Schaut man im Internet nach, dann findet man auf der Webseite der Stadt Leipzig, dass die Study Hall in Leipzig-Grünau moderne Lernbedingungen bietet. Der Eintrag ist allerdings von Februar 2023 und lautete: „Für Schülerinnen und Schüler ab Klassenstufe 5 hat die Stadt Leipzig ein Konzept entwickelt, das zu mehr Bildungs- und Chancengerechtigkeit verhelfen soll sowie soziale und pandemiebedingte Nachteile ausgleichen möchte: die Study Hall. Die erste Einrichtung in Leipzig, die von BILD hilft e.V. ‚Ein Herz für Kinder‘ unterstützt wird, öffnet jetzt ihre Türen.“
Ist die Study Hall eine Einrichtung der Stadt Leipzig?
Jetzt erreichten uns Hilferufe von Eltern, dass die Einrichtung Ende Oktober 2025 schließt. Dazu findet sich nichts. Die Nachricht, die uns erreichte, war: „Das Projekt sollte nach Anschub in den kommunalen Haushalt übergehen“, die Stadt hätte dieses Versprechen vergessen. Wir haben recherchiert und nachgefragt.
Für die Eltern, Kinder und Jugendlichen entstand zumindest der Eindruck, es wäre eine städtische Einrichtung. Schaut man auf die Webseite der Stadt oder bei facebook, dann ist das auch verständlich. Zum Zeitpunkt 6. Oktober 2025 war dort auch noch nichts von einer Schließung zu lesen.
Study Hall – was ist das?
Die Study Hall ist kein beliebiges Projekt, sondern ein außerschulischer Lernort, mitten in Leipzig-Grünau. Sie bietet Kindern und Jugendlichen kostenlos Unterstützung beim Lernen, Zugang zu Technik, Internet und ruhige Arbeitsplätze, ebenso wie Begleitung, Beratung und Gemeinschaft. Etwa 15–20 Jugendliche pro Tag, also mehr als 2.000 im Jahr, nutzen das Angebot freiwillig nach der Schule.
Viele von ihnen haben zu Hause keine geeigneten Lernbedingungen. Gerade in einem Stadtteil mit hoher Schulabbruchquote leistet die Study Hall einen wichtigen Beitrag zum Ausgleich sozialer Nachteile.
Was ist da los?
Die Sache ist etwas komplizierter, als sie sich auf den ersten Blick darstellt. Auch wenn die Stadt Leipzig das Konzept entwickelt hat und als Träger fungiert, so ist die Study Hall doch keine von der Stadt Leipzig finanzierte Einrichtung. Der Verein BILD hilft e.V. „Ein Herz für Kinder“ hat eine Anschubfinanzierung für die Einrichtung und den Betrieb der Study Hall gegeben, mit einer Laufzeit von drei Jahren. Diese drei Jahre enden jetzt.
Was bedeutet „eine Anschubfinanzierung“? Eine Anschubfinanzierung ist eine finanzielle Unterstützung für ein sinnvoll befundenes Vorhaben durch öffentliche oder private Gelder. Im Zeitraum der Anschubfinanzierung muss sich der Träger des Projektes um die Weiterfinanzierung kümmern, das heißt beispielsweise Fördermittel einwerben.
Auch wenn nicht von der Stadt finanziert, steht die Study Hall doch unter der Trägerschaft der Stadt Leipzig. Das geht auch aus dem o.g. Zitat hervor: „Für Schülerinnen und Schüler ab Klassenstufe 5 hat die Stadt Leipzig ein Konzept entwickelt …“ Allerdings wurde keine Anschlusslösung durch die Stadtverwaltung entwickelt. Das führt dazu, dass mit Auslaufen der Finanzierung durch den Verein die Einrichtung schließen muss.
