Am 29.10.2020 wird eine Gedenktafel zur Erinnerung an die jüdische Familie Rotter in der Leipziger Innenstadt eingeweiht. Um 16.00 Uhr beginnt die Veranstaltung vor dem ehemaligen Rauchwarengroßhandel der Familie am „Brühl 33“.

Adolf Rotter gründete am 19. August 1920 gemeinsam mit ca. 50 weiteren Personen den jüdischen Sportklub (SK) „Bar Kochba“ Leipzig, für den er fortan als 1. Vorsitzender tätig war. Der Sportklub stellte eine Ergänzung zum bisherigen „Jüdischen Turn- und Sportverein“ (JTSV) Bar Kochba Leipzig e.V. dar und war insbesondere für seine Fußballabteilung bekannt.

Adolf Rotter war nicht nur Mitgründer des SK, sondern übernahm nach der Zusammenführung von JTSV und SK auch die Funktion des Vorsitzenden und späteren Ehrenvorsitzenden des gesamten Vereins. Auch seine Söhne waren in das Vereinsgeschehen involviert oder partizipierten aufgrund ihrer eigenen Fußballbegeisterung als Fußballspieler im Sportklub. Bis zur durch das NS-Regime erzwungenen Selbstauflösung des Vereins Bar Kochba Leipzig im Jahr 1939 stellte der SK eine der erfolgreichsten Fußballmannschaften in ganz Deutschland.

Neben seinem Engagement für den jüdischen Sport war Adolf Rotter auch für seine Arbeit als Kaufmann und Rauchwarengroßhändler bekannt. Seit 1903 führte er seine „Rauchwarengrosshandlung und Kommission“, deren Betrieb auch von seiner Ehefrau Eugenie Rotter (geb. Hein) sowie von seinen vier Söhnen Fritz Egon, Curt, Otto und Karl Josef unterstützt wurde.

Durch die Anbringung einer Gedenktafel an der Fassade des Gebäudes, welches sich heute am ehemaligen Standort der Rotterschen Rauchwarenhandlung im Leipziger Zentrum befindet, soll einerseits an die Arbeit sowie an das Engagement der Familie innerhalb der jüdischen Gemeinde erinnert und andererseits das Schicksal der Familie bedacht werden.

Unter dem nationalsozialistischen Regime wurden alle Familienmitglieder, bis auf den bereits 1930 verstorbenen Adolf Rotter, aufgrund ihrer Zugehörigkeit zur Israelitischen Religionsgemeinde verfolgt, zur Flucht gezwungen, in Konzentrationslager deportiert oder ermordet.

Die Einweihung der Gedenktafel stellt den Abschluss eines einjährigen erinnerungskulturellen Jugendprojektes dar, welches der Leipziger Erich-Zeigner-Haus e.V. initiierte und gemeinsam mit dem Neuen Nikolaigymnasium Leipzig durchführte. Die Eröffnung des Sportareals des Bar Kochba Leipzig e.V. in der Delitzscher Straße am 29. Oktober vor 98 Jahren ist neben der 100 Jahre zurückliegenden Gründung des Sportklubs durch Adolf Rotter ein weiterer Anlass für die feierliche Enthüllung der Gedenktafel an eben diesem Tag.

Nachdem 2018 bereits in Zusammenarbeit mit dem DGB-Stadtverband und dem Tüpfelhausen e.V. zur Erinnerung an die Zerstörung der Geschäftsstelle des SK Bar Kochba in der Elsterstraße 7 eine Gedenkstele errichtet worden war, wurde auch eine intensivere Recherche zur Geschichte der jüdischen Familie Rotter angeregt, der sich nun in diesem Jahr die Schülerinnen und Schüler der Klassenstufen 10-12 des Neuen Nikolaigymnasiums angenommen hatten.

Trotz erschwerter Bedingungen bei der Projektdurchführung im Zuge der Corona-Pandemie gelang den Jugendlichen die Rekonstruktion der persönlichen Familiengeschichte des Vereinsgründers Adolf Rotter durch eine intensive Auseinandersetzung mit originalen Unterlagen aus dem Leipziger Staatsarchiv. Für das kommende Jahr ist bereits ein weiteres Projekt geplant: für die Mitglieder der Familie Rotter sollen voraussichtlich sieben Stolpersteine verlegt werden.

Die feierliche Einweihungsveranstaltung wird von einem durch die Schülerschaft eigens vorbereiteten kulturellen Rahmenprogramm sowie von einigen Redebeiträgen begleitet. Neben den Schülerinnen und Schülern selbst wird dabei auch die ehemalige Direktorin des Leipziger Sportmuseums, Frau Dr. Gerlinde Rohr, näher auf die Bedeutung des Projektes, des SK sowie der Familie eingehen. Erst kürzlich hatte Frau Dr. Rohr gemeinsam mit dem Historiker und Politikwissenschaftler Yuval Rubovitch ein Buch zur Geschichte des jüdischen Sportvereins Bar Kochba Leipzig publiziert.

Zur Teilnahme an der feierlichen Gedenktafeleinweihung am 29. Oktober um 16 Uhr am „Brühl 33“ wird herzlich eingeladen. Die Veranstaltung findet draußen und unter Berücksichtigung der zu diesem Zeitpunkt gültigen Auflagen zum Infektionsschutz statt.

Das Projekt wurde in Zusammenarbeit mit dem IG Bauen-Agrar-Umwelt, Bezirksverband Leipzig/NWS durchgeführt und von der Holger-Koppe-Stiftung gefördert.

Mit Sportgeist gegen die Entrechtung: Die viel zu kurze Geschichte des jüdischen Sportvereins Bar Kochba

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