Da hilft alles Jammern nicht: Leipzig hat es selbst verbockt, dass das ehemalige Lehrlingswohnheim in der Friederikenstraße 37 in Dölitz für die Unterbringung von Asylsuchenden nicht zur Verfügung steht. Es ist ein Fall, in dem die Liegenschaftspolitik der Stadt in aller Blöße sichtbar wird. Und entsprechend grimmig klingen nun die Fragen, die die Linksfraktion an die Stadtverwaltung hat.

Die ist aus eigenen Erfahrungen mit der Geschichte der Friederikenstraße vertraut, denn sie hatte nicht nur darum gekämpft, aus dem Objekt ein neues Probenhaus für die zunehmend obdachlos werdende Leipziger Bandszene zu machen, sie hatte im Jahr 2012, als das Objekt noch der Stadt gehörte, auch einen entsprechenden Instandsetzungsantrag gestellt. Doch auf den Antrag ging die Verwaltung gar nicht erst ein, schrieb das Objekt lieber noch ein paar mal zum Verkauf aus. Zuletzt im Januar 2014.

Und auch in der Verkaufsphase gab es noch erhebliche Irritationen. Denn irgendwie kam das Liegenschaftsamt mit dem Gewinner der Ausschreibung, der Gartenstadt-Gesellschaft Hellerau AG, die immerhin 495.000 Euro geboten hatte, nicht so recht ins Gespräch, so dass Wirtschaftsbürgermeister Karsten Albrecht (CDU) am 26. Mai 2014 die Aufhebung der ersten Verkaufsvorlage beantragte, um den Verkauf an einen anderen Bieter, die KKS Project GmbH i.G., zu ermöglichen. 2014 – da war Leipzig schon mittendrin in der Diskussion um notwendige Unterkünfte für die zunehmende Zahl von Asylbewerbern. Doch innerhalb der Stadtverwaltung scheinen schon damals sämtliche Kommunikationen zwischen den Dezernaten, Ämtern und Mitarbeitern gekappt gewesen zu sein. Und so richtig scheint man auch im Grundstücksverkehrsausschuss nicht gemerkt zu haben, was man da eigentlich beschloss.

Denn am 7. Juli 2014 stand der Verkauf der Friederikenstraße 37 dort wieder zum Beschluss. Ein Vorgang, der die Linksfraktion jetzt erst so richtig vor Rätsel stellt.

Ihre Fragen zur Erstaufnahmeeinrichtung in Leipzig-Dölitz möchte die Fraktion nun von der Stadtspitze beantwortet bekommen, nicht nur mündlich, sondern auch schriftlich. Denn ohne die undurchsichtige Verkaufspolitik der Stadt hätte Leipzig kein Problem gehabt, in Dölitz neue Wohnmöglichkeiten für Asylbewerber zu schaffen. Und der Freistaat hätte andere Wege suchen müssen, um ein Objekt als Erstaufnahmeeinrichtung in Leipzig zu mieten.

“Am 28.1.2015 gab das Sächsische Innenministerium bekannt, dass ab Juli 2015 eine Interims-Erstaufnahmeeinrichtung für Asylsuchende in der Friedrikenstraße in Leipzig-Dölitz errichtet wird. Dort sollen 300 bis 350 Menschen unterkommen, bis die neue Erstaufnahmeeinrichtung in der Max-Liebermann-Straße in Leipzig-Gohlis fertig gebaut ist. In der folgenden Medienberichterstattung wurde deutlich, dass die Stadt von dieser Entscheidung völlig überrascht wurde”, stellt die Linksfraktion lakonisch fest, verweist auf die LVZ, die das Thema am 6. Februar thematisierte. In der L-IZ war es am 5. Februar zu lesen.

