigt gerade das, was nicht gesagt wird. Es geht nicht um Lebenshaltungskosten, nicht um psychische Gesundheit, nicht um Mobilität, nicht um Zukunftsängste, die über politische Erzählungen hinausreichen. Es geht fast nie um die Frage, wie junge Menschen heute leben oder leben wollen. Die Jugend wird nicht nach ihrer Gegenwart gefragt, sondern nach ihrer Nützlichkeit für ein politisches Projekt.
Am Ende bleibt der Eindruck eines Jugendkongresses, der mehr über die Partei erzählt als über die Jugend. Die Reden dienen der Mobilisierung, nicht der Gestaltung. Sie geben keine Antworten auf die Probleme der jungen Generation, sondern verlangen von ihr, Antworten auf die Probleme der Partei zu sein. Das Ergebnis ist eine Jugendorganisation, die zwar „Generation Deutschland“ heißt, aber kaum ein Wort über die Generation verliert, die heute wirklich in Deutschland lebt.
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