Ein neues Jahr hat begonnen, doch die "alten" Probleme aus dem letzten Jahr sind geblieben. Noch immer finden in sächsischen Erstaufnahme- und Gemeinschaftsunterkünften für Geflüchtete Menschenrechtsverletzungen statt. Der Initiativkreis: Menschen.Würdig hat einige dieser Menschen- und Verfahrensrechtsverletzungen zusammengetragen. Die Informationen basieren auf Erfahrungen in den Erstaufnahme-Interims in der Messehalle 4, der Ernst-Grube-Halle, des Zeltlagers in Mockau oder dem Apart-Hotel in Böhlen.

Laut dem deutschen Grundgesetz steht jeder Person, unabhängig von ihrem Aufenthaltsstatus, die Sicherung des Existenzminimums zu. Das Existenzminimum bezieht sich jedoch nicht nur auf die körperliche Existenz, sondern auch auf die sozio-kulturelle Existenz. Dazu zählt beispielsweise gesellschaftliche Teilhabe. Kim Schönberg vom Initiativkreis: Menschen.Würdig erklärt: “Dieses Recht wird durch die Nichtüberwindung von Sprachbarrieren in den Unterkünften limitiert. So werden Informationen über Rechtsberatung, zusätzliche medizinische Versorgung oder Freizeitangebote häufig gar nicht oder nur in deutscher Sprache ausgehängt. Das sozio-kulturelle Existenzminimum wird somit nicht erfüllt.”

Im Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte und in der UN Kinderrechtskonvention wurde der Zugang zu medizinischer Versorgung als ein elementares Menschenrecht festgeschrieben. Kim Schönberg sagt dazu: “Dieses Menschenrecht wird besonders in Erstaufnahmeeinrichtungen nur unzureichend gewährleistet. Häufig gibt es nicht genügend medizinisches Personal vor Ort. Außerdem führt die Massenunterbringung von Personen sowohl zu psychischem Stress, als auch zu schlechten hygienischen Bedingungen und somit zu einer leichteren Übertragung von Erkrankungen.” Durch eine dezentrale Unterbringung von Geflüchteten könnten zumindest die letzten beiden Punkte gelöst werden. Des Weiteren würde so das Recht auf Privatsphäre umgesetzt werden.

Bestimmte Personengruppen benötigen darüber hinaus einen besonderen Schutz. Dazu zählen laut EU-Aufnahmerichtlinie neben Minderjährigen unter anderem Schwangere, Alleinerziehende mit Kindern, Behinderte oder Personen, die schwere Formen psychischer, physischer oder sexueller Gewalt erlitten haben.  Entgegen den Bestimmungen der Richtlinie, die in der BRD bis Juli 2015 hätte umgesetzt werden müssen, werden in Sachsen weder die Bedürfnisse dieser Personen erfasst, noch wird ihnen Unterstützung zuteil. Auch LSBTI-Personen (lesbisch, schwule, bisexuelle, transsexuelle, intersexuelle Personen) oder alleinstehende Frauen, die häufig einer starken Diskriminierung ausgesetzt sind, werden in den Erstaufnahmeeinrichtungen nicht ausreichend geschützt.

Insbesondere in den schnell geschaffenen Notunterkünften fehlen behördliche Strukturen. Dieses Fehlen führt dazu, dass Post nicht zeitnah an Geflüchtete weitergeleitet wurde. Diese konnten daraufhin teilweise Fristen in ihrem Asylverfahren nicht einhalten. Mit der Verletzung der Postzustellungsvorschrift wird somit ein positiver Ausgang des Asylgesuchs von Geflüchteten aufs Spiel gesetzt.

Der Initiativkreis: Menschen.Würdig fordert deshalb von den verantwortlichen politischen und exekutiven Stellen, sowie den Wohlfahrtsverbänden, dass die Verletzungen gegen das Grundgesetz, aber auch gegen die UN-Kinderrechtskonvention oder die Europäische Menschenrechtskonvention, sowohl in Erstaufnahmeeinrichtungen, als auch in Gemeinschaftsunterkünften anerkannt und behoben werden. Zudem fordert der Initiativkreis zumindest die von der Europäischen Union vorgegebenen Standards bei der Aufnahme von Geflüchteten in nationales Recht umzusetzen. Dies betrifft insbesondere den Umgang mit schutzbedürftigen Personen.

Der Initiativkreis: Menschen Würdig hat zum Problemfeld ein umfassendes Positionspapier vorgelegt, das auf der Homepage heruntergeladen werden kann: http://www.menschen-wuerdig.org/index.php/erstaufnahme-nach-menschenrechtlichen-massstaeben

“Gemeinsam mit Initiativen aus ganz Sachsen sollen aus den Analysen des Ist-Standes konkrete Forderungen an die sächsische Staatsregierung abgeleitet werden”, so Kim Schönberg abschließend.

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