Seit ein paar Jahren sorgen sich Leipzigs Bürgermeister auch um die Gesundheit ihrer Bürger. Nicht ganz uneigennützig, denn wenn die Bürger unter immer mehr Zivilisationskrankheiten leiden, belastet das auch die Krankenkassen und die Sozialetats. Auf dem Arbeitsmarkt fehlen die Betroffenen dann auch noch. Und die am häufigsten diskutierte Zivilisationskrankheit ist nun einmal das Übergewicht.

Das ja auch schon den Kleinsten Sorgen macht. In der Schuleingangsuntersuchung fallen schon tausende Kinder auf, die übergewichtig sind und sich nicht richtig bewegen können, Zeichen für falsche Ernährung und fehlende Bewegung schon in frühem Alter.

Seit 2013 legt die Stadt nun regelmäßig Zahlen zum körperlichen Selbstempfinden der Leipziger vor. Und das ist stabil schlecht. Nicht weil es allen schlechtgeht. Aber wenn acht Prozent der Leipziger sagen, es ginge ihnen gesundheitlich schlecht, ist das eine erhebliche Menge. Erst recht, wenn dann noch 30 Prozent dazukommen, die sich irgendwie „teils/teils“ fühlen. Was ist das für ein Zustand? Ein lebenslustiger ganz bestimmt nicht.

Nur 62 Prozent der Leipziger gaben 2016 an, sich gut bis sehr gut zu fühlen. Das waren drei Prozent weniger als 2015. Was nicht unbedingt dafür spricht, dass sich die Gesundheitssituation der Leipziger bessert.

Wobei in der Befragung die detaillierte Auflistung fehlt: Wo fehlt es eigentlich? Die Auswertungen der Krankenkassen deuten ja darauf hin, dass es immer häufiger psychische Probleme sind (Stress, Depression usw.), die den Arbeitsamen zu schaffen machen, aber ebenso ansteigende Probleme mit dem Knochenapparat und den Gelenken, weil immer mehr Leipziger schwere Lasten hucken müssen.

Da hilft dann auch kein Sporttreiben mehr, auch wenn es die Umfrage irgendwie als Heilrezept anbietet. 55 Prozent der Leipziger treiben recht regelmäßig Sport. Das ist eine Menge, wenn auch für einige Gruppen recht wenig. Wobei die Frage ja immer auch ist, was für ein Sport dahintersteckt: ein gelenkverschleißender oder einer, der wirklich Ausgleich schafft? Denn die meisten Leipziger treiben ja nicht unter professioneller Anleitung Sport, sondern joggen selber los durch die Landschaft. Darunter sind auch etliche, die so versuchen, ihr Körpergewicht in Griff zu bekommen.

Und danach lässt das Gesundheitsamt der Stadt besonders fragen. Denn mit dem (krankhaften) Übergewicht verbinden sich eben leider auch einige andere Zivilisationskrankheiten direkt – vom Krebs über die Krankheiten des Gelenkapparates bis hin zu früher Demenz, Diabetes und hohem Blutdruck.

Logisch, dass die Gesundheitsverantwortlichen in der Reduzierung des Übergewichts einen Weg sehen, zumindest einige Krankheitsformen deutlich zu mindern.

Aber diese Verlockungen!

Anders kann man es ja nicht sagen. Die moderne Zivilisation bevorzugt den sitzenden Menschen, der ganze Tage und Abende vorm Bildschirm verbringt und sich körperlich nicht mehr bewegt, der seine Wege mit Auto und Fahrstuhl zurücklegt und sich dabei kalorien-, will heißen: zuckerreiche Nahrung zuführt.

Und die Betroffenen kommen aus diesem Kreislauf augenscheinlich nicht heraus. Jedenfalls hat Leipzig noch keinen Weg gefunden, diese Entwicklung zu stoppen.

Waren 2013 schon 46 Prozent der Befragten übergewichtig bzw. krankhaft übergewichtig, hat sich 2015 daran mit 50 Prozent nichts zum Besseren gewendet. Und 2016 waren es wieder 50 Prozent der Befragten, die mit ihrem Gewicht und ihrer Körpergröße in diese Kategorien fielen.

Das hat auch zum Teil mit dem Alter zu tun. Das haben auch die vorhergehenden Umfragen schon gezeigt. Mit Ende 30 beginnen viele Leipziger ihre sportlichen Tätigkeiten deutlich einzuschränken oder gar einzustellen. Und das ist auch nicht zufällig der Zeitpunkt, an dem die Zahl der Übergewichtigen zu steigen beginnt, bis sie bei den 55-Jährigen die 70-Prozent-Marke überspringt. Natürlich ist es ein Altersproblem. Aber gerade deshalb beschäftigt es ja die Verwaltung. Denn wenn immer mehr Leipziger immer älter werden, kann es einfach keine Zukunftsperspektive sein, wenn das aufgrund von Adipositas (dem krankhaften Übergewicht) für 19 Prozent der Senioren eine dauernde Krankengeschichte wird.

Unsere Gesellschaft braucht also zwingend Wege, Menschen ihr Leben lang mobiler und gesünder zu halten. Was vor allem auch etwas mit der Umstellung von Lebensgewohnheiten zu tun hat, wenn das Übergewicht mit fehlender Bewegung und falscher Ernährung zu tun hat.

Was schwer wird. Denn – siehe oben – unsere gegenwärtige Konsumwelt ist auf den immobilen, von Fasstfood geprägten Menschen ausgerichtet, der sich um nicht viel kümmern muss, die Dinge nach Gebrauch entsorgt und sich ansonsten daheim allein berieseln lässt.

Man hat beinah ein kleines Piepsen vom ADFC im Ohr: Noch mehr Fahrradstraßen! Lasst die Leipziger mehr Rad fahren!

Und zu Fuß gehen. Stimmt. Aber bislang haben wir nur die Zahlen zu einer sichtlich übergewichtigen Gesellschaft, die unser Gesundheitssystem mit entsprechenden Folgen belastet. Aber die Idee für ein anderes, beweglicheres und gesünderes Leben ist erst bei einer Minderheit zu Hause. Wer das ändern will, muss richtig dicke Bretter bohren.

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