Manche Volkskrankheiten sind vor allem deshalb Krankheiten breiter Bevölkerungsschichten, weil diese ungesund leben. Es ist tatsächlich das bewegungsarme, fett- und zuckerreiche Leben in der modernen Konsumgesellschaft, das viele Menschen auch für die Volkskrankheit Alzheimer anfällig macht. Viele Alzheimer-Fälle wären wohl durch ein gesünderes Leben vermeidbar. Leipziger Forscher haben jetzt ein paar Zahlen dazu vorgelegt.

Demenzforscher am Institut für Sozialmedizin, Arbeitsmedizin und Public Health (ISAP) der Universität Leipzig haben nun erstmals berechnet, wie viele Demenzfälle sich in Deutschland vermeiden lassen könnten, wenn damit im Zusammenhang stehende wichtige Risikofaktoren bekämpft werden würden.

Deutschlandweit gehen rund ein Drittel der Alzheimer-Erkrankungen auf Risikofaktoren wie Bluthochdruck, Übergewicht oder Diabetes zurück. Die Forscher plädieren deshalb dafür, sich in der Prävention von Alzheimer verstärkt auf diese Risiken zu konzentrieren.

Demenzen sind nicht nur für die Betroffenen und deren Angehörige eine starke Belastung. Sie stellen auch die Gesundheitssysteme vor große Herausforderungen. Allein in Deutschland leiden nach Schätzungen der Deutschen Alzheimergesellschaft aktuell 1,5 Millionen Menschen an Demenz, davon eine Million an der Alzheimer-Demenz.

Wie die Ergebnisse zeigen, können für rund 30 Prozent der aktuellen Alzheimer-Demenzfälle sieben Lebensstilfaktoren verantwortlich gemacht werden: Bluthochdruck und starkes Übergewicht im mittleren Lebensalter, Diabetes Mellitus, Depression, mangelnde körperliche Aktivität, Rauchen und niedrige Bildung.

Der höchste Einfluss wird darin mit 22 Prozent mangelnder körperlicher Aktivität und mit 15 Prozent dem Rauchen zugeschrieben. Im Vergleich mit anderen Industrienationen nimmt der Nikotinkonsum damit in Deutschland als Alzheimer-Risikofaktor einen außergewöhnlich hohen Stellenwert ein.

“Die breite Öffentlichkeit ist häufig der Auffassung, die Alzheimer-Erkrankung sei rein genetisch bedingt”, sagt Tobias Luck, Leiter der ISAP-Arbeitsgruppe “Epidemiologie und Versorgungsforschung” und Hauptinitiator der Studie. “Diese Zahlen geben damit vor allem Grund zur Hoffnung.”

Denn dieser starke Einfluss dieser äußeren Faktoren auf das Alzheimerrisiko bedeutet aus Sicht der Forscher ein hohes Potential zur Vorbeugung, da sie im Gegensatz zu den Genen grundsätzlich beeinflussbar seien. Die Wissenschaftler rechnen daher vor: Wenn es gelinge, die Häufigkeit der Risikofaktoren in der Bevölkerung zu halbieren, könnten theoretisch 130.000 der aktuellen Alzheimerfälle in Deutschland vermieden werden.

“Diese Chance die Zahl an Alzheimererkrankungen in der Bevölkerung zu verringern, sollte umso mehr Anreiz geben, diese Risikofaktoren zu bekämpfen”, betont Steffi Riedel-Heller, Professorin für Sozialmedizin und ISAP-Direktorin. “Bisher wurde vor allem in die Behandlung von Demenzerkrankungen investiert. Auch ihrer Prävention muss der entsprechende Stellenwert in Forschung und Praxis eingeräumt werden.”

Wobei auch immer zu berücksichtigen ist, dass Demenz in dieser Form Folge anderer Erkrankungen ist, die selbst nicht nur die Krankheitskosten in die Höhe treiben, sondern das Leben der Menschen nachhaltig beinträchtigen. Eine gesündere Lebensweise und entsprechende Therapien würden nicht nur das Demenzrisiko verringern, sondern auch gesundheitliche Beeinträchtigungen wie Bluthochdruck, Adipositas und Diabetes abbauen. Womit auch diese Studie bestätigt, dass die sogenannten Volkskrankheiten eben nicht nur für sich betrachtet werden dürfen, sondern im Zusammenspiel erst ein Bild davon ergeben, wie ungesunde und passive Lebensweisen erst dazu führen, dass viele Menschen zum Dauerpatienten werden.

Die Veröffentlichung:  Luck T, Riedel-Heller SG (2016) Prävention von Alzheimer-Demenz in Deutschland – Eine Hochrechnung des möglichen Potenzials der Reduktion ausgewählter Risikofaktoren. Nervenarzt; 87(1):111-8. doi: 10.1007/s00115-015-0057-x

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