Der 40. und letzte Jahrestag der DDR stand im Zeichen von offiziellen Jubelfeiern und offenem Protest der Bevölkerung. Die Angst vor einem neuen „17. Juni“ wuchs bei der Regierung, so dass die Polizei immer brutaler gegen die Montagsdemonstranten vorging – erstmals auch mit Wasserwerfern. Um den „Spuk zu beenden“ wurde sogar der Einsatz von Schusswaffen angedroht.

Am Montag, den 7. Oktober 2019, berichten um 17.00 Uhr im ehemaligen Stasi-Kinosaal der Gedenkstätte Zeitzeugen über ihre Wahrnehmung der Proteste am DDR-Nationalfeiertag, der steigenden Angst vor einem blutigen Ende der Revolution und dem erlösenden Gefühl am 9. Oktober 1989, als es wider Erwarten nicht zur befürchteten gewaltsamen Niederschlagung der Proteste kam. Der Eintritt ist frei.

Aus Anlass des 30. Jahrestages der Friedlichen Revolution lädt das Bürgerkomitee Leipzig e.V. zu einer Gesprächsreihe mit Zeitzeugen ein. Im Mittelpunkt der Veranstaltungsreihe „Heute vor 30 Jahren – Leipzig auf dem Weg zur Friedlichen Revolution“ stehen herausragende Ereignisse des politischen Protestes in Leipzig, die zur Friedlichen Revolution, zum Sturz der SED-Diktatur und zu einem demokratischen Neuanfang führten.

Ebenso wie der Beginn der Weimarer Republik 1919 und die Verabschiedung des Grundgesetzes 1949 in der Bundesrepublik ist die Friedliche Revolution von 1989 ein zentrales Datum der Demokratiegeschichte in Deutschland, dem wir uns wieder stärker bewusst werden sollten. Die mit ihr wiedererrungenen Werte – Freiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit – sind heute für ein gemeinsames Zusammenleben in Europa grundlegend und unveräußerlich.

Obwohl sich die DDR in einer existenziellen Krise befand, bereitete die SED das 40-jährige Staatsjubiläum am Nationalfeiertag am 7. Oktober mit großem propagandistischem Aufwand vor. Während in Berlin Feierlichkeiten in Anwesenheit von Gorbatschow und vielen anderen Regierungschefs abgehalten wurden, kam es in der ganzen DDR zu starken Protesten. Auch in Leipzig stand der 7. Oktober 1989 im Zeichen von offiziellen Jubelfeiern und offenem Protest der Bevölkerung.

Obwohl die Nikolaikirche an diesem Tag geschlossen war, versammelten sich, ohne dass dazu aufgerufen wurde, seit den Vormittagsstunden immer wieder Menschen auf dem Nikolaikirchhof und versuchten auf dem Ring zu demonstrieren. Die Menschenmenge wuchs zeitweise auf über 4.000 Personen an. Wie in vielen anderen Städten wurden an diesem Tag auch in Leipzig Demonstrationen gewaltsam aufgelöst. Die Polizei setzte Schlagstöcke sowie Hunde und erstmals auch Wasserwerfer ein – für die Bürger ein bis dahin unbekanntes Bild.

Es gab zahlreiche Verletzte und Festnahmen. Allein in Leipzig wurden 210 Personen unter menschenunwürdigen Bedingungen teilweise länger als 24 Stunden in Pferdeställen auf dem Gelände der Landwirtschaftsausstellung „agra“ in Leipzig-Markkleeberg eingesperrt. Am darauffolgenden Montag wollte das SED-Regime in Leipzig den „Spuk ein für alle mal beenden“ und hatte schon am 6. Oktober 1989 in einem Leserbrief in der Leipziger Volkszeitung den Einsatz von Schusswaffen offen angedroht.

Trotz großer Ängste demonstrierten am 9. Oktober 1989 nach Friedensgebeten in vier Leipziger Kirchen weit über 70.000 Bürger mit den Losungen „Keine Gewalt“ und „Wir sind das Volk“ gegen das Regime. Tausende waren extra nach Leipzig gereist. Angesichts dieser Massen mussten sich die 8.000 bereitstehenden Sicherheitskräfte zurückziehen. Der friedliche Verlauf des Abends wurde als Sieg über das Regime empfunden. Von nun an ergriffen Proteste das ganze Land.

Bei der Veranstaltungsreihe „Heute vor 30 Jahren: Leipzig auf dem Weg zur Friedlichen Revolution“ werden die jeweiligen Ereignisse aus dem Jahr 1989 und deren Hintergründe zunächst in einem einführenden Vortrag durch Tobias Hollitzer, Leiter der Gedenkstätte Museum in der „Runden Ecke“, beleuchtet. Im Anschluss kommen Zeitzeugen unter der Moderation von Reinhard Bohse vom Bürgerkomitee Leipzig e.V. über das damalige Geschehen, aber auch über dessen Bedeutung für die heutige Gesellschaft miteinander und mit dem Publikum ins Gespräch. Veranstaltungsort ist der ehem. Stasi-Kinosaal der Gedenkstätte Museum in der „Runden Ecke“ (Nachbareingang, Goerdelerring 20). Eintritt frei.

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