Und jetzt möchte die Linksfraktion gern aufdröseln, wer für dieses Tohuwabohu eigentlich verantwortlich ist, und fragt:

  1. Seit wann hatte die Stadt das besagte Objekt selbst ins Auge gefasst, um dort eine Flüchtlingsunterkunft einzurichten?
  2. Wieso erfolgte offenkundig keine ämterinterne Abstimmung bzw. kein geschlossenes Verwaltungshandeln, um den Standort als Unterbringungseinrichtung für die Stadt zu sichern?
  3. Wieso wurde in der Sitzung des Grundstücksverkehrsausschusses am 7. Juli 2014 der Verkauf des Objektes an die KKS Project GmbH i.G. beschlossen, nachdem zunächst in der Ausschusssitzung am 17. Juni 2013 der Oberbürgermeister beauftragt worden war, mit einem anderen Höchstbietenden Kaufverhandlungen aufzunehmen?
  4. Inwieweit wird die Stadt Leipzig an Informations- und Kommunikationsprozessen die Interims-Erstaufnahmeeinrichtung betreffend und an der Ausgestaltung des Betriebs der EAE durch Landesregierung/Landesdirektion beteiligt?
  5. Wer vertritt die Stadt Leipzig im so genannten Lenkungsausschuss Asyl?
  6. Welche Akteure aus Leipzig sind in der so genannten Verbändeversammlung Asyl vertreten?

Die letzten beiden Fragen könnten dann vielleicht klären, warum die verantwortlichen Ämter in Leipzig nicht rechtzeitig davon erfuhren, dass der Freistaat beim Objekt Friederikenstraße aktiv geworden war.

Aber das Objekt ist auch deshalb von lauter Rätseln umgeben, weil es in der Vergangenheit immer wieder Interessenten aus Leipzig gegeben hat, die dort wirklich etwas Eigenes auf die Beine stellen wollten. 2010 hatte sich der Verein Waldorfpädagogik und Inklusion Leipzig e. V. darum bemüht, in dem Objekt eine inklusive Waldorfschule unterzubringen. Die Grünen hatten dazu extra angefragt. Der Vorstoß lief ins Leere. Im April 2014 hatte die Linksfraktion noch einmal einen Vorstoß unternommen, den Standort für die Leipziger Kulturszene zu sichern. Sie hatte auch explizit angefragt, ob das Liegenschaftsamt, bevor es wichtige Objekte verkauft, nicht gezwungen werden könnte, den eigenen städtischen Bedarf vorher über einen Prüfkatalog zu berücksichtigen.

Aber eines scheint nach nun einer ganzen Reihe von unabgestimmten Verkaufsfällen durch das Liegenschaftsamt ziemlich offensichtlich: Strategisch oder gar irgendwie mit den eigenen drängenden Problemen der Stadtpolitik verknüpft ist die Verkaufspolitik im Liegenschaftsamt nicht. Der normale Leipziger draußen vorm Tor fasst so etwas normalerweise in die Worte: Da weiß die linke Hand nicht, was die rechte tut.

Die Vorlage des Wirtschaftsdezernats zum Verkauf der Friederikenstraße 37 vom Mai 2014 als pdf zum Download.

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Es gibt 9 Kommentare

Lieber Klaus
Ich glaube wirklich, dass die Menschen, Bürger, Wähler heute klarer sehen (als vor 25 Jahren).
Von Absolutheit halte ich nichts. Für mich gibt es keine Superlative, da diese oft nur Sprachlosigkeit kaschieren. Nichts ist absolut, total, grundsätzlich etc.pp..
Die Welt ist variabel und unbeständig durch und durch.
Witzelt nennt sein Tun selbst “pöbeln”. Es ging ihm nie um das Aufzeigen von Lösungswegen. Den Lesern hilft es (und darum ging es mir bei der Empfehlung / ggf. auch ihm beim Schreiben) nicht zu vergessen.
Und leider nein, zu Ihrem Buch bin ich noch nicht durchgedrungen.

“Die Zeit, auf welche Sie sich beziehen, liegt ein viertel Jahrhundert zurück. Fünfundzwanzig Jahre – in der Politik, in der Stadtverwaltung eine Ewigkeit.”

Das ist nur bedingt richtig. Gehen Sie davon aus, dass dort die Grundlagen zur Bildung von Königreichen und Fürstentümern geschaffen wurden, also keine demokratischen Verwaltungen – bis heute. Für Außenstehenden schwer erkennbar. In den nun knapp 25 Jahren der Wiedervereinigung ist ein Filz zwischen Politik, Justiz, Behörden, u.s.w. entstanden, der unwürdig und skandalös ist. Auch deshalb sind rund 50,0 % der Bürgerinnen und Bürger nicht zur Wahl. Noch Fragen?

