Steigt die Zufriedenheit mit der Demokratie, wenn Menschen über mehr Beteiligung auch mehr Einfluss auf politische Entscheidungen bekommen können? Das ist eine Frage, die vor allem den „Mehr Demokratie e. V.“ umtreibt. Doch beantworten lässt sie sich nicht wirklich, weil es die entsprechenden Instrumente dazu in Sachsen nicht gibt. Auch 2022 hat da keine große Änderung gebracht, stellt der Verein in seiner Jahresbilanz fest.

Im vergangenen Jahr gab es in Sachsen sechs Bürgerbegehren in Kommunen, wie der Landesverband des Vereins Mehr Demokratie am Donnerstag, dem 12. Januar, mitteilte. Allerdings fand kein Bürgerentscheid statt. Häufiger als in anderen Bundesländern liegt das in Sachsen auch am hohen Anteil unzulässiger Bürgerbegehren. 

Der Mehr Demokratie e.V. kritisiert, dass bei der Reform der direkten Demokratie im vergangenen Februar wichtige Verbesserungen an dieser Stelle ausblieben.

Noch immer zu hohe Hürden

Die Anzahl an Bürgerbegehren im Jahr 2022 entspricht dem Schnitt der vergangenen fünf Jahre und ist gleichzeitig ein leichter Anstieg gegenüber den Jahren 2020 und 2021, stellt der Verein fest. Die Hälfte der Bürgerbegehren fand in den größten Städten statt, zwei in Dresden und eines in Leipzig. Zwei Bürgerbegehren, in Weißwasser und Regis-Breitingen, waren aus formalen Gründen unzulässig.

In Dresden hatte zum Beispiel das Bürgerbegehren für ein Klimaschutzkonzept mit dem Zieljahr 2035 Erfolg. In Leipzig scheiterte das Bürgerbegehren zum Wilhelm-Leuschner-Platz, weil bei den Unterschriften das nötige Quorum von 25.000 nicht erreicht wurde. Das ist eine der höchsten Hürden, die Bürgerbegehren so schwer und oft aussichtslos machen.

Da hilft dann auch nicht viel, wenn die Stadt Leipzig auf ihrer Homepage genau erklärt, wie Bürgerbegehren und Bürgerentscheid funktionieren. Allein die hohen Hürden, die der sächsische Gesetzgeber festgelegt hat, bedeuten für die Initiatoren eines Bürgerbegehrens einen enorm hohe finanziellen, personellen und zeitlichen Aufwand, den die meisten Initiativen gar nicht leisten können.

Insgesamt wurden in Sachsen seit 1993 mehr als 40 Prozent aller Bürgerbegehren für unzulässig erklärt.

„Bürger engagieren sich, sammeln wochenlang Unterschriften und am Ende scheitert alles an formalen Gründen. Das sorgt nur für Frust und kann am Ende niemand wollen“, sagt Peter Böhme, Vorstandssprecher des Landesverbands Sachsen von Mehr Demokratie.

Die Reform genügt nicht

Der Landtag hatte im vergangenen Februar eine Reform von Bürgerbegehren und Bürgerentscheiden verabschiedet. Dadurch wurden die Quoren für Bürgerbegehren und Bürgerentscheide gesenkt. Aber wirklich leichter wird es für alle, die ein Bürgerbegehren starten wollen, nicht.

„Die Reform war ein guter Schritt. Allerdings hat es die Koalition komplett vergessen, auch die Qualität der direkten Demokratie zu verbessern“, kritisiert Böhme. So sei zum Beispiel der Kostendeckungsvorschlag eine hohe Gefahr für unzulässige Bürgerbegehren. „Der Kostendeckungsvorschlag ist ein Papiertiger und ein Musterbeispiel dafür, wie man gute Beteiligung verhindert“, so Böhme weiter.

Auch fehle ein amtliches Beratungsangebot für Bürgerbegehren. In vielen Punkten könne man sich ein Beispiel am Nachbarland Thüringen nehmen, wo es sogar ein eigenes Gesetz für die direkte Demokratie in den Kommunen gibt.

Durch die niedrigeren Quoren sei aus Sicht des Mehr Demokratie e. V. freilich davon auszugehen, dass es in den kommenden Jahren mehr Bürgerbegehren in Sachsen geben wird.

„Das ist positiv, denn je mehr direkte Demokratie geübt wird, desto selbstverständlicher wird das Engagement der Bürger für alle Beteiligten“, zeigt sich Böhme überzeugt.

Die Landeshauptstadt Dresden hat die meiste Erfahrung mit Bürgerbegehren. Mit insgesamt 17 Bürgerbegehren seit 1993 liegt Dresden in Sachsen mit Abstand auf Platz eins und auch im bundesweiten Vergleich auf einem Spitzenplatz.

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