Der Antragsteller, der seit 2010 über eine Gaststättenerlaubnis für den Betrieb einer Schank- und Speisewirtschaft in Staupitz (Ortsteil von Torgau) verfügt, wendet sich gegen die Untersagung seines Gaststättengewerbes und anderer Gewerbe. In seiner Gaststätte fanden zahlreiche Konzerte als rechtextremistisch eingestufter Musikgruppen statt.

Nach Erkenntnissen der Verfassungsschutzbehörden sei es im Rahmen dieser Konzertveranstaltungen vielfach zu Straftaten – wie z. B. „Sieg-Heil“-Rufen oder dem Zeigen des Hitlergrußes – gekommen, ohne dass der Antragsteller in seiner Eigenschaft als Ordner oder Veranstalter eingeschritten sei.

Nachdem das Landesamt für den Verfassungsschutz im Freistaat Sachsen (LfV) diese Erkenntnisse enthaltende Behördenzeugnisse dem Landkreis Mittelsachsen übermittelt hatte, untersagte dessen Ordnungsamt dem Antragsteller mit Bescheid vom 10. Februar 2023 das Gewerbe „Gaststätte mit Tanzveranstaltungen“ und jedes weitere Gewerbe; für den Fall der Zuwiderhandlung wurde ein Zwangsgeld von je 3.000,- € angedroht.

Das Verwaltungsgericht hat den Eilantrag des Antragstellers hinsichtlich der Untersagung des Gaststättengewerbes abgelehnt und ihm hinsichtlich der Untersagung anderer Gewerbe stattgegeben.

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss, soweit er die Untersagung des Gaststättengewerbes betrifft, hatte beim Sächsischen Oberverwaltungsgericht Erfolg. Das Gericht hat im Beschluss vom 4. Dezember 2023 die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs hinsichtlich des Gaststättengewerbes wiederhergestellt, sodass auch die Untersagung des Gaststättengewerbes einstweilen nicht vollzogen werden darf.

Ausschlaggebend für die Entscheidung war, dass die Erkenntnisse über mögliche Straftaten bei den Konzerten, die in den Behördenzeugnissen des Bundesamts für den Verfassungsschutz (BfV) und des LfV enthalten waren, weder von der Gaststättenaufsicht des Antragsgegners noch vom Gericht verwertet werden dürfen.

Das Sächsische Oberverwaltungsgericht orientiert sich dabei an den Maßstäben, die das Bundesverfassungsgericht für Übermittlung und Verwendung von mit nachrichtendienstlichen Mitteln erhobenen Daten in seinen Entscheidungen insbesondere zum Bayerischen Verfassungsschutzgesetz und zum Bundesverfassungsschutzgesetz aufgestellt hat (BVerfG, Urt. v. 26. April 2022 – 1 BvR 1619/17 – u. v. 20. April 2016 – 1 BvR 966/09 -).

Danach sei die Übermittlung nachrichtendienstlich erhobener Daten an die Ordnungsbehörden und die Verwendung dieser Daten durch die Ordnungsbehörden nur zur Abwehr besonders schwerer Straftaten, wie sie in § 100c Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 100b Abs. 2 StPO genannt seien, zulässig, nicht aber zur Abwehr der hier in Rede stehenden Straftaten, die nach § 86a StGB (Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen), und § 130 StGB (Volksverhetzung) mit Strafe bedroht seien. Dies gelte jedenfalls solange wie spezifische verfassungskonforme Datenübermittlungs- und Verwendungsvorschriften fehlten.

Verfassungsschutzbehörden unterschieden sich von Polizei- und Ordnungsbehörden dadurch, dass sie nach geltendem Recht keine polizeilichen Befugnisse hätten. Die Aufgabe der Ordnungsbehörden, Straftaten zu verhüten und zu verhindern sowie sonstige Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung abzuwehren, sei geprägt von der Befugnis, gegenüber Einzelnen Maßnahmen erforderlichenfalls auch mit Zwang durchzusetzen.

Demgegenüber komme Verfassungsschutzbehörden die Aufgabe zu, Aufklärung im Vorfeld von Gefährdungslagen zu betreiben. Dies spiegele sich in einer Beschränkung ihrer Befugnisse wider: Polizeiliche Befugnisse hätten sie nicht, dafür aber sehr weitreichende Überwachungsbefugnisse mit niedrigen Eingriffsschwellen.

Die weitreichenden Überwachungsbefugnisse der Verfassungsschutzbehörden könnten verfassungsrechtlich nur gerechtfertigt werden, wenn die aus der Überwachung gewonnenen Informationen nicht ohne Weiteres an andere Behörden mit operativen Anschlussbefugnissen, wie die Polizei oder Gaststättenaufsicht, übermittelt und verwendet werden dürfen („informationelles Trennungsprinzip“).

Ansonsten böte der Umstand, dass die Verfassungsschutzbehörde selbst nicht über operative Anschlussbefugnisse verfüge, den vom Verfassungsschutz Überwachten am Ende doch kaum Schutz: Die der Verfassungsschutzbehörde verschlossenen eingriffsintensiven Folgemaßnahmen, wie die Gaststättenuntersagung, könnten dann von operativ ausgestatteten Polizei- und Ordnungsbehörden durchgeführt werden, die dabei die durch die Verfassungsschutzbehörde erlangten Informationen weiternutzten, ohne dass die für sie selbst als operative Behörden geltenden engeren Datenerhebungsvoraussetzungen erfüllt sein müssten.

Im Freistaat Sachsen folge dies auch aus dem in Art. 83 Abs. 3 Satz 1 SächsVerf ausdrücklich normierten Trennungsgebot zwischen Verfassungsschutz und Polizei. Nach der Vorschrift unterhält der Freistaat keinen Geheimdienst mit polizeilichen Befugnissen.

Da über die nicht verwertbaren Erkenntnisse der Verfassungsschutzbehörden hinaus keine Gründe vorlägen, die auf eine Unzuverlässigkeit des Antragstellers hindeuteten, könne seine Unzuverlässigkeit nicht festgestellt werden, weshalb sein Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gegen die Untersagung Erfolg habe.

Der Beschluss im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes, gegen den kein Rechtsmittel gegeben ist, kann in der Entscheidungsdatenbank des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts (https://www.justiz.sachsen.de/ovgentschweb/) abgerufen werden.

SächsOVG, Beschl. v. 4. Dezember 2023 – 6 B 55/23 –

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