Auf den ersten Blick liest es sich wie eine völlige Umkrempelung des Grünen-Antrags „Waldstraßenviertel: Kein Parkhaus auf der Fläche des ehemaligen Schwimmstadions!“, was die CDU jetzt als Änderungsantrag vorgelegt hat. Und in gewisser Weise ist es das auch. Denn statt nur die Parkfläche an der Arena für einen Schulneubau zu sichern, will die CDU-Fraktion gleich ein ganzes Quartier an dieser Stelle entwickelt sehen. Samt Elster-Kanal und Parkflächen.

Die Grünen waren im August vorgeprescht, weil auf einmal Gerüchte durch die Stadt waberten, auf der Fläche des ehemaligen Schwimmstadions solle ein Parkhaus errichtet werden. Was in der Folge logischerweise noch mehr Autofahrer animiert, mit ihrem Kfz zu jedem Helene-Fischer-Konzert oder jedem Fußballspiel unbedingt bis ins Sportforum fahren zu müssen. Man mindert diesen „Parkdruck“ und die chaotische Begleiterscheinungen im angrenzenden Waldstraßenviertel nur, indem man das Stellplatzangebot deutlich reguliert und nicht erweitert.

Aber der Antrag animierte die CDU-Fraktion dazu, sich das Gelände östlich vom Zentralstadion genauer anzuschauen und (möglicherweise verblüfft) festzustellen, dass nicht nur die heute als Parkplatz genutzte Fläche des ehemaligen Schwimmstadions noch immer der Stadt gehört, sondern auch die direkt nördlich angrenzenden Flächen bis zum Robert-Koch-Platz. Alles Flächen, die man kaum als städtebauliche Flächen wahrnimmt, weil sie fast ausschließlich als Parkraum genutzt werden.

Aber sie grenzen eben auch direkt ans Waldstraßenviertel. Und es ist so viel Platz, dass sich der Gedanke regelrecht aufdrängt, dass man hier noch viel mehr bauen könnte als nur eine Schule.

„Aus unserer Sicht bedarf es einer ganzheitlicheren Betrachtung des Umfeldes des Stadions, die auch Aspekte der Wegeführung und des Hochwasserschutzes nicht außer Acht lässt“, schreibt die CDU-Fraktion in ihrem Änderungsantrag. „Eine Absage zu einem einzelnstehenden Parkhaus ist zwar insofern vernünftig, dass ein solches Gebäude den Ansprüchen an den Flächenbedarf nicht gerecht wird und daher integriert mit anderen Nutzungen gedacht werden sollte. Doch eine generelle Absage zu Abstellflächen würde dem gerade beschlossenen Konzept zum Bewohnerparken zuwiderlaufen. Dort wurde für den Westteil des Waldstraßenviertels die Parkfläche vor dem Stadion als Ausweichparkplätze ausgewiesen.“

Über das Wort „Hochwasserschutz“ darf man durchaus stolpern. Hier liegt ja auch eine weitere luftige Idee der Leipziger Kanalverwaltung schon des längeren zum Auslüften vor der Tür.

„Ziel ist es nun, für die Dreiecksfläche zwischen Robert-Koch-Platz, Arena Leipzig, Sportforum und Friedrich-Ebert-Straße eine stadträumliche Konzeption zu erarbeiten, um das benannte Gebiet unter gestalterischen, städtebaulichen sowie verkehrstechnischen Aspekten als Bindeglied zwischen Stadion und dem Waldstraßenviertel in einen zeitgemäßen Kontext zu bringen“, formuliert die CDU-Fraktion ihr Anliegen.

