Es ist ein Schlag ins Gesicht für uns Leipziger/-innen und für die Naturschutz- und Umweltverbände in Leipzig! Anfang Februar dieses Jahres wurde der Eilantrag des NABU Sachsen gegen die durch die Stadtverwaltung genehmigten Rodungen auf dem Wilhelm-Leuschner-Platz durch das Verwaltungsgericht abgelehnt.

Bei der Fläche handelt es sich um das unversiegelte, mit 48 Gehölzen bewachsene Wiesendreieck zwischen Brüder-, Windmühlen- und Grünewaldstraße. Dieser Teil des Leuschnerplatzes dient im Zusammenhang mit dem restlichen Baum- und Strauchbestand als Kaltluftschneise in die Innenstadt und ist gleichermaßen zur Regenwasserrückgewinnung wichtig auf dem ansonsten im östlichen Teil versiegelten Platz. Dieser Bereich ist im Landschaftsplan der Stadt als „Grünfläche“ ausgewiesen.

Im Januar vor einem Jahr sollte an gleicher Stelle auf dem Leuschnerplatz schon einmal gerodet werden. Nur durch das beherzte Einschreiten und ein entsprechendes
Widerspruchsverfahren des NABU konnte damals Schlimmeres verhindert werden. Nun ist das Schicksal dieser Teilfläche des Leuschnerplatzes besiegelt und wieder einmal fällt der Klima- und Artenschutz dabei hinten runter!

Denn der Bauboom in Leipzig führt zum immer schnelleren Verlust von Grünflächen. Allein in der Zeit von 2016 bis Ende 2019 konnte der NABU Leipzig den Verlust von 300 Grünflächen verzeichnen und damit zeigen, dass Leipzig schrumpft, jedenfalls was seine Grünflächen angeht. Mehr Infos dazu unter:
www.nabu-leipzig.de/stellungnahmen/leipzig-schrumpft/

Der wahre Verlust wird jedoch weitaus höher liegen, da die Erfassung rein ehrenamtlich stattfand. Letzte Woche Freitag, am 11. Februar, rasselten dann erneut die Kettensägen auf der Dreiecksfläche und machten den Platz endgültig für das Institut für Länderkunde frei.

Der Chef des Instituts hatte noch beteuert, er wolle den Vögeln etwas bieten, mit Nistkästen und Dachbegrünung. Dabei wissen wir doch, dass es auch Nahrungshabitate in der Nähe braucht und die Lebensstätten der bis zu hundert Jahre alte Bäume und der wertvollen Strauchgruppen nicht so einfach ersetzt werden können.

Es wird also gerodet und das, obwohl das Amt für Umweltschutz bekannt gegeben hat, dass die Vögel vom Leuschnerplatz keine Ausweichmöglichkeiten in der Umgebung mehr haben. Dennoch wurde der Eilantrag vom Verwaltungsgericht unter anderem mit der Begründung abgelehnt, dass die Vögel in die Umgebung ausweichen können. Da fehlen einem die Worte.

Recht zu bekommen und recht haben sind eben doch zwei verschiedene Paar Schuhe, besonders im Umweltschutz. Seit einem Jahr kämpfen viele Leipziger Bürger/-innen Seite an Seite mit verschiedenen Verbänden, die sich wiederum seit Jahren am Leuschnerplatz für Klima-, Natur-, Umwelt- und Artenschutz einsetzen, gegen die geplanten Rodungen und den vorliegenden Bebauungsplan Nr. 392 auf dem Wilhelm-Leuschner-Platz.

Genauer gesagt, am 14. Juli 2021 haben wir Anwohner/-innen am Wilhelm-Leuschner-Platz ein Bürgerbegehren zur klimagerechten Bebauung des Wilhelm-Leuschner-Platzes ausgerufen. Damit setzen wir uns für den Erhalt des alten Baum- und Strauchbestandes im östlichen Teil des Platzes ein.

Die Lebensstätten der vielen Strauchbrüter, aber auch deren überlebenswichtigen Wanderkorridore zwischen Brutplatz und Nahrungssuche blieben erhalten.

Wir schlagen vor, nur zwei der drei geplanten Baufelder zu bebauen und dabei die Grundflächen der geplanten Gebäude zu verringern, die Höhe der Bauweise zu verändern, auf Geschäfts- und Gewerberäume zu verzichten, um damit Platz für z. B. das Global Hub, den sozialen Wohnungsbau und das Leibniz-Institut für Länderkunde (IFL) zu schaffen.

Durch die Verlagerung des IFL auf die nördlicheren Baufelder könnte sogar die Grünfläche in dem Dreieck zwischen Brüder-, Windmühlen- und Grünewaldstraße erhalten bleiben und damit ein wichtiges Nahrungshabitat für viele Insekten und 17 Brutvogelarten (die auf dem Leuschnerplatz brüten und ihre Jungen aufziehen) darunter auch der streng geschützte Grünspecht.

Schattenspendende Bäume, die die Umgebung kühlen und nachweislich auch den Lärmpegel senken und Grünflächen, die Erholung bieten, sind sowohl für uns Anwohner/-innen als auch für die Leipziger/-innen in der gesamten Stadt essenziell für das Wohlbefinden und die Gesundheit. Die Stadt hat den Klimanotstand ausgerufen und bezeichnet sich als Stadt der biologischen Vielfalt. Leider handelt sie nicht danach.

Wir müssen jetzt an den Klimaschutz denken und unsere Städte entsprechend planen, verändern und bauen. Auf dem Wilhelm-Leuschner-Platz heißt das speziell Verringerung der versiegelten Flächen zum Schutz vor Überschwemmungen, für Grundwasserneubildung, Verringerung von Luftschadstoffen, den Erhalt von Frischluft- und Kaltluftentstehungsflächen, einer Kaltluftschneise zur Belüftung der Innenstadt und zur Temperatursenkung.

Um dies alles zu erreichen haben wir unser Bürgerbegehren gestartet und an vielen Stellen Leipzigs, wie z.B. in Geschäften und Cafés, Listen ausgelegt. Um das Bürgerbegehren zu unterstützen, bitten wir alle Einwohner/-innen von Leipzig zu unterzeichnen. Auf unserer Homepage www.buergerbegehren-leuschnerplatz-leipzig.jimdosite.com
kann sich jede und jeder über einen Link das Unterschriftenblatt ausdrucken und selbst
Unterschriften sammeln. Außerdem findet man auf der Seite auch eine Liste der Geschäfte, Kneipen und Cafés, in denen Unterschriftenblätter ausliegen. Ziel sind mindestens 25.000 Unterschriften. Wir haben bereits über 5.000 Unterschriften gesammelt.

Außerdem sind wir noch auf der Suche nach Multiplikatoren, die das Bürgerbegehren in der
Öffentlichkeit bekannt machen und damit helfen, Unterschriften zu sammeln. Bei Interesse melden Sie sich über das auf der Homepage angegebene Kontaktformular bei uns.

Nur mit einem Bürgerbegehren lässt sich die massive Bebauung und Rodung der Gehölze auf dem Wilhelm-Leuschner-Platz noch aufhalten. Dieser Platz mitten in Leipzig steht auch stellvertretend für viele andere Baumbestände in der Stadt, die für eine nicht mehr zeitgemäße Stadtentwicklung überplant und gerodet werden. Es stellt sich jetzt die Frage, wie wir hier in Leipzig leben wollen.

Mit freundlichen Grüßen

Grit Müller
Leipzig, 14.02.2022

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