Das Jahrtausendfeld ist eine Leipziger Legende. Auch weil dort seit 15 Jahren nichts passiert. Dicke Pläne hat die Stadt in ihren Aktenschränken liegen zu großen Schulbauten – die dann noch nicht verwirklicht wurden, weil der Besitzer des Geländes dieses lieber brachliegen lässt. Eine Legende ist das Brachfeld auch für die Schaubühne Lindenfels. Die enthüllt dort am Donnerstag, 3. Mai, ein Monument.

Noch mit einer Plane bedeckt, wartet sie auf ihre Enthüllung am Leipziger „Jahrtausendfeld“: Am 3. Mai weiht die Schaubühne Lindenfels die lebensgroße Stahlskulptur „Man & Horses on Millennium Field“ ein. Das Monument zeigt zwei Pferde, die von einem Bauern geführt den „Sack’schen Pflug“ ziehen. Die feierliche Enthüllung findet im Rahmen des „Fragment Festival Büchner“ mit Grußworten und einer Performance zu Georg Büchners Flugschrift „Der Hessische Landbote“ statt.

Der „Hessische Landbote“, das ist jene Flugschrift, mit der Georg Büchner 1834 die Obrigkeit erschreckte. Immerhin lautete die Schlagzeile: „Friede den Hütten! Krieg den Palästen!“

Ein Aufruf, der in Zeiten zunehmenden Mangels an bezahlbarem Wohnraum in Leipzig durchaus eine gewisse Aktualität gewinnt. Obwohl es damals ein Aufruf an die hessischen Bauern war, die sozialen Missstände im Großherzogtum Hessen zu beseitigen.

Und mit der Skulptur bekommt ja sichtlich wieder ein Bauer seinen Platz im Stadtbild. Natürlich soll er an zwei Dinge erinnern: Einmal daran, dass hier einst landwirtschaftliche Maschinen für den Weltmarkt produziert wurden. Und an die ganz spezielle Kunstaktion, die die Schaubühne hier in den Jahren 1999/2000, zum Jahrtausendwechsel, inszenierte.

Das „Jahrtausendfeld“: Eine drei Hektar große Brache mitten im Leipziger Westen. Vor der Industrialisierung zunächst blühendes Ackerland, standen hier bis Anfang der 1990er Jahre die Hallen der bedeutenden Landmaschinenfabrik von Rudolf Sack (später VEB Bodenbearbeitungsgerätewerke), in denen im 19. Jahrhundert der erste industriell gefertigte Pflug, der „Sack’sche Pflug“, produziert wurde.

Die Skulptur „Man & Horses on Millennium Field“: Ihr Motiv adaptiert eine fotografisch dokumentierte Szene, die im Zuge des Kunstprojektes der Schaubühne Lindenfels 1999/2000 entstanden ist. Unter dem Titel „Jahrtausendfeld“ wurde zwei Jahre lang das brachliegende Areal an der Karl-Heine-Straße mit Roggen bepflanzt und somit symbolisch kultiviert. Zuvor war ein halber Meter Erde aufgetragen worden, um überhaupt einen fruchtbaren Grund zu gewinnen. Das Projekt gab dem damals desolaten Leipziger Westen so einen konkreten Visionsraum für wirtschaftliche und kulturelle Entwicklung. Heute ist der Begriff „Jahrtausendfeld“ fest im Leipziger Sprachgebrauch verankert.

In den Jahren 2002 und 2003 nutzte auch das Theater der Jungen Welt den Acker, um darauf ein großes Zirkuszelt zu errichten und zwei Jahre lang Theater im Zelt zu machen. Für die Kinder natürlich ein besonderes Erlebnis, das 2003 mit dem Einzug des Theaters in seine neue Spielstätte am Lindenauer Markt endete.

Dringend benötigte Fläche im Leipziger Westen: das Jahrtausendfeld. Foto: Ralf Julke
Dringend benötigte Fläche im Leipziger Westen: das Jahrtausendfeld. Foto: Ralf Julke

Seitdem ist das Gelände eingezäunt und ungenutzt und die Schulbau-Pläne der Stadt sind hier immer wieder still und heimlich geplatzt.

Kurzzeitig gastierte auch ein Wagenplatz in der Nähe der Köng-Albert-Brücke, der dann aber auch auf Drängen der Stadt weichen musste, um den Verbindungsweg am Karl-Heine-Kanal wieder zugänglich zu machen.

Mit ihrer Motivik verbindet die Skulptur am Kanalufer nun das bäuerliche Ackerland vor 1860 und die rasante Industrialisierung des Leipziger Westens, die sich mit dem Bau der Maschinenfabrik von Rudolf Sack konkretisierte, mit dem zukunftsgerichteten Wunsch zur Jahrtausendwende nach einer erneuten Kultivierung des damals abgehängten Viertels. „Man & Horses on Millennium Field“ soll die Geschichte des Ortes vergegenwärtigen und dem im Wandel begriffenen Quartier ein steter Begleiter sein, so die Schaubühne.

Verantwortlich für Konzeption und Realisierung der Skulptur zeichnen René Reinhardt, Dr. Michael Schramm, Herbert Bading und Robert Schiller. Unterstützt wurde das Projekt von der Kultusstiftung des Freistaates Sachsen und der BBG Bodenbearbeitungsgeräte Leipzig GmbH & Co., die es noch gibt, die aber mittlerweile in Großzschocher zu Hause ist.

Die Enthüllung der Skulptur kann man am Donnerstag, 3. Mai, um 18:30 Uhr an der König-Albert-Brücke (Karl-Heine-Straße/Jahrtausendfeld) miterleben.

Ab Mai wird die neue Grundschule am Karl-Heine-Kanal gebaut

Ab Mai wird die neue Grundschule am Karl-Heine-Kanal gebaut

 

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Die Landmaschinenfabrik, die von Rudolf Sack im 19, Jhdt. gegründet wurde, hat allerdings auch im 20. Jahrhundert und da speziell im 3. Reich eine Geschichte, als dort beileibe nicht nur Landmaschinen produziert wurden (“kriegswichtiger Betrieb”) und zwar nicht nur von deutschen Arbeitern, sondern auch von Zwangsarbeitern und Kriegsgefangenen aus Ost- und Westeuropa. Das sollte man bei diesen Festlichkeiten nicht vergessen.

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