Im Stadtbezirksbeirat ist man recht sauer über die Vorgänge rund um die eigentlich für 2013 angekündigten Sanierungsmaßnahmen am Soziokulturellen Zentrum "Anker". Darüber berichtete die L-IZ schon. Aber bei seiner jüngsten Sitzung am 7. Februar ging das ehrenamtliche Gremium noch einen Schritt weiter: Es beantragt die Übernahme der zusätzlichen Kosten durch das Baudezernat. Nach dem Verursacherprinzip.

Behandelt werden soll der Antrag erstmals am 12. März in der Dienstberatung. Und der Antrag wiegt um so schwerer, als von sieben abstimmenden Stadtbezirksbeiräten auch sieben dafür gestimmt haben.

Wichtigster Beschlusspunkt ist natürlich, dass die für die Baumaßnahme Stadtteilzentrum Anker beschlossenen 3,1 Millionen Euro ohne jeglichen Abzug in den Haushalt 2014 übertragen und haushaltsjuristisch fixiert werden, wenn der Baubeginn nicht bis April 2013 erfolgen kann. Außerdem soll das Baudezernat verpflichtet werden, ausschließlich aus dem Dezernats-Haushalt alle durch das nicht den Stadtratsbeschlüssen folgende und fehlerhafte Planen und Vorbereiten des Baubeschlusses (DS V/2286) im Hochbauamt entstehenden Mehrkosten (nachträgliche Planungsarbeiten, Bauablaufveränderungen, Baubeginnverzögerung) zu übernehmen sowie alle dem freien Träger der Jugendsozialarbeit Anker e.V. in diesem Zusammenhang entstehenden wirtschaftlichen Nachteile (Einnahme-/Mietausfälle durch Bauzeitveränderung, Vertragsstrafen usw.) vollumfänglich auszugleichen.

Außerdem soll der Stadtrat einen Zeitweiligen Ausschuss einrichten, “der das gesamte Verwaltungshandeln sowie die fachliche Arbeit im Baudezernat bezüglich der vom Stadtrat politisch gewollten Gebäudesanierung des Stadtteilzentrums Anker seit dem 1. Dezember 2011 untersucht und dem Stadtrat öffentlich berichtet, inwieweit bewusst oder unbewusst gehandelt oder fachlich mangelhaft gearbeitet wurde und welche Schlussfolgerungen daraus gezogen werden, damit die Stadtverwaltung künftig Stadtratsbeschlüsse komplett und unverzüglich in Verwaltungshandeln und fachlich korrekt umsetzt.”

Die Begründung des Stadtbezirksbeirates liest sich entsprechend emotionsgeladen. Hier ist sie in voller Länge:

Der Stadtrat hat 2012 – wie in Abstimmung mit der Kämmerei beantragt – im Haushalt 2013 insgesamt 3,1 Millionen Euro für die Baumaßnahmen am Stadtteilzentrum Anker beschlossen. Diese Summe war Zielvorgabe für die 2012 im Hochbauamt der Stadt Leipzig selbst vorgenommene Planung. Mit der Vorlage des Anker-Baubeschlusses zeigte sich, daß die Planungsfachleute fehlerhaft gearbeitet haben. Die mit den Neu- und Umbaumaßnahmen u.a. notwendige Ertüchtigung der Elektroenergieversorgung fehlt. Da diese nun nicht in den 3,1 Mio Bausumme vorkommt, reicht diese Summe nicht.

Da die nötige Nachplanung den geplanten Baubeginn März 2013 unmöglich macht, steht der ursprünglich gewollte Baubeginn im Frühjahr auf der Kippe. Die Bauzeit war jedoch schon vor Planungsbeginn in Abstimmung mit dem Bauherren Kulturdezernat und dem Anker e.V. für Frühjahr bis Herbst 2013 vorgesehen. Denn nur im Sommerhalbjahr sind die wirtschaftlichen Auswirkungen (Wegfall der Einnahmequelle Konzerte und andere Kulturveranstaltungen im Saal!) auf den Träger der Jugendarbeit und Soziokultur Anker e.V. nicht existenzgefährdend.

Ein Baubeginn im Herbst eines jeden Jahres ist auch für die Stadt kontraproduktiv: Der Anker e.V. kann seine umfangreichen Jugendangebote nur mit der Erwirtschaftung von Eigenmitteln sichern. Die Förderung der Stadt deckt lediglich bis maximal 60 Prozent der dafür nötigen Kosten ab.

Außerdem wären im Winterhalbjahr der Neubau der Wolffstraße 2 und des Küchengebäudes kaum termingemäß zu sichern.

Da das Baudezernat bei extern vergebenen Planungen nach dem Verursacherprinzip handelt, muß es dieses auch für sich anerkennen und die Nacharbeiten und das fehlende Baugeld allein aus seinem Dezernatshaushalt zahlen und damit den vom Stadtrat beschlossenen Gebäudesanierungsauftrag Anker in vollem Umfang und termingemäß sichern.

Sollte eine Bauzeit im Winterhalbjahr – der Zeit, in der der Träger durch Konzerte, Weihnachts- und Faschingsveranstaltungen die größten Einnahmen erzielen kann! – liegen, müßten die Planungsexperten im Technischen Rathaus auch die Kompensation der wirtschaftlichen Verluste des Anker e.V. aus ihrem Haushalt übernehmen.

Wer Schaden verursacht, muß ihn begleichen – deshalb gibt es für Verwaltungsmitarbeiter im Gegensatz zu Wahlbeamten auch eine Amtshaftpflicht.

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Die öffentliche Darstellung der Situation durch den Baudezernent ist unwahr, denn weder Stadtrat noch Anker e.V. haben die Baumisere zu verantworten, sondern einzig und allein das inkompetente Arbeiten im Baudezernat ist der Grund für die – zum wiederholten Male! – aufgeschobene endgültige Sanierung der einzigen soziokulturellen Einrichtung im Stadtbezirk Nordwest.

Der Anker e.V. wurde und wird vom Baudezernat zu Zugeständnissen genötigt. Angesichts der Ankündigung, den Bau im Herbst 2013 zu beginnen, mußte die Geschäftsführerin des Anker e.V. einer Verlegung der Baumaßnahme komplett ins Jahr 2014 zustimmen, um ihrer Pflicht gemäß erheblichen Schaden vom Verein abzuwenden.

Wirtschaftlicher Schaden ist jedoch für den Anker e.V. bereits entstanden, da für April bis Oktober 2013 Veranstaltungs- oder Mietverträge nicht geschlossen werden konnten, um Baufreiheit zu gewährleisten. Die mit Bekanntwerden des nicht haltbaren Baubeginns im März 2013 begonnene Akquise von Veranstaltungen und Mietern wird die geschäftlichen Verluste nicht kompensieren, da solche Verträge branchenüblich nicht kurzfristig geschlossen werden können.

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