Viel verrät Yadegar Asisi nie, bevor er eines seiner neuen Panoramen in Betrieb nimmt. Vielleicht will er auch, dass die Menschen, die von seinen riesigen Rundum-Bildern begeistert sind, immerfort durch Europa reisen, um wieder das nächste Asisi-Projekt zu bestaunen. Derzeit werben große Plakate in Leipzig für ein Panorama, das es ebenfalls noch nicht gibt.

„Luther 1517“ heißt es und wird am 21. Oktober 2016 eröffnet, ein Jahr, bevor der große Trubel zur 500-Jahr-Feier der Reformation durch Mitteldeutschland rollt. Am 21. April war die Grundsteinlegung für die Rotunde, die auf dem ehemaligen Gelände des seit 2012 leerstehenden Kultur- und Tagungszentrums (KTC) in der Wilhelm-Weber-Straße in Wittenberg entstand.

Der Rundbau ist 18 Meter hoch und hat einen Durchmesser von 30 Meter. In der Mitte wird es Besucherplattformen in vier und sechs Metern Höhe geben und das 360-Grad-Panorama selbst soll gut 1.100 Quadratmeter groß werden. Also etwas kleiner als die üblichen Leipziger Panoramen, auch wenn Asisi das neue Werk erst einmal mit Bildern aus Leipzig bewirbt – nämlich dem Leipziger Panorama zur Völkerschlacht 1813.

Was kein Zufall ist, denn die Arbeitsmethode hat er bei diesem Projekt verfeinert. Angefangen hat diese besondere Art der historischen Panoramen mit Asisis Bild „1756 Dresden“, das seit 2006 in Dresden zu sehen war und die Dresdner regelrecht in Verzückung versetzt hat, weil sie so das barocke Dresden aus der Vogelperspektive noch einmal in seiner ganzen damaligen Pracht sehen konnten.

Aber 2013 tat Yadegar noch etwas hinzu: Für Leipzig entwickelte er ein Panorama, das nicht nur die Stadt in ihrem Zustand von 1813 zeigt, sondern auch die Ereignisse der Völkerschlacht um und in der Stadt bildlich inszeniert – im Grunde ein Bild im Zeitraffer, das vor allem die Ereignisse des 19. Oktober 1813 in einer riesigen historischen Montage zeigte. Und um die handelnden Personen – Soldaten aller beteiligten Armeen, Marketenderinnen, Bürger, Verletzte auf den Straßen, Meldereiter usw. – darstellen zu können (darunter dann auch die berühmten Herren Befehlshaber) hat er seinerzeit ein großes Fotoshooting veranstaltet und die zeitgerecht Kostümierten mit ins Bild gezaubert. Mittlerweile hat er eine so ausgefeilte Bildbearbeitungstechnik, dass man durchaus das Gefühl bekommt, seine Bilder könnten gleich zum Leben erwachen.

Und diese Technik eignet sich brillant dazu, alle möglichen historischen Ereignisse als Panorama zu gestalten, so dass nicht nur historische Bauwerke originalgetreu wieder im Bild stehen, sondern auch die Ereignisse selbst zu erkennen sind in lauter markanten Szenen im Bild. So hat er 2012 das Panorama „Die Mauer“ für Berlin gestaltet, aber auch im Frühjahr ein Panorama, das die Geschichtsbegeisterten jetzt nach Rouen lockt.

Seit dem 28. Mai ist dort das Panorama „ROUEN 1431 – Die Epoche von Jeanne d’Arc“ zu sehen, in dem er Zeit und Ereignisse rund um den Auftritt der Jungfrau von Orleans ins Bild gebannt hat. Was nicht bedeutet, dass die Bürger von Rouen nur ihre Stadt im 100-jährigen Krieg zu sehen bekommen – die in Leipzig erfolgeichen Panoramen – etwa das zum „Great Barrier Reef“ – werden dort auch zu sehen sein. Stückweise baut Asisi sein europäisches Panoramen-Netzwerk aus und lässt immer mehr Menschen an den gewaltigen Bildern teilhaben, die er oft genug für sein Ur-Panometer in Leipzig geschaffen hat.

Das wird ganz bestimmt auch für das nächste Panorama zutreffen, das er gerade für Leipzig entwickelt: 2017 wird er mit den Leipzigern auf den Grund des Atlantik hinabtauchen und das Wrack der Titanic erlebbar machen.

Aber vorher ist Wittenberg dran, wo Asisi mit Stadt und Tourismusverein Partner gefunden hat, die das ganz besondere Wittenberg-Panorama unbedingt wollten. Und natürlich sollte es das Wittenberg des Jahres 1517 sein – auch wenn Asisi die Idee weiter gefasst hat. Denn  er versucht gleich 30 Jahre Reformation ins Bild zu bannen. Und dazu hat er auch die Wittenberger in Kostüme schlüpfen lassen und zum großen Fotoshooting eingeladen.

Fotos von seinem Wittenberg-Bild von 1517 gibt es noch nicht. Die wird es erst am 21. Oktober geben, wenn die ersten Staunenden in die Rotunde dürfen. Aber bei den Kostümauftritten hatten die Wittenberger sichtlich schon ihren Spaß. Im Bild selbst wird es dann gleich mehrere Ereignisse der Reformationszeit zu sehen geben, in denen sich in Wittenberg Ereignisse von Weltgeltung abspielten, in denen diese Stadt tatsächlich im Zentrum der Aufmerksamkeit stand und zeitweilig den Titel eines „Roms des Nordens“ trug.

Der Betrachter steht dabei in der Mitte im Bereich des Schlossplatzes und sieht quasi als fliegender Betrachter die Reformation bei der Arbeit: diskutierende Reformatoren und katholische Geistliche, Studenten, das bunte Volk, Kurfürst Friedrich den Weisen. Luther selbst würde wohl gar mehrfach in verschiedensten Szenen vorkommen, wird gemunkelt. Vielleicht wird man auch Cranach, Melanchthon und Katharina von Bora entdecken.

Man kann gespannt sein. Die Hauptaufmerksamkeit wird das Luther-Panorama natürlich im Jubiläumsjahr 2017 bekommen. Aber bislang heißt es auch, dass das Panorama auch danach noch in Wittenberg zu sehen sein wird, als attraktive Ergänzung zum erlebbaren Originalbestand der alten Lutherstadt.

Und wie man ja weiß, wünschen sich die Leipziger Grünen so etwas Ähnliches nun auch wieder für Leipzig: einen dauerhaften Standort für das Völkerschlachtpanorama von 1813 – vielleicht sogar in Nähe des Völkerschlachtdenkmals. Zumindest eines hat Asisi mittlerweile bewiesen: dass seine historischen Panoramen eine erstaunliche Anziehung auf die doch so von Informationen überfluteten Betrachter der Gegenwart ausüben.

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