Am Ende war der Antrag der Linksfraktion zur Leipziger Baumschutzsatzung dann doch etwas zu knifflig. Nicht, was die Kosten für eine Ersatzpflanzung betrifft. Die entsprechen ja schon lange nicht mehr den realen Kosten für Neupflanzungen. Aber am Horizont wetterleuchtete in der Debatte am 9. Februar in der Ratsversammlung die durchaus brisante Tatsache, dass Flächen für Neupflanzungen sehr knapp geworden sind und es auch die Stadt Leipzig kaum zeitnah schafft, Ersatzbäume zu pflanzen.

Ein Thema, das noch viel Zündstoff in sich birgt. Denn noch sieht es so aus, als wäre es immer nur eine Zeitfrage, bis Bauherren für gefällte Bäume auf ihrem Baugrundstück oder anderswo neue Bäume pflanzen. Oder die Stadt die nötigen Neupflanzungen vornimmt.Doch: Tun sie es wirklich? Werden tatsächlich alle geschützten Bäume gemeldet, bevor für Neubauprojekte die gesamte Baumfläche abgeholzt wird?

Linke-Stadtrat Michael Neuhaus jedenfalls hat da so seine Zweifel. Und die sind durch die Abholzaktion am Wilhelm-Leuschner-Platz, wo die Stadt selbst eine nicht ganz zweifelsfreie Rolle spielte, nicht kleiner geworden. Auch wenn es dort noch ein ganz anderes Problem gibt: dass es nämlich in der näheren Umgebung für die dort heimischen Tiere keine Ausweichmöglichkeit gibt. Das heißt: Sie verlieren tatsächlich Lebensraum in der Stadt. Es wird immer stiller.

Michael Neuhaus wirbt für den Linke-Antrag zur Baumschutzsatzung. Foto: Livestream der Stadt Leipzig, Screenshot: LZ
Michael Neuhaus wirbt für den Linke-Antrag zur Baumschutzsatzung. Foto: Livestream der Stadt Leipzig, Screenshot: LZ

Und die Ersatzpflanzungen erfolgen meist auf Brachen weit außerhalb des Stadtzentrums.

„Der Schutz bestehender Vegetation ist ein wichtiger Beitrag zum Kleinklima in der Stadt. Wenn Baumfällungen und Beräumungen aufgrund vorläufiger Baugenehmigungen zur Baufeldberäumung erfolgen, werden oftmals die erforderlichen Ersatzpflanzungen oder auch Ausgleichszahlungen mit erheblichen Verzögerungen geleistet“, benannte der von der Linksfraktion zwischenzeitlich neu formulierte Antrag das Problem.

Was im ersten Schritt heißt: Die Ausgleichszahlungen für gefällte Bäume müssen teurer werden. Bislang verlangt die Stadt nur 1.900 Euro pro gefällten Baum. Eine Neupflanzung aber kostet mittlerweile 2.300 Euro. Das war dann auch nicht der Punkt, der am 9. Februar zur Diskussion führte.

Wie schnell ist eine Ersatzpflanzung möglich?

Denn etwas komplizierter wird es mit der Dokumentation der geschützten Bäume und der Festlegung, bis wann die Neupflanzungen zu erfolgen haben. Das berührt nämlich nicht nur die Baumschutzsatzung, sondern greift auch zwingend in die Baugenehmigung ein.

Was dann zu Fragen führt wie: „Kann dem Bauherren die Baugenehmigung verweigert werden, wenn er den Baumbestand auf dem Grundstück nicht nachvollziehbar dokumentiert? Muss er für jedes geschützte Gehölz ein entsprechendes Lichtbild vorlegen?“

„Mit dem Beschluss zur Änderung in § 9 Abs. (1) Satz 2 der Baumschutzsatzung müssen künftig Grundstückseigentümer für genehmigungspflichtige Bauvorhaben, bei denen keine geschützten Bäume vorhanden oder geschädigt werden sollen, die entsprechende Erklärung zur Sachlage auf dem Baufeld durch geeignete Nachweise wie Lichtbilder belegen“, hatte der Linke-Antrag formuliert.

