Damit hatte auch beim NABU Leipzig niemand gerechnet, dass die Leipziger Stadtverwaltung ausgerechnet die Vorweihnachtszeit nützen würde, um am Wilhelm-Leuschner-Platz tabula rasa zu machen. Während alle schon mit den Weihnachtseinkäufen und der Vorbereitung des Festes beschäftigt waren, musste der Naturschutzbund noch einmal juristischen Beistand aktivieren, um die neue Fällaktionen auf dem Wilhelm-Leuschner-Platz zu verhindern.

Um die Beseitigung ökologisch wertvoller Bäume und Sträucher auf dem Areal zu stoppen, war der Naturschutzbund (NABU) Leipzig im Januar 2021 eingeschritten. Mithilfe eines Anwalts und der Polizei konnten NABU-Mitglieder verhindern, dass gesetzlich geschützte Lebensstätten auf dem Wilhelm-Leuschner-Platz vollständig zerstört werden. Gegen die Fällung der Bäume hatte der NABU Widerspruch eingelegt.

Dieser wurde von der Stadtverwaltung zurückgewiesen, wogegen der NABU beim
Verwaltungsgericht Leipzig im Mai 2021 Klage eingereicht hat. Das Gerichtsverfahren ist noch nicht eröffnet, dennoch wollte die Stadtverwaltung jetzt vollendete Tatsachen schaffen und damit den gerichtlichen Streit vermeiden: Anfang Dezember ordnete sie den „sofortigen Vollzug“ der Fällgenehmigung an.

Obwohl noch immer keine Baugenehmigung vorliegt, sollte der Antragsteller die Möglichkeit bekommen, die vom NABU gestoppten Rodungen zu vollenden. Um dem NABU Rechtsschutz zu gewähren, wurde er wenigstens über diese neuerliche Hauruckaktion informiert. Umgehend hat der NABU-Landesverband Sachsen daraufhin mithilfe seines Anwaltes beim Verwaltungsgericht einen Eilantrag gestellt, um die Naturvernichtung zu stoppen.

Zugleich will der NABU damit erreichen, dass das Gericht über den Fall überhaupt noch entscheiden kann. Als Reaktion auf dieses schnelle und konsequente Handeln des NABU hat die Stadtverwaltung ihre Anordnung auf sofortigen Vollzug „ausgesetzt“. Das Gericht hat daraufhin auf eine Eilverfügung verzichtet, denn der zugesicherte Aufschub ist verbindlich. Die Natur hat damit eine weitere Gnadenfrist bekommen, doch die Zerstörung ist nach wie vor beabsichtigt.

Der NABU kritisiert das fragwürdige Vorgehen der Stadtverwaltung, die offenbar unter allen
Umständen die Rodungen vorantreiben will. Am Donnerstag, 23. Dezember, gab es eine kurze, spontane und coronakonforme Protestaktion des NABU auf dem Wilhelm-Leuschner-Platz.

Ihr aus Sicht des NABU fragwürdiges, brachiales Vorgehen hatte die Stadtverwaltung mit einem angeblichen „überwiegenden öffentlichen Interesse“ begründet. Der NABU Leipzig betont, dass es keineswegs im öffentlichen Interesse liegt, unter fortgesetzter Missachtung des gesetzlichen Biotop- und Artenschutzes Baumfällungen zu genehmigen und unter allen Umständen durchsetzen zu wollen.

Der Schutz einer intakten Stadtnatur sollte mindestens ebenso im öffentlichen Interesse sein. Zudem sollte die Stadt nicht nur die Interessen eines Bauherren, sondern auch den gesetzlich vorgeschriebenen Biotop- und Artenschutz wahren.

„Es ist erklärte Absicht der Stadtverwaltung, die Baumfällungen vor der gesetzlichen Gehölzschutzzeit zu realisieren, die im März beginnt. Es ist haarsträubend, mit welchen Methoden versucht wird, Naturschutzbelange zu umgehen“, betont der NABU.

Die ehrenamtlichen Naturschützer des NABU sowie das Verwaltungsgericht in dieser eigentlich besinnlichen Zeit herauszufordern und überrumpeln zu wollen, ist ein Vorgehen, das man von einer öffentlichen Verwaltung nicht erwarten würde.

Während der NABU-Landesverband Sachsen in dem juristischen Verfahren aktiv ist, sind die Mitglieder des NABU Leipzig unermüdlich in ihrer Freizeit gefordert, Fachinformationen zu liefern und die Situation vor Ort zu beobachten. Das fordert nicht nur Energie und Zeit, sondern auch finanzielle Mittel. Der NABU bittet daher um Spenden für die Rettung der Stadtnatur auf betterplace.org.

Informationen zu den Rodungen auf dem Wilhelm-Leuschner-Platz findet man auf der Website des NABU Leipzig.

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