Am heutigen 21. September ist Weltalzheimertag. Und der erinnert daran, dass Demenzerkrankungen sich in unserer Gesellschaft immer mehr häufen. Was nicht nur daran liegt, dass immer mehr Menschen sehr alt werden. Ungünstige Ernährung, zu wenig Bewegung, mangelnde geistige Förderung, all das sind Risikofaktoren für Demenz im Alter. Und Leipziger Forscher suchen nach Wegen, diese neue „Zivilisationskrankheit“ zu bekämpfen.

Oder besser: ihr vorzubeugen. Denn wenn das Gehirn durch falsche Verhaltensweisen erst einmal geschädigt ist, kann auch die Medizin nur noch wenig tun. Es ist wie bei den anderen Zivilisationskrankheiten – Übergewicht, Diabetes, Kreislauferkrankungen. Das Meiste hat der betroffene Mensch selbst in der Hand, indem er die Risikofaktoren in seinem Leben bewusst mindert und ein anderes Leben führt.

Eigentlich also eine subversive Forschung, die die Leipziger Forscher da betreiben. Denn wenn sie es wirklich schaffen, die Menschen zu anderen, selbstbewussten Lebensweisen zu animieren, nehmen sie einer auf Faulheit und puren Konsum getrimmten Wirtschaft einen Teil ihrer lukrativsten Einkünfte. Dann lässt sich nämlich mit Süßigkeiten, Fett, Automobilen, Lieferservicen, teuren Diäten und noch teureren Medizinen nicht mehr so viel Geld verdienen.

Das Projekt „AgeWell.de“ des Institutes für Sozialmedizin, Arbeitsmedizin und Public Health (ISAP) der Universität Leipzig will nun herausfinden, ob eine zeitgleiche positive Beeinflussung mehrerer dieser Faktoren einen möglichen geistigen Abbau im Alter verzögern oder gar vermeiden kann.

„Momentan fehlen uns effektive Behandlungsmöglichkeiten für Demenzkranke“, sagt Projekt-Koordinator Dr. Tobias Luck vom ISAP der Medizinischen Fakultät. Deshalb sei es wichtig, endlich alle Möglichkeiten einer präventiven Vorsorge auszuschöpfen. Genau an diesem Punkt will das neue Projekt „AgeWell.de“ (Geistig fit ins Alter) ansetzen. „Wir wollen mit älteren Hausarztpatientinnen und -patienten mit erhöhtem Risiko für kognitive Störungen über einen 2-Jahres-Zeitraum verschiedene Präventionsaktivitäten durchführen.“

Letztlich geht es darum, Menschen daran zu gewöhnen, ihren Alltag frühzeitig aktiv zu gestalten und Körper und Geist dabei fit zu halten.

„Konkret geht es für die Senioren darum, körperlich sozial und geistig aktiver zu sein und sich gesünder zu ernähren. Dabei wird auch eng mit den Hausärzten der Studienteilnehmer zusammengearbeitet“, sagt die Direktorin des ISAP, Prof. Dr. Steffi G. Riedel-Heller, die das Projekt leitet. In Leipzig, Greifswald, München und Kiel werden hierfür nun ältere Hausarztpatienten mit einem erhöhten Risiko für kognitive Störungen für die Teilnahme an der Studie gewonnen. Ziel ist es, durch die verschiedenen Aktivitäten einen positiven Effekt auf die geistige Leistungsfähigkeit der Patienten zu erzielen.

International zeigen solche sogenannten „Multikomponenten-Präventionsansätze“ bereits erste vielversprechende Ergebnisse. Für Deutschland fehlen bisher aber vergleichbare Initiativen.

Ziel von „AgeWell.de“ ist es daher, in enger Zusammenarbeit der Medizinischen Fakultät der Universität Leipzig mit weiteren deutschen Forschungseinrichtungen am Standort Greifswald, den Universitätsklinika München, Kiel, Heidelberg und Hamburg-Eppendorf sowie der Medizinischen Hochschule Hannover erstmals eine große randomisierte kontrollierte Multikomponenten-Studie zur Prävention der geistigen Abbauprozesse in Deutschland durchzuführen. Die Studie ist hierbei so konzipiert, dass auch Empfehlungen zu einer Umsetzung der Interventionen in die Versorgungslandschaft gegeben werden.

Gefördert wird das Projekt bis 2021 vom Bundesministerium für Bildung und Forschung mit 2,2 Millionen Euro. An der Universität Leipzig wird zu nachhaltigen Grundlagen für Leben und Gesundheit geforscht. Der Forschungsprofilbereich „Mensch und Gehirn“ bildet dabei einen bedeutenden Wachstumskern.

„AgeWell.de“ gehört damit zu den sogenannten Lebenswissenschaften, die vom Bund auch deshalb gefördert werden, weil sie Wege finden sollen, das Anwachsen der modernen Zivilisationskrankheiten zu verhindern.

Aber Alzheimer ist für viele Betroffene kein unausweichliches Schicksal: „Bislang ist Alzheimer unheilbar. Aber neueste Forschungsergebnisse sprechen dafür, dass einige Faktoren – wie körperliche und geistige Aktivität – den Krankheitsverlauf positiv beeinflussen können. Im Projekt AgeWell nehmen Betroffene daher an einem Interventionsprogramm teil: Dieses bietet beispielsweise Möglichkeiten für körperliche und soziale Aktivitäten, ein kognitives Training und eine Optimierung von Ernährung und Medikation an“, so das Bundesforschungsministerium zur Förderwürdigkeit. „Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler begleiten die Teilnehmenden und untersuchen, inwiefern das Programm dabei helfen kann, den Rückgang der geistigen Fähigkeiten aufzuhalten. Die Ergebnisse sollen dazu beitragen, die Entstehung einer Demenzerkrankung bei älteren Menschen zu verzögern. Die Forschenden entwickeln darüber hinaus Empfehlungen, wie das Programm in der Versorgung umgesetzt werden kann.“

Wenn es dann auch auf jüngere Jahrgänge ausgeweitet werden sollte, könnte man vielleicht sogar verhindern, dass Menschen erst in großer Zahl unter Demenz leiden. Denn alle Erkenntnisse deuten darauf hin, dass es grundsätzlich um gesündere Ernährung, regelmäßige Bewegung und vor allem geistige Aktivitäten geht. Ein bewussteres Leben also, das nicht „nach hinten raus“ in ein zweckfreies Warten auf irgendwas ausarten darf.

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