„In diesem Punkt scheint der Verwaltungsstandpunkt insbesondere zu verdeutlichen, dass bisher genau dieser Nachweis aus der geltenden Baumschutzsatzung nicht abgeleitet wurde. Eine Nachweispflicht wird mit der Regelung nun errichtet und sollte tatsächlich auch in den Antragsdokumenten ersichtlich gemacht werden.“

Was ja auch mit der Vermutung zu tun hat, dass in den vergangenen Jahren weit mehr Bäume gefällt wurden, als letztlich zur Neupflanzung oder für Ausgleichszahlungen angemeldet wurden. In einer Stadt, die in heißen Sommern schon sichtlich unter Hitzebelastung leidet, ist das längst ein Faktor, der in Bauplanungen berücksichtigt werden müsste. Und das kann man nicht nur der Stadt überlassen. Das muss auch privaten Bauherren eine Pflicht sein.

Ein Punkt übrigens, über den am 9. Februar gar nicht mehr gestritten wurde. Da ist sich die Ratsversammlung längst einig. Und auch die Verwaltung sieht die Notwendigkeit so einer Regelung. Nur bei den Detailfragen wurde es in dieser Ratsversammlung dann etwas kniffliger. Und wahrscheinlich stellte CDU-Stadtrat Falk Dossin die richtige Frage: Ob denn der Vorschlag der Linken oder auch die positive Stellungnahme dann auch rechtlich gültige Formulierungen enthalten.

Das konnten dann weder Umweltbürgermeister Heiko Rosenthal, noch Baubürgermeister Thomas Dienberg eindeutig beantworten.

Das Hauptproblem aus Sicht der Stadt – so betonte es dann auch OBM Burkhard Jung – ist eben auch, dass auch die Stadt selbst keine Verpflichtung eingehen kann, die Ersatzpflanzungen schon im nächsten Pflanz-Zeitfenster vorzunehmen. Denn meist fehlt es an Personal, das so etwas schnell bearbeiten könnte. Aber auch die nötigen Pflanzflächen sind zeitnah immer schwerer zu finden. Und dieses Problem wird sich noch verschärfen. Das ist jetzt schon sicher.

Entsiegelung muss zum Thema werden

Denn neue Brachen, auf denen gepflanzt werden könnte, entstehen in Leipzig praktisch nicht. Und einfach vorhandene Felder und Wiesen für Wald umzuwidmen ist dabei geradezu kontraproduktiv. Was leider nicht zur Sprache kam an diesem 9. Februar, war die Frage, wie groß der „Stau“ bei Ersatzpflanzungen überhaupt schon ist. Und wo Leipzig eigentlich gedenkt, die nötigen Flächen herzubekommen.

Da können dann die Gehölze auf neuen Baugrundstücken zwar gut dokumentiert sein – aber trotzdem kein Platz da sein für die nötigen Ersatzbäume.

Logisch, dass SPD-Stadtrat Christopher Zenker dann beantragte, die Entscheidung über den Antrag lieber in die März-Sitzung des Stadtrates zu verschieben und die Verwaltung zu beauftragen, bis dahin wirklich rechtssichere Formulierungen zu finden.

Das Thema bleibt auf dem Tisch. Wobei schon sicher ist, dass die Baumschutzsatzung novelliert werden wird. Offen ist nur, wie genau sie im Regeldetail wird.

Und danach dürften die Diskussionen beginnen, wie man in einer derart großflächig versiegelten Stadt eigentlich wieder Platz für Gehölze schaffen kann – und zwar in der dicht bebauten inneren Stadt selbst. Das Thema Entsiegelung dürfte nach und nach auf den Tisch kommen. Denn anders wird Leipzig seinen Grünverlust nicht mehr ausgleichen können.

Die Debatte vom 9. Februar 2022

Video: Livestream der Stadt Leipzig

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