Angepackt haben wir Leipzigs Umweltbürgermeister Heiko Rosenthal (Die Linke) recht hart im Zusammenhang mit seiner Radtour mit Journalisten am 29. Oktober in die Burgaue. Kann man denn ein solch komplexes Projekt wie die "Lebendige Luppe" auf so einer Fahrt erklären? Kann man nicht wirklich. Das wurde auch am Mittwoch, 5. November, deutlich. Da erklärte Angela Zábojník, Projektleiterin für die "Lebendige Luppe" im Amt für Stadtgrün und Gewässer, den nächsten Schritt im Kontaktbüro "Lebendige Luppe".

Volles Haus meldete der NABU, rege Diskussion. Der nicht wirklich große Raum war vor allem gefüllt mit vielen ehrenamtlichen Umweltaktivisten aus Leipzig, die die Burgaue und die diversen Fließgewässer im Grunde wie ihre Westentasche kennen, einige von ihnen schon eng eingebunden in das Projekt “Lebendige Luppe” – und das schon seit Zeiten, als es noch gar nicht so hieß, als im Grünen Ring Leipzig erst einmal die Visionen entwickelt wurden für einen anderen Umgang mit dem Leipziger Auenwald. Denn zumindest darin sind sich Umweltvereine und Stadtverwaltung einig: Dem Leipziger Auenwald geht es nach 80 Jahren Kanalisierung und Abdeichung schlecht, richtig schlecht – die regelmäßigen Überflutungen fehlen, die alten Wasserläufe liegen zum großen Teil trocken und der Grundwasserspiegel ist in weiten Teilen der Aue dramatisch gesunken.

Alles Folge der technischen Eingriffe, die aus dem noch recht naturnahen Auensystem des 19. Jahrhunderts ein reguliertes Steuersystem gemacht haben. In Folge des Bergbaus wurden weite Abschnitte der Pleiße und der Weißen Elster kanalisiert, alte Mäander wurden begradigt, einstige Wildwasser abgeschnitten. Dafür entstanden breite Flutbecken, in denen das Wasser immer langsamer floss. Die Sedimente, die Pleiße und Elster mit sich führen, landen fast alle im breiten Elsterbecken und müssen regelmäßig und teuer abgebaggert werden.

Dafür fehlen sie in der Neuen Luppe, die sich hinterm Rosentalwehr in ihrem Kanalbett immer tiefer ins Gelände fräst. Ihre Flusssohle liegt mittlerweile so tief, dass sie wie ein Trichter auch das Grundwasser aus den benachbarten Auenbereichen abfließen lässt – der Auwald dort fällt trocken.

Der Streit zwischen Stadtverwaltung und Umweltverbänden entzündet sich vor allem an der Frage, wie man die Austrocknung der Auen beenden und wieder ein naturnahes Fließsystem herstellen kann. Ein Streit, der auch dadurch kompliziert wird, weil die Stadt Leipzig in der Aue nicht allein das Sagen hat, denn hoheitlich ist sie nur für Gewässer 2. Ordnung zuständig. Pleiße, Parthe und Weiße Elster (und damit auch die Elsternebenflüsse Nahle und Luppe) gehören zu Gewässern 1. Ordnung und unterstehen damit der Hoheit des Freistaats – und damit der Landestalsperrenverwaltung (LTV), die an der Weißen Elster eine eigene Politik verfolgt.

“Darauf haben wir keinen Einfluss”, sagte Angela Zábojník am Mittwoch auf entsprechende Nachfrage aus dem Publikum – in diesem Fall das Streitobjekt Nahleauslasswerk, das die LTV erst für 3 Millionen Euro wieder neu gebaut hat, betreffend. Das lassen wir einmal so stehen. Denn wenn die künftige sächsische Regierung die Aussagen im Koalitionsvertrag von SPD und CDU wirklich ernst nimmt, sollte sich in dieser Beziehung spürbar etwas ändern. Wenn nicht, ist der Vertrag nur heiße Luft.
Aber für die zurückliegenden Jahre, seit sich der Grüne Ring Leipzig und das Amt für Stadtgrün und Gewässer insbesondere mit der Nordwestaue beschäftigen, galt zumindest: Auf das, was mit Weißer Elster, Nahle und Neuer Luppe passierte, hatte das Amt keinen Einfluss. Wenn es etwas zur Revitalisierung der Burgaue tun wollte, mussten die Planungen außerhalb der Gewässer 1. Ordnung erfolgen. Da lag zumindest die Idee nah, die alten Fließgewässer westlich von Nahle und Neuer Luppe wieder zu funktionierenden Fließgewässern zu machen und dauerhaft Wasserzufluss in die Burgaue zu bringen.

