Die Mitglieder des Stadtbezirksbeirats Leipzig-Süd haben mehrheitlich ein gemeinsames Positionspapier zu den Ereignissen in der Silvesternacht 2021 / 22 beschlossen. Darin kritisieren sie unter anderem den massiven Polizei-Einsatz im Stadtteil Connewitz.

Dazu erklärt Jürgen Ackermann, Vertreter für Bündnis 90/Die Grünen im SBB Süd: „Während vermeintliche „Spaziergänger/-innen“ seit Wochen in Sachsen ungehindert menschenfeindliche Parolen verkünden dürfen und nicht vor Bedrohungen gegenüber Politiker/-innen und Angriffen auf Pressevertreter/-innen zurückschrecken, ohne dass darauf nennenswerte Reaktionen erfolgen, wird erneut versucht, einen ganzen Stadtteil massiv einzuschüchtern.

Statt einer polizeilichen Gefahrprognose, die offensichtlich einzig auf einer längst überholten Hufeisentheorie basiert und damit erneut „sächsische Verhältnisse“ zeigt, wünsche ich mir einen vorurteilsfreien Blick auf einen Stadtteil und seine Bewohner/-innen.“

„Viele Menschen im Viertel sind genervt von den ständigen und völlig überzogenen Polizeieinsätzen, sei es durch permanente Hubschraubereinsätze oder wie zuletzt an Silvester. Mit Blick auf die weiteren Polizeieinsätze im Rest der Stadt Leipzig zum Jahreswechsel wird klar deutlich, dass hier mit zweierlei Maß gemessen wird. Dafür habe ich kein Verständnis.“ ergänzt Marco Rietzschel, Vertreter der SPD.

Abschließend erklärt Susanne Scheidereiter, Vertreterin für Die Linke im SBB Süd: „Für ein friedliches Miteinander auch an Silvester ist es sicherlich richtig, dass die Polizei in allen Stadtteilen Leipzigs präsent ist. In Connewitz wurde dies offensichtlich etwas zu ernst genommen. Man konnte hier seit den Nachmittagsstunden ein Großaufgebot seitens der Ordnungskräfte erleben, welches gerade auch für die Anwohner und Anwohnerinnen beängstigend wirken konnte und Einschränkungen der Bewegungsfreiheit mit sich brachte.

Teile des Connewitzer Kreuzes wurden eingegittert, Einsatzfahrzeuge wurden aufgefahren. Damit konnte auf jeden Fall kein höheres Sicherheitsgefühl erzeugt werden. Zukünftig sollte bitte über einen angemessenen Polizeieinsatz im Leipziger Süden nachgedacht werden, um diesen linken Stadtteil nicht zu diskriminieren und auch Ressourcen seitens der Polizei zu schonen.“

Statement SBB Süd zum Polizeieinsatz in der Silvesternacht

Für einen vielfältigen Leipziger Süden und ein Ende der Stigmatisierung

Die Corona-Pandemie geht nun ins mittlerweile dritte Jahr. Zum Schutz jedes und jeder Einzelnen und damit zum Schutz aller Menschen in unserer Gesellschaft wurden in der Vergangenheit umfangreiche Einschränkungen im Rahmen von Beschlüssen des Landes durch die Corona-Schutzverordnung beziehungsweise die Corona-Notfallverordnung erlassen. Wir unterstützen diese Maßnahmen, die dem Gesundheitsschutz dienen. Diese waren und sind notwendig, stellten jedoch gleichzeitig immer wieder eklatante Grundrechtseingriffe dar.

Es darf daher keinen Automatismus geben, diese Regelungen immer wieder zu verschärfen und pauschal zu verlängern. In diesem Zusammenhang sehen wir insbesondere die Einschränkung der Versammlungsfreiheit kritisch. Gerade im Leipziger Süden gibt es ein Vielzahl politischer Initiativen und Gruppen, die ihre Forderungen mittels Demonstrationen zu ganz verschiedenen Themen auf die Straße trägt.

Dass politische Themen und Anliegen auch in Pandemie-Zeiten auf die Straße getragen werden, ist ein Grundsatz der demokratischen Gesellschaft, zu dem wir uns klar bekennen. Selbstverständlich mit Abstand und Masken.