“Doch das ist längst vorbei, die Menschen sehen wieder klarer.” Ich bewundere ihre Einstellung, die ich (leider) in dieser Absolutheit nicht bestätigen kann.

Was das Buch von Holger Witzel betrifft, schließe ich mich Ihrer Ansicht nicht an. Sicher liest es sich nicht schlecht, aber mir fehlt das Aufzeigen von Lösungswegen. Aber das war wahrscheinlich auch vom Autoren gar nicht vorgesehen. Haben Sie übrigens mein Buch “Fianzrevisor Pfiffig aus der DDR” gelesen?

Hallo Klaus,
zu Ihrer ersten Anmerkung: Die Zeit, auf welche Sie sich beziehen, liegt ein viertel Jahrhundert zurück. Fünfundzwanzig Jahre – in der Politik, in der Stadtverwaltung eine Ewigkeit.
Und ja, natürlich setzte die damalige Situation niederes Streben nach einem Hauch von Macht und falscher Anerkennung, schnellem Geld und anderem schmierigem in uns frei.
Das Licht vor unseren Augen war grell und blendete, verblendete.
Doch das ist längst vorbei, die Menschen sehen wieder klarer.

Zweite Anmerkung: Und ja, natürlich kommen es auch kluge Menschen von andernorts. Nehmen wir Herrn Schneider aus dem Taunus, der die einmalige Schönheit der Leipziger Passagenwelt erkannte und sie respektvoll sanierte. (Kostenfaktor für Leipzig = Null Euro 🙂

Zu Ihrer dritten Anmerkung: „…nicht erlauben kann, alle Objekte, die nicht für bzw. nicht mehr für die Aufgaben der Stadt…“. Wie wir erleben, steckt hier genau der Fehler. Es war 2012 schon absehbar, dass Bedarf besteht und doch wurde verkauft. Gegen jede Vernunft.

Zu Ihrem letzten Absatz beglückwünsche ich Sie, denn in ihm bedienen Sie sich der einzig wahren Wortwahl (wenn auch zögerlich).

Ich habe gelernt die Dinge beim Namen zu nennen.
Lesen Sie dieses Buch und es wird Ihnen nicht anders gehen. http://www.l-iz.de/bildung/buecher/2015/02/holger-witzel-heul-doch-wessi-74662

Gegen das Vergessen hilfreich auch dieses: https://www.youtube.com/watch?v=gsu0jkxso2s&spfreload=10

Leipzig war immer eine Stadt kluger Köpfe und das ist sie noch heute. Nur aus sich heraus kann sie wieder aufstehen und werden.

“Hätten wir einen einheimischen Bürgermeister, würde dieser wohl kaum wie von Sinnen zulassen, dass unfähige Bedienstete Liegenschaften, Grundstücke und Firmen veräußern, als wäre dies alternativlos.”

Folgende Bemerkung dazu.Nach der Wiedervereinigung wurden die oberen Posten (z.B. Bürgermeister, Landräte. Beigeordnete) in öffentlichen Verwaltungen vorwiegend mit Vertretern der damalige Blockparteien und Kirchen besetzt. Das waren demzufolge vorwiegend “einheimische” Personen. Viele davon haben ihr Amt schamlos missbraucht. Ihr Vertrauen in einheimische Personen ist demnach so pauschal nicht berechtigt. Die Macht der D-Mark hatte plötzlich aus vielen Menschen, die in diese Positionen gewählten wurden, “scheinheilige Brüder und Schwestern” gemacht, die sich untereinander gedeckt haben, wie die Karnickel. Hier natürlich nicht sexuell gemeint. Sie haben fast täglich auf die ehemaligen roten Socken geschimpft und waren bzw. sind um keinen Deut besser. Ich schreibe das deshalb, weil es keine Einzelfälle waren. Ich habe alles hautnah miterlebt bzw. miterleben müssen. Mein Gedächtnis funktioniert noch hervorragend.

