Holger Mann, Landtagsabgeordneter im Leipziger Norden und SPD-Stadtvorsitzender: Am morgigen 20. März ist für fast 450 Mitarbeiter/-innen bei Durstexpress Leipzig der letzte Arbeitstag. Das bedauere ich sehr.

Mich ärgert, dass sich weder der Dr. Oetker-Konzern noch die Flaschenpost AG auf verbindliche Verhandlungen für einen geordneten Betriebsübergang – wie er von den Mitarbeiter/-innen, der Gewerkschaft NGG und u.a. der SPD Leipzig gefordert wurde – eingelassen hat.  Auch auf ein Vermittlungsangebot des sächsischen Arbeits- und Wirtschaftsministers Martin Dulig wurde nicht eingegangen.

Stattdessen wurde den Durstexpress-Mitarbeiter/-innen nahegelegt, sich auf Stellen mit schlechteren Arbeitsbedingungen bei Flaschenpost zu bewerben. So vergibt Flaschenpost eine Vollzeittätigkeit häufig nur mit 26 Wochenarbeitsstunden und laufen auch für langjährige Mitarbeiter/-innen erneut Probe- und Bewährungszeiten.

Auf diesem Weg wird offensichtlich auch die Entstehung gewählter Arbeitnehmer/-innenvertretungen unterbunden. Der Fall einer versuchten Betriebsratsgründung in Dresden zeigt: Wer sich organisiert, dessen Arbeitsvertrag läuft zeitnah aus oder bekommt nicht mehr als 26 Arbeitsstunden wöchentlich und kann so vom Lohn kaum leben.

Angesichts der guten Auftragslage bei Getränkelieferdiensten und den steigenden Umsätzen während der Corona-Pandemie wäre ein fairer Interessenausgleich möglich gewesen. Wer nach Berichten 800 Millionen Euro für das Aufkaufen eines Konkurrenten zahlt, sollte auch zu seinem Wort stehen und die Mehrheit der Mitarbeiter/-innen der eigenen Tochter Durstexpress übernehmen.

Stattdessen aber wird die Verdrängung des nationalen Konkurrenten und zunehmende Monopolisierung von Marktmacht im Direktvertrieb von Getränken auf dem Rücken der eigenen Mitarbeiter ausgetragen. So hat Flaschenpost in den letzten Monaten gleichzeitig auf dem freien Markt Arbeitskräfte für den Leipziger Standort angeworben. Das ist das Gegenteil von Respekt und Anerkennung der von den Mitarbeiter/-innen bei Durstexpress über Jahre erbrachten Leistungen.

Dass das letzte Kapitel der Mitarbeiter/-innen der Dr. Oetker-Tochter Durstexpress Leipzig vermutlich kommender Woche vor dem Arbeitsgericht geschrieben wird, ist bitter und unnötig. Denn nach meinem Eindruck war die NGG jederzeit zu verbindlichen Verhandlungen über die Bedingungen eines fairen Übergangs der Arbeitnehmer zu Flaschenpost bereit.

Hintergrund:

Anlass für die am 22. März wirksam werdende Massenkündigung ist die Abwicklung des Betriebsstandortes von Durstexpress Leipzig nach der Übernahme von Flaschenpost durch die Dr. Oetker KG.

Diese schließt nun den Standort und entlässt die 450 Arbeitnehmer/-innen ihrer Tochter Durstexpress und werden parallel beim übernommenen Unternehmen Flaschenpost Kapazitäten aufgebaut.

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