Nachfrage beim Amt für Schule
Wir haben die Anfrage wie folgt formuliert:
Die Study Hall in Leipzig Grünau ist ein erfolgreicher kostenfreier Lernort für Schülerinnen und Schüler, der bisher mit einer Anschubfinanzierung von der Stiftung „Ein Herz für Kinder“ gefördert wird. Nach meiner Kenntnis läuft diese in diesem Jahr aus und die Stadt Leipzig kann, aufgrund der aktuellen Haushaltslage, die versprochene Übernahme nicht durchführen. Zurzeit melden sich betroffene Eltern bei uns, die auf Antworten warten. Ich frage Sie deshalb:
Ist die oben stehende Zusammenfassung, betreffs der Schließung, korrekt?
Antwort: Es ist korrekt, dass die Study Hall schließen wird. Eine Weiterführung aus Mitteln der Stadt Leipzig war nicht geplant und eine Übernahme nicht versprochen.
Gibt es Kontakt zur Stiftung und besteht die Möglichkeit, dass diese eventuell weiter fördert?
Antwort: Eine weitere Förderung durch den Verein BILD hilft „Ein Herz für Kinder“ ist nicht vorgesehen. Es besteht regelmäßiger Kontakt zum Verein.
Wie ist die Perspektive für die Study Hall, besonders für die betroffenen Schülerinnen, Schüler und die Beschäftigten, aus Ihrer Sicht?
Antwort: Die Study Hall war von Beginn an, auch in Bezug auf damit in Zusammenhang stehende Verträge, als Projekt angelegt. Diese Verträge enden planmäßig. Zu den persönlichen Perspektiven der Beschäftigten kann keine Aussage getroffen werden. Schülerinnen und Schüler haben die Möglichkeit, im Rahmen des jeweils vorhandenen Angebots ihrer Schule Ganztagsangebote zur Förderung in einzelnen Fächern oder Hausaufgabenbetreuung in Anspruch zu nehmen.
Gibt es eine Möglichkeit, dass die Einrichtung mit städtischen Mitteln weitergeführt wird?
Antwort: Es besteht keine Möglichkeit einer weiteren Finanzierung aus Mitteln der Stadt Leipzig.
Wir haben informelle Gespräche, mit Eltern und Sozialarbeitenden aus dem Umfeld der Study Hall, geführt. Diese wollen, aus verständlichen Gründen, nicht namentlich genannt werden. Es wurde uns bestätigt, dass die Aussagen der Stadtverwaltung weitgehend zutreffend sind. Eine Anfrage an die Study Hall blieb unbeantwortet.
Was tun?
Es bleiben dennoch Fragen. Die Stadt Leipzig schrieb 2023, dass die Stadt Leipzig ein Konzept entwickelt hat (siehe oben). Die Study Hall ist demzufolge doch irgendwie etwas, wofür die Stadt zuständig ist. Gibt es eine Evaluation zu dem Projekt? Wir haben dazu nachgefragt.
Die Angebote der Study Hall werden von etwa 50 Kinder und Jugendlichen, 15–20 pro Tag, in Anspruch genommen. Einige kommen regelmäßig, fast täglich, andere sporadisch. Viele haben zu Hause schlechte Bedingungen zur Erledigung der Hausaufgaben und zum häuslichen Lernen. Für sie ist die Study Hall der Ort, an dem sie lernen können und unterstützt werden. Diese Kinder sind traurig und wütend, weil ihnen das Angebot genommen wird. Die Eltern sind ratlos.
Gibt es noch eine Möglichkeit, die Study Hall zu retten?
Oberbürgermeister Jung sagte zur Eröffnung: „Studien haben gezeigt, dass Bildung und soziale Herkunft in Deutschland stark zusammenhängen. Die Corona-Pandemie hat die Chancenungerechtigkeit verstärkt. Die Study Hall ist ein passendes Angebot für mehr Bildungs- und Chancengerechtigkeit, das hier in Grünau genau am richtigen Platz ist.“
Nehmen wir ihn beim Wort, wir werden weiter berichten.
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