Am Ende wird es zehn Jahre gedauert haben, bis Dölitz-Lößnig-Dösen-Marienbrunn in der Johannes-R.-Becher-Straße 22 das Stadtteilzentrum bekommt, das schon 2016 im Stadtrat debattiert wurde. Nicht ganz grundlos betonte Linke-Stadträtin Juliane Nagel, dass diese Ortsteile im Leipziger Süden gern übersehen werden. Und vergessen, könnte man hinzufügen. Aber das wollte ein gemeinsamer Antrag von Grünen, Linken und SPD jetzt endlich ändern.

Ein Antrag, den die Stadtverwaltung übrigens rundweg abgelehnt hat. Und das auch noch mit Verweis auf die Kosten, die eine Sanierung des Gebäudes verursachen würde, in dem nach wie vor eine Zweigstelle des Leipziger Tanztheaters (LTT) zu Hause ist. Als hätte die CDU diese Ablehnung geschrieben. Denn CDU-Stadtrat Karsten Albrecht argumentierte in der Debatte am 9. Februar genauso. Motto: Soziale Angebote fände man zwar gut, aber zusätzliche Kosten sollten sie nicht verursachen.Eine Wortmeldung, die ziemlich schräg wirkte, nachdem Michael Schmidt (Grüne), Juliane Nagel (Linke) und Christopher Zenker auf die ganzen Vorüberlegungen und die Vorgeschichte des gemeinsamen Antrags eingegangen waren.

Denn 2018 hätte ja das LTT komplett ausziehen sollen. So war es geplant. In der Spinnerei sollte es komplett ein neues Zuhause finden. Aber dann wäre Lößnig ein wichtiger kultureller Anlaufpunkt für junge Leute gänzlich verloren gegangen, ohne dass es dafür Ersatz gegeben hätte.

Und die Gelder für eine Sanierung wurden 2017/2018 auch nicht in den Haushalt eingestellt. Das Gebäude befindet sich also – wie Zenker betonte – baulich in einem ziemlich desolaten Zustand. Die Stadt muss so oder so Geld investieren, um das Haus weiterhin nutzbar zu halten. Denn dass das LTT dort raussoll, stand auch am 9. Februar nicht zur Debatte.

Und dass es dringenden Bedarf für einen sozialen Anlaufpunkt gibt in diesem Stadtquartier, in dem die Armutsquote recht hoch ist, sehr viele Senior/-innen leben und auch viele Jugendliche mit diversen sozialen Problemlagen zu Hause sind, darauf wies Juliane Nagel hin.

Michael Schmidt (Grüne) bei der Einbringung des Antrags. Foto: Livestream der Stadt Leipzig, Screenshot: LZ
Michael Schmidt (Grüne) bei der Einbringung des Antrags. Foto: Livestream der Stadt Leipzig