Am Universitätsklinikum Leipzig (UKL) haben Ärzte der Klinik und Poliklinik für Orthopädie, Unfallchirurgie und Plastische Chirurgie zusammen mit dem Zentralen Patientenmanagement des UKL einen klinikeigenen Sturzrisiko-Score entwickelt. Mit dessen Hilfe kann das individuelle Sturzrisiko jedes neu in die Klinik aufgenommenen Patienten sofort einheitlich erfasst werden. Eine wichtige, zusätzlich aufgenommene Kategorie unterscheidet ihn von anderen Modellen.

Unter einem “Score” versteht man in der Medizin einen Punktwert, der anhand vieler verschiedener diagnostischer Parameter bestimmt wird. Er ermöglicht eine Einordnung des Zustandes eines Patienten in einer Skala.

Der Sturzrisiko-Score arbeitet dabei mit dem Ampelfarbenprinzip und teilt Patienten in drei Risikokategorien von “niedrig” (grün) über “hoch” (gelb) bis zu “sehr hoch” (rot) ein. Diese Einteilung und darauf aufbauende Maßnahmen sollen helfen, Stürze und sturzbedingte Verletzungen während des Klinikaufenthaltes zu verhindern.

Stürze gelten als eine der wichtigsten Ursachen für eine reduzierte Lebensqualität bei älteren Menschen. Mit fortschreitendem Lebensalter nehmen Risikofaktoren und die Zahl der Stürze zu. So fällt Studien zufolge jeder Dritte im Alter von über 65 Jahren einmal im Jahr, bei über 85-Jährigen ist es bereits jeder Zweite.

Die Folgen solcher Stürze können gravierend sein. Oft müssen sie in einem Krankenhaus behandelt werden. Doch auch in den Kliniken selbst fallen viele Patienten aus unterschiedlichsten Gründen. So haben Arzneimittel einen nicht unerheblichen Einfluss auf das Sturzrisiko. Ebenso zählen ein unsicherer Gang und Schwindel und nicht zuletzt auch Schmerzen zu den Ursachen.

Mit Seh- und Hörbeeinträchtigungen: Sofort “Rot”

Der am UKL im Rahmen einer Studie unter Leitung von Dr. Christian Lycke, Assistenzarzt für Orthopädie/Unfallchirurgie, entwickelte Score, der im gesamten Klinikum Anwendung findet, fußt zwar auf einem existierenden Modell, wurde jedoch um eine sehr wichtige Kategorie erweitert und somit entscheidend weiterentwickelt: Der Erfassungsbogen berücksichtigt neben dem Alter des Patienten die Anzahl der eingenommenen Medikamente, kognitive Fähigkeiten, Mobilität, Alkoholkonsum, Kontinenzverhalten und die persönliche Sturzhistorie, für die jeweils eine bestimmte Punkteanzahl vergeben werden.

“Als zusätzliche Kategorie haben wir jedoch ‘Seh- und Hörbeeinträchtigungen’ eingeführt”, erläutert Birgit Feindt, Leiterin des Zentralen Patientenmanagements am UKL. Diese erhielt eine so hohe Gewichtung, dass ein “Ja” in dieser Kategorie – unabhängig von der übrigen Punktzahl – eine sofortige Einstufung in die höchste Risikogruppe nach sich zieht, weil diese Patienten als besonders sturzgefährdet angesehen werden.

Der validierte Score gibt nun bereits bei der stationären Aufnahme eines Patienten eine gute Einschätzung über dessen Risiko, während seines Klinikaufenthaltes zu stürzen.

“Wir haben damit nun ein funktionierendes Werkzeug für die Frage ‘Wer ist gefährdet?’ Mit einem überschaubaren, standardisierten Aufwand wird durch das Pflegepersonal klargestellt, wie hoch das Sturzpotential des Patienten ist. Wenn der Patient zu mir kommt, ist er bereits einer Risikokategorie zugeordnet”, zeigt sich Prof. Andreas Roth (Foto), Bereichsleiter Orthopädie am UKL, von den neuen Möglichkeiten begeistert. “Wir identifizieren gefährdete Menschen mit einer einfachen Methode und können von Beginn an die richtigen Maßnahmen einleiten”, ergänzt Birgit Feindt.

Ursachen, die zu Stürzen führen können, beseitigen

Als eine Maßnahme wurde daher die “Verfahrensanweisung Sturzprophylaxe” etabliert. So sollen potentielle Sturzfaktoren durch die Pflegefachkräfte minimiert werden. Dazu gehört unter anderem, rollende Möbel festzustellen, für ausreichende Beleuchtung zu sorgen, Gehhilfen bereitzustellen und die Funktionsfähigkeit von Prothesen und Brillen zu gewährleisten. Darüber hinaus müssen die Pflegenden einmal jährlich an einer Pflichtschulung teilnehmen.

Auch die an der Behandlung des Patienten beteiligten Disziplinen werden intensiver hinzugezogen und eingebunden, unter anderem Physiotherapeuten und Apotheker. So können beispielsweise an das jeweilige individuelle Sturzrisiko angepasste Physiotherapien entwickelt werden, etwa mit Gleichgewichtsübungen oder Gangschulungen. Die am UKL eingesetzten Stationsapotheker wiederum können schon bei Aufnahme die Medikation des Betroffenen auf bekannte sturzfördernde Arzneimittel untersuchen und diese gegebenenfalls absetzen beziehungsweise anpassen.

Entwickler und Anwender des Bewertungssystems sind vom Erfolg dieses Werkzeugs zur Erhöhung der Patientensicherheit überzeugt.

Längerfristig erwarten sie deshalb auch einen signifikant bemerkbaren Rückgang der Sturzzahlen von Patienten am UKL.

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