Ich habe übrigens sehr viele hervorragende Mitarbeiter in Verwaltungen aus den alten Bundesländer kennen gelernt. Andererseits auch viele Blender und Betrüger.

Noch etwas zur Problematik Ausverkauf. Bitte beachten Sie dabei, dass es sich auch eine Stadt wie Leipzig finanziell gar nicht erlauben kann, alle Objekte, die nicht für bzw. nicht mehr für die Aufgaben der Stadt benötigt werden, zu unterhalten. Das wäre unverantwortlich.

Richtig ist jedoch, dass die “Immobilienproblematik” hochexplosiv ist. Gehen Sie davon aus, dass “Aasgeier” ein harmloser Begriff dafür ist, was nach der Wiedervereinigung speziell in Leipzig und Umgebung geschah und wahrscheinlich weiter geschieht. Jetzt geht es vorwiegend um Filetstücke und um Geldwäsche, worüber jedoch keiner spricht. Ein schwer bespielbares Feld.

Lieber Klaus,
sollte Ralf Julke einen Buchstaben verwechselt haben, wird er das sicher noch korrigieren.
Der Möglichkeiten gibt es viele http://www.monetas.de/htm/1145/de_DE/Deutsche-Firmen-14-14713-KK.htm?bundesland=14&kreis=14713&letter=KK.
Dennoch glaube ich an nichts Gutes mehr.

Sollen wir nur noch (sprachlich höflich) zusehen, wie unsere Stadt ausgeplündert wird?
Hätten wir einen einheimischen Bürgermeister, würde dieser wohl kaum wie von Sinnen zulassen, dass unfähige Bedienstete Liegenschaften, Grundstücke und Firmen veräußern, als wäre dies alternativlos.
Leipzig hat keinen Grund, seine Substanz zu verjubeln.

Wer kann diesem bösartigen Treiben ein Ende bereiten?

Danke. Ich bin mir noch nicht sicher, ob ihr Hinweis richtig ist. Es scheint nämlich in Hessen etwas zu geben, was unter KKS Project …auftaucht. Ich gehe davon aus, dass Herr Julke den Namen der GmbH – also Project mit c – richtig geschrieben hat.

Ein kleiner Hinweis zu solchen Formulierungen wie “billig verhökert bzw. erschlichenes Grundstück”. Mir ist bewusst, wie Sie das meinen. Auch ich bin der Wahl meiner Worte nicht bzw. nicht mehr sehr zimperlich. Trotzdem empfehle ich, nicht gleich in die vollen zu gehen. Danke für Ihr Verständnis zu meinen gut gemeinten Hinweis.

Ich habe in der Zwischenzeit aus Neugier versucht herauszufinden, was sich hinter der KKS Project GmbH i..G. verbirgt. Der Erfolg war sehr bescheiden. Kann mir jemand helfen?

“Der normale Leipziger draußen vorm Tor fasst so etwas normalerweise in die Worte: Da weiß die linke Hand nicht, was die rechte tut.”

Harmlos ausgedrückt scheint es so. Etwas härter stellen sich jedoch wesentlich andere Fragen. Schon bei der Anmietung des Objektes in der Zschortauer Straße entstanden Fragen, denen der Stadtrat nicht nachgegangen ist. Unabhängig von den Fragen der Linksfraktion im Stadtrat, die übrigens nicht ganz schuldlos an dieser” Situation” bezüglich der gesamten Immobilienproblematik der Stadtverwaltung ist, sollten folgende Fragen dringend beantwortet werden, ohne dabei gleich den Teufel an die Wand zu malen. Weshalb erfolgte der Verkauf an die KKS Project GmbH i.G.? Ist das auch richtig bzw. ist das so im Grundbuch erfasst? Welche Protokolle gibt es über diese Verkaufsverhandlungen und wie waren dabei die entsprechenden Gremien des Stadtrates eingebunden? Welche Protokolle gibt es dazu? Welche “näheren”Verbindungen bestehen zwischen der KKS und der Stadtverwaltung und konkrete zu Herrn Albrecht?

Hier muss der Hebel angesetzt werden, ob das jemanden gefällt oder nicht? Doch wer wagt es in diesen Tisch zu fischen?

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