In der Silvesternacht 2021 / 2022 wurden die Beschränkungsmaßnahmen durch den Freistaat Sachsen und insbesondere auch die Stadt Leipzig nochmals verschärft. Es galt ein Verbot zum Feiern auf öffentlichen Plätzen und ein Alkoholverbot in einigen Bereichen der Stadt, u.a. auf der gesamten Karl-Liebknecht-Straße und am Connewitzer Kreuz. Bereits ab den Nachmittagsstunden war die Polizei sehr stark im Stadtteil Connewitz präsent.

Wir verwehren uns nachdrücklich gegen die damit einhergehende und fortdauernde Stigmatisierung eines ganzen Stadtteils und seiner Bewohner/-innen. In der öffentlichen Debatte wurde und wird mit oft pauschalen Aussagen ein ganzer Stadtteil als kriminell und gewalttätig dargestellt, was in der Konsequenz offenbar auch zu einem teils martialischen Auftreten der Polizeikräfte führte.

Das dadurch vermittelte Bild ist unserer Meinung nach in keinster Weise zutreffend. Wir möchten nicht, dass alle Menschen in Connewitz pauschal in Mitverantwortung für Handlungen genommen werden, die einige Wenige befürworten oder ausführen. Die Anwendung von Gewalt ist für uns kein legitimes Mittel zur Durchsetzung politischer Ziele. Ebenso lehnen wir Gewalt gegen Unbeteiligte durch Polizeikräfte ab.

Vor dem Hintergrund der seit mehreren Wochen und Monaten in Sachsen stattfindenden sog. „Corona-Spaziergänge“, bei denen oftmals kaum Polizei präsent ist und bei denen die Teilnehmer/-innen zwar ganz klar Ordnungswidrigkeiten oder sogar Straftaten begehen, dies aber regelmäßig keine Konsequenz zu haben scheint, stellen wir uns die Frage warum dann offenbar in Connewitz ein derartiger Polizei-Einsatz mit Hubschraubern, Wasserwerfern und umfangreicher Technik nötig und möglich war. Wie schon im letzten Jahr haben viele Menschen Silvester im kleinen Kreis Zuhause gefeiert. Auch in Connewitz. Ein derartiges Auftreten der Polizei war aus unserer Sicht wohl kaum verhältnismäßig und vermutlich auch nicht gerechtfertigt.

Seit der Silvesternacht 2019/2020, der sich daran anschließenden bundesweiten Berichterstattung und öffentlichen Debatte haben wir uns als Stadtbezirksbeirat Süd mehrfach mit der Thematik der Polizeieinsätze und der Präsenz weitere Ordnungskräfte der Stadt Leipzig im Stadtteil Connewitz auseinandergesetzt. Bereits im Januar 2020 haben wir uns als Stadtbezirksbeirat Süd klar zur Versammlungsfreiheit und gegen eine weitere Stigmatisierung, insbesondere des Leipziger Südens und der hier lebenden Menschen, positioniert.

Außerdem fand ein öffentliches Gespräch mit dem ehemaligen Leipziger Polizeipräsidenten Herrn Schulze sowie dem Ordnungsbürgermeister Herrn Rosenthal im Oktober 2020 mit dem Stadtbezirksbeirat Süd statt. Vonseiten der Polizei wird immer wieder eingefordert, dass die Akteur/-innen vor Ort gesprächsbereit sind. Warum trotz unseres Vorschlags vom Oktober 2020 auch in dieser Silvesternacht offensichtlich keine Kommunikationsbeamt/-innen in Connewitz im Einsatz waren, bleibt unklar.

Leider müssen wir außerdem zur Kenntnis nehmen, dass trotz mehrfacher Versuche von Seiten des SBB Süd leider bis heute kein Gespräch mit dem zuständigen Revierleiter des Polizeireviers Leipzig-Südost oder den Polizeibeamten in der Außenstelle in Connewitz zu dieser Thematik stattfand. Dies bedauern wir sehr. Unseren Wunsch nach einem Austausch erhalten wir selbstverständlich aufrecht.

12.Januar 2022

Mehrheitlichbei zwei Enthaltungenbeschlossen.

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