„Das Waldstraßenviertel gehört als architektonisches Flächendenkmal zu den herausragenden Wohnquartieren Leipzigs. Das ehemalige Zentralstadion hat sich inzwischen wieder zu einer hochfrequentierten Sportstätte entwickelt, die als Fußballstadion nationales und internationales Publikum anzieht und mit der Baugenehmigung vom 29.06.2018 weiteren Investitionen aus privater Hand entgegensieht. Dem Stadionvorplatz zwischen RB-Arena und Waldstraßenviertel kommt dabei als öffentlicher Raum eine vermittelnde Rolle zu, in funktionaler wie auch repräsentativer Hinsicht.“

Und was alles auf dieser Fläche verwirklicht werden kann, listet die Fraktion auch auf. Das Kanalbauprojekt gibt es dann gleich mal als dicken Kosthappen vorneweg:

„a) Künftige Wiederherstellung der Alten Elster als Teil des Leipziger Hochwasserschutzes, mit konkreter Definition des Flussverlaufes.

  1. b) Einplanung der Fläche der sogenannten Feuerbachschleife für die Straßenbahn
  2. c) Stadionvorplatz als erkennbares Entre gestalten, mit angemessener Pflasterung und Beleuchtung, möglicherweise Begrünung und Bezüge zum neuen Fluss Alte Elster.
  3. d) Verkehrssicherheitskonzept für alle Verkehrsteilnehmer
  4. e) Vorschläge für eine bauliche oder gestalterische Konzentration von Abstellflächen für PKW, Busse, Fahrrad etc. vorrangig als Unterlagerung zu den sonstigen baulichen Nutzungen.
  5. f) Verbleibende Flächen für Nutzungen, die insbesondere sozial- und sportpolitischen Zielstellungen entspricht.“

So rutschte denn die Schule als sozialpolitische Zielstellung verklausuliert an den Schluss. Und ein teures Kanalbauprojekt sitzt nun an der Spitze: Über die Freilegung der Alten Elster wird seit 2002 diskutiert, seit dem sogenannten Jahrhunderthochwasser. Der Vorgängerkanal wurde 1854 an Stelle der vorher hier in Mäandern fließenden richtigen Alten Elster angelegt. Da sie außerhalb von Hochwassern fast trockenlag, wurde sie auch als Faule Elster bezeichnet.

Der Hauptarm der Weißen Elster floss – wie man weiß – ja auch 1813 noch bis zur heutigen Leibnizstraße, wo dann bei Napoleons Rückzug die Elsterbrücke gesprengt wurde. 1854 wurde die Weiße Elster in das neu gebaute Kanalbett abgeleitet und direkt zur Leutzscher Allee geführt. Der alte Elsterverlauf vom (heutigen) Palmgartenwehr bis zur heutigen Einmündung des Elstermühlgrabens in die (heutige) Weiße Elster wurde in Elstermühlgraben umbenannt. Die Weiße Elster verschwand also quasi aus dem inneren Stadtgebiet.

Aber auch bei dieser Alten Elster blieb es nicht. Nach dem Bau des Elsterbeckens, das heute die Hauptwassermenge der Weißen Elster aufnimmt, wurde auch die 1854 gebaute Alte Elster verfüllt. Darüber, ob eine Öffnung der Alten Elster im Leipziger Hochwasserschutz überhaupt irgendeinen Sinn macht, diskutieren die Fachleute. Denn das hat mit dem in den 1920er Jahren geschaffenen Hochwasserschutzsystem nichts zu tun – denn da spielt das Palmgartenwehr die Hauptrolle, das im Hochwasserfall geöffnet wird und die Wassermengen ins Elsterbecken ableitet, sodass das Waldstraßenviertel eben keine Hochwasser mehr abbekommt.

Die Öffnung der Alten Elster wäre also wieder nur ein Baustein im Leipziger Kanalbauprogramm für Freizeitkapitäne.

Und zwar ein teurer. Eine Zahl hilft, sich die Kosten dieses Wünsch-dir-was-Projekts vorzustellen: Allein der noch fehlende Bauabschnitt des Elstermühlgrabens zwischen Elsterstraße und Lessingstraße wird von der Stadt mit 20 Millionen Euro kalkuliert. 2019 soll hier die Öffnung beginnen. So viel kostet im Normalfall eine ganze Schule.

Für die Alte Elster gibt es bislang nur hingeworfene Schätzungen. Aber man kann davon ausgehen, dass eine Wiederherstellung dieses kanalisierten Flusses nicht unter 50 Millionen Euro zu haben ist. Und zwar ohne dass dieser Kanal einen Beitrag zum Hochwasserschutz leistet, denn da er ja auch wieder ins alte Bett der Weißen Elster, den heutigen Elstermühlgraben mündet, führt er seine Wassermassen genau wieder an den sensiblen Knoten, den die Experten des Hochwasserschutzes heute schon als brandgefährlich einschätzen.

Denn wenn Weiße Elster und Parthe beide Hochwasser führen, bedroht das heute schon die Sicherheit des Klärwerks im Rosenthal. Es macht also gar keinen Sinn, noch mehr Wasser in diesen gefährdeten Knoten zu leiten.

Aber das zuständige Kanaldezernat hat ja die Alte Elster genauso wie die Mühlgräben mit ins Leipziger Hochwasserschutzkonzept geschrieben. Und wenn es um neue Kanäle geht, scheint kein Kostenvoranschlag groß genug zu sein.

Wobei die CDU-Fraktion im Beschlussvorschlag selbst dann doch wieder die Schule an Platz eins gesetzt hat:

„a. Neubau einer Schule,

  1. Neubau einer oder mehrerer notwendiger Sporthallen,
  2. extensive Gründächer, Photovoltaik und/oder Dachterrasse (Nutzung: Erholung, Spielen, etc.)
  3. Nutzungsunterlagerungen zur Organisation des Parkdrucks aus Waldstraßenviertel, Stadionbesuchern und Nutzern zusätzlicher Einrichtungen sowie
  4. ergänzende weitere und nicht im Widerspruch stehende Nutzungen.“

Die neue Leipziger Zeitung Nr. 59 ist da: Zwischen Überalterung und verschärftem Polizeigesetz: Der Ostdeutsche, das völlig unbegreifliche Wesen

Zwischen Überalterung und verschärftem Polizeigesetz: Der Ostdeutsche, das völlig unbegreifliche Wesen

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Es gibt 2 Kommentare

Super Kommentar.. Der Fisch fängt am Kopf an mit stinken. Ganz oben beim OBM, da liegt das Problem, der kann die Richtung ändern, dies aber wird wohl der zukünftige wohl hoffentlich tun.

Da steht das WTNK (angebelich zumindest, realiter soll es einfach nur ungehindert weiter umgesetzt werden können) gerade auf dem vor allem naturschutzfachlichen Prüfstand und dessen Wirtschaftlichkeit selbst im Gutachten zum WTNK selbst (!) sowieso in Frage, obwohl es ja nie! mit allen (Unterhaltungs-)Kosten in Summe durchgerechnet wurde, schon kommt das nächste Projekt, bei dem es nicht um die Umsetzung der Wasserrahmenrichlinie geht sondern um einen weiteren öden Kanal, deren die Stadt Leipzig ja nun mit ihrer Wasser-ans-Licht-bring-Aktion schon reichlich aufzuwarten hat: fantasielos und nur dann “schön”, wenn man nicht (mehr) weiß, wie fließendes Wasser auch auf begrenztem Raum wirklich aussehen kann. Kleiner Tipp: bei der LTV liegt im Schubkasten ein fix und fertiges Projekt für eine Renaturierung des Elsterflutbettes (samt Kostenübernahme übrigens!), also für eine maximale Aufwertung im direkten Umfeld des zur Diskussion stehenden Gebietes. Nachdem beim Wohngebiet am Bahnhof die Parthe auch wieder nur mit dem Linieal gezogen mitgedacht wird, anstatt sie in der geplanten Grünfläche einigermaßen lebensnah ein bisschen mäandrieren zu lassen und damit ein paar Lebensräume für Tiere und Pflanzen (und Menschen!) zu schaffen, kann dieser Vorschlag der CDU auch nicht verwundern: Liebe Leute: Wasser hat Dynamik, eine Lebendigkeit, um derentwillen es uns Menschen immer wieder zum Wasser hinzieht. Wir tun UNS gut, wenn wir dem Wasser das ermöglichen, statt es weiter und immer wieder nur in Beton zu zwängen.

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