“Es wird kein richtiger Fluss”, betonte Angela Zábojník am Mittwoch. Am liebsten verwendete sie den Begriff “unser kleiner Bach”. Auch wenn der Bach nicht ganz so klein wird, wenn alles funktioniert. Das aber ist zwar wahrscheinlich, aber noch nicht ganz sicher. Dass Heiko Rosenthal gern 2017 mit Bauen anfangen möchte, hat schlicht mit dem Förderzeitraum für das Projekt “Lebendige Luppe” zu tun: 2018 läuft dieser aus, dann muss zumindest ein erster Bauabschnitt gebaut sein. Dafür zumindest reichen die veranschlagten 10 Millionen Euro, von denen natürlich auch ein Teil für die Forschung (Universität und UfZ, für Planung, Modellierung und Projektierung und für die Öffentlichkeitsarbeit draufgehen). Tatsächlich stehen für die erste Bauetappe knapp 3,4 Millionen Euro für reine Bauleistungen zur Verfügung.

Davon kann erst einmal nur einer der drei Bauabschnitte von den 16 Kilometern auf Leipziger Grund verwirklicht werden. Insgesamt ist das Projekt, an dem auch die Stadt Schkeuditz beteiligt ist, natürlich noch größer. Bis zur Saale umfasst es über 40 Kilometer, der letzte Abschnitt auf sachsen-anhaltinischer Seite ist das alte Wildbett der Luppe. Aus dem Nachbarland schaut man also auch genau hin, wo und wie viel Leipzig zusätzliches Wasser in die Burgaue bringt – und wo es dann wieder abläuft.

Eins jedenfalls wird nicht passieren: dass einfach ein alter Flusslauf wieder befüllt wird. Das geht schon deshalb nicht, weil die meisten dieser Auenflüsse (nördliche und südliche Alte Luppe, Rote Luppe usw.) durch die Deiche der Neuen Luppe abgeschnitten sind. Siehe oben: Ins Gelände der Neuen Luppe darf Leipzig nicht eingreifen.

Also arbeite man, so Angela Zábojník, nun seit über zehn Jahren an der Idee, mit den kleineren alten Gewässerverläufen wieder ein funktionierendes Fließgewässer südlich von Nahle und Neuer Luppe hinzubekommen. Ein erster Ansatz dazu war der Ausbau des Burgauenbaches im Leutzscher Holz. Das Projekt endet bislang südlich der Kleinen Luppe. Der Burgauenbach unterquert in einem Düker den Eisenbahndamm. Da ist an “mehr Wasser” gar nicht zu denken. Deswegen ist diese Stelle ein Nadelöhr im Projekt “Lebendige Luppe”. “Und wir haben Glück, sagt Angela Zábojník, “dass auch die Bahn an dieser Stelle bauen will. Damit haben wir die Chance, unser Projekt in das Vorhaben der Bahn mit einzubringen. Und wenn es auch erst einmal nur als Planung ist.”

Denn wenn man über den Burgauenbach mehr Wasser von der Kleinen Luppe in die Burgaue bringen will (in geplanten Mengen zwischen 0,5 bis 2,5 Kubikmeter pro Sekunde), dann muss der Durchlass durch den Bahndamm deutlich aufnahmefähiger werden. Beim zweiten Bahndamm etwas weiter nördlich (der Güterbahn) sei der Durchlass nicht das Problem, so Angela Zábojník. Dort bekäme man schon jetzt mehr Wasser hindurch.

Auch das war eine Frage am Mittwochabend: Warum soll es unbedingt Wasser aus der Kleinen Luppe sein? Warum nicht aus Nahle oder Neuer Luppe? – Das Problem, so Angela Zábojník, sei die Wasserqualität. Während die Kleine Luppe bei Lindenau relativ sauberes Wasser aus der Weißen Elster bekommt, wäre das Wasser in Nahle und Neuer Luppe auch durch die Klärwerkabwässer aus dem Rosental und aus Markkleeberg belastet. Wenn schon Wasser in die Burgaue kommt, dann solle es auch möglichst sauberes sein.

Und nicht nur die beiden Bahndämme sind eine ingenieurtechnische Herausforderung. Insgesamt sind sieben solcher Komplexbauwerke zu bauen – zu den beiden Bahndämmen kommen auch noch fünf Kreuzungen mit Straßen hinzu, wo – wie an der Gustav-Esche-Straße – natürlich auch entsprechend größere Durchlässe geschaffen werden müssen. Und dazu kommen auf den gesamten 16 Kilometern noch rund 80 Kreuzungen mit Fuß-, Rad- und Reitwegen. “Wobei ich gleich dazu sage”, so Angela Zábojník, “dass es nicht überall Brücken geben wird.” Das wäre dann wirklich unbezahlbar.

Wie auch kleine Hochwasser in die Aue kommen sollen und was später noch folgen soll – dazu mehr in Teil 2 auf L-IZ.de:

Was wird denn nun im Projekt “Lebendige Luppe” gebaut: Teil 2 – mehr Grundwasser, kleine Hochwasser und das Große Ganze

www.Lebendige-Luppe.de

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