Selbst Ärzt/-innen verstehen nicht mehr, warum der Freistaat Sachsen bei den explodierenden Infektionszahlen nicht endlich konsequent reagiert. Insbesondere die Impfstrategie in Sachsen stößt beim Marburger Bund Sachsen auf Unverständnis. „Es ist für uns nicht nachvollziehbar, warum die Impfzentren im Freistaat Sachsen geschlossen bleiben“, äußert sich Torsten Lippold, Vorsitzender des Landesverbandes Sachsen.

Sachsen hat zum Wochenbeginn seine festen Impfstellen und mobilen Impfteams endlich aufgestockt: Möglich seien nun 5.000 Impfungen pro Tag. Aber das ist viel zu wenig in einer Lage, in der die Inzidenz bei den nicht vollständig geimpften Personen im Freistaat bei 1.838 liegt.Zum Vergleich: Im September 2021 planten die sächsischen Impfzentren und -stellen bei einer Inzidenz von 38 in der gleichen Personengruppe etwa 13.000 Impftermine pro Tag. Aktuell ist die Inzidenz in Sachsen bei nicht vollständig geimpften Personen 39 Mal höher als bei denjenigen mit vollem Impfschutz.

„Jeder, der den Corona-Impfschutz möchte, trägt dazu bei, einen Kollaps des Gesundheitswesens in Sachsen zu verhindern. Wir brauchen kurze Wege, kurze Wartezeiten und unbürokratische Angebote für eine Impfung – und das nicht nur in den Metropolen, sondern vor allem dort, wo die Impfquoten niedrig und die Inzidenzen hoch sind. Wir haben keine Zeit mehr für Diskussionen über Glühweinstände. Wir müssen uns auf die Impfwilligen konzentrieren!“, verdeutlicht Torsten Lippold die Lage aus Sicht der Ärztinnen und Ärzte.

Der Vorsitzende des sächsischen Ärzteverbandes begrüßt die Initiative des Chemnitzer Oberbürgermeisters Sven Schulze, das dortige Impfzentrum im Dezember wieder öffnen zu wollen. Er spricht sich zudem dafür aus, dass Mitarbeiter im Gesundheitswesen und Menschen mit erhöhtem Risiko für einen schweren Verlauf von COVID-19 besonders unkompliziert und zeitnah an die notwendige Erst-, Zweit- oder Dritt-Impfung kommen.

Neben den Impfstellen und mobilen Teams des DRK bieten derzeit rund 2.000 Praxen und einige Krankenhäuser in Sachsen Corona-Schutzimpfungen an.

Der Marburger Bund Sachsen sieht das ambivalent, den damit werden wieder wertvolle Ressourcen gebunden.

„Krankenhäuser und Arztpraxen haben gerade jetzt, wo Grippe und andere jahreszeittypische Infektionskrankheiten neben COVID die Hauptschauplätze in der akutmedizinischen Behandlung sind, kaum zusätzliche Ressourcen. Das Engagement der impfenden Ärzte ist hoch anzuerkennen. Die Masse der notwendigen Corona-Impfungen ist im laufenden Betrieb aber nicht zu bewältigen“, findet Dr. Helmut Friedlein, Stellvertretender Vorsitzender des MB Sachsen.

Er kündigt an: „Wir werden einen innerverbandlichen Aufruf an unsere Mitglieder starten, sich an den Impfungen zu beteiligen. Wir Ärzte müssen weiter alle Kräfte mobilisieren – auch wenn diese aufgrund der langen Pandemie schwinden.“

Im Marburger Bund Sachsen sind rund 6.000 in sächsischen Krankenhäusern oder Arztpraxen angestellte Ärztinnen und Ärzte sowie Medizinstudierende organisiert. Der Marburger Bund setzt sich als Berufsverband und Gewerkschaft für bessere Arbeitsbedingungen von Ärztinnen und Ärzten, für eine praxisnahe Ausbildung und für ein Gesundheitssystem, in dem medizinische Entscheidungen nicht von wirtschaftlichen Interessen beeinflusst werden, ein.

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