Die Einschränkungen durch die Corona-Pandemie sind vielen Jugendlichen nicht gut bekommen. Im ersten Corona-Jahr sind in Sachsen mehr ältere Jugendliche an einer Depression neu erkrankt. 2020 stieg die Zahl der ärztlichen Erstbehandlungen bei den 15- bis 17-Jährigen im Vergleich zum Vorjahr um 48 Prozent, stellt der Kinder- und Jugendreport der DAK-Gesundheit zu Auswirkungen der Pandemie fest.

Zudem wurden im Freistaat in dieser Altersgruppe 29 Prozent mehr Adipositas-Neuerkrankungen festgestellt. Dagegen gingen bei den Jugendlichen im ersten Pandemie-Jahr die Behandlungen wegen Alkoholmissbrauchs um mehr als ein Drittel zurück. Das sind zentrale Ergebnisse des aktuellen Kinder- und Jugendreports der DAK-Gesundheit für Sachsen.

Vor diesem Hintergrund fordern DAK-Landeschefin Christine Enenkel und Dr. Melanie Ahaus, Pressesprecherin des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) in Sachsen, die psychische Belastung junger Menschen stärker in den Fokus zu rücken.

„Die Corona-Pandemie hat den Alltag der Kinder und Jugendlichen in Sachsen deutlich verändert. Unser aktueller Report zeigt den Handlungsbedarf in verschiedenen Bereichen der Kinder- und Jugendgesundheit“, erklärt Christine Enenkel, Leiterin der DAK-Landesvertretung Sachsen.

„Deshalb brauchen wir ein koordiniertes Vorgehen über Sektoren- und Fachgrenzen hinweg. Sogenannte Werkstattgespräche mit Beteiligung aller wichtigen Akteure sind aus unserer Sicht ein erster notwendiger Schritt. Hierbei sollten die Themen psychische Gesundheit, gesunde Ernährung und Sport eine bedeutende Rolle spielen. Unser Report kann dafür wichtige Erkenntnisse liefern.“

Dr. Melanie Ahaus, Fachärztin für Kinder- und Jugendmedizin und BVKJ-Pressesprecherin des Landesverbandes Sachsen, ergänzt: „Wir sehen in dieser herausfordernden Zeit deutliche Benachteiligungen von Kindern und Jugendlichen. Diese Situation können wir nur interdisziplinär und in Zusammenarbeit mit allen Verantwortlichen verbessern.“

Depressionen: Ältere Jugendliche besonders betroffen

Der DAK-Report zeigt, dass die Corona-Pandemie vor allem Jugendliche im Alter von 15 bis 17 Jahren in Sachsen psychisch belastet. Die ärztlichen Erstbehandlungen wegen einer Depression stiegen mit 48 Prozent deutlich stärker als im Bundesschnitt (plus 8 Prozent).

In diesem Alter waren Mädchen in Sachsen 2,7-mal so häufig aufgrund von Depressionen in ärztlicher Behandlung wie gleichaltrige Jungen. Im Bundesdurchschnitt war der Unterschied etwas schwächer ausgeprägt.

Bei Kindern im Alter von zehn bis 14 Jahren zeigte sich in Sachsen hingegen mit rund 36 Prozent ein starker Rückgang. Dr. Melanie Ahaus erklärt dazu:

„Die Auswirkungen des langen Lockdowns und wiederkehrender Quarantänemaßnahmen sowie der damit eingeschränkten Teilhabe an Bildungseinrichtungen und am sozialen Leben werden durch diese Ergebnisse sichtbar. Wir erwarten auch bei den 10- bis 14-Jährigen einen Anstieg in naher Zukunft. In dieser Altersgruppe können die Auswirkungen länger kaschiert werden und werden nur später zum Ausdruck kommen.“

Was ist da in Sachsen passiert?

Die Zahlen klingen gerade so, als wäre da in Sachsen etwas besonders Gravierendes passiert, wenn hier ein Anstieg um 48 Prozent verzeichnet wird, im Bund aber nur einer um 8 Prozent. Aber der Blick auf die Grafik zeigt, dass Sachsen damit noch nicht einmal zum bundesdeutschen Durchschnitt aufgeschlossen hat.

Im Klartext: Bundesweit wurden schon vor Corona viel mehr Depressionen bei Jugendlichen diagnostiziert als in Sachsen. Im erste Corona-Jahr gab es praktisch eher einen Nachholeffekt in Sachsen. Mit 54 diagnostizierten Fällen auf 1.000 Mädchen zwischen 15 und 17 Jahren liegt diese Zahl noch immer unter den 59 Fällen, die bundesweit auf 1.000 Mädchen diagnostiziert wurden.

Bei Jungen beträgt das Verhältnis 16 Fälle je 1.000 Jungen zu 22 Fälle je 1.000 Jungen. Beides bei den 15- bis 17-Jährigen, wo die Fallzahlen am höchsten sind. Zu vermuten ist, dass die massiven Einschränkungen beim Unterricht, das vermehrte Homeoffice und der Prüfungsdruck unter diesen Bedingungen auch in Sachsen den Druck auf die Jugendlichen massiv erhöht hat, sodass sich die sächsischen Fallzahlen dem Bundesdurchschnitt annäherten.

Eine Rückkehr zum normalen Schulbetrieb ist also auch für die seelische Gesundheit der Jugendlichen wichtig.

Gegen den Bundestrend: Mehr Adipositas-Fälle bei Jugendlichen

2020 wurden 29 Prozent mehr sächsische 15- bis 17-jährige Jugendliche erstmals wegen einer Adipositas ärztlich behandelt, während die bundesweiten Zahlen konstant blieben. Mädchen und Jungen waren in dieser Altersgruppe etwa gleich häufig betroffen.

Bei den zehn- bis 14-Jährigen stiegen die Fälle von starkem Übergewicht – wie im Bundesschnitt – leicht um zwei Prozent. Hier wurden Jungen um knapp ein Fünftel häufiger behandelt als Mädchen. Bei den Grundschulkindern gab es dagegen neun Prozent weniger Adipositas-Neuerkrankungen, während die Zahlen bundesweit um 16 Prozent stiegen.

„Wir sehen mit Sorge den Mitgliederschwund in Sportvereinen in den vergangenen zwei Jahren und den mit Bewegungsmangel einhergehenden deutlich gestiegenen Medienkonsum“, erläutert BVKJ-Sprecherin Dr. Melanie Ahaus. „Dagegen sind im Grundschulalter die Kinder naturgemäß noch bewegungsfreudiger und die Sportstätten waren für die Altersgruppe nicht so lange geschlossen.“

Deutlich weniger Alkoholmissbrauch

In der Corona-Pandemie kamen in Sachsen deutlich weniger ältere Jugendliche wegen Alkoholmissbrauchs ins Krankenhaus oder die Arztpraxis. 2020 mussten bei den 15- bis 17-Jährigen 36 Prozent weniger ärztlich behandelt werden. Im Freistaat war der Rückgang stärker als im Bundesdurchschnitt (minus 28 Prozent).

In ähnlicher Größenordnung verringerten sich die Behandlungen von Jugendlichen im Bereich Cannabis (minus 38 Prozent). Auch hier fiel der Rückgang in Sachsen stärker aus als im Bundesniveau (minus 15 Prozent).

Im Rahmen des Reports untersuchten Wissenschaftler von Vandage und der Universität Bielefeld anonymisierte Abrechnungsdaten von rund 18.000 sächsischen Kindern und Jugendlichen im Alter bis 17 Jahren, die bei der DAK-Gesundheit versichert sind.

Analysiert wurden die Jahre 2019 und 2020. Der Report basiert damit auf Daten von 3,1 Prozent aller Kinder und Jugendlichen in Sachsen und ist hinsichtlich der Alters- und Geschlechtsverteilung repräsentativ.

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Keine Kommentare bisher

Hieße ja im Umkehrschluss auch, dass 1/3 der Jugendlichen wieder mehr saufen müssten, wenn die Schulen wieder öffnen. Das wiederum könnte ich sogar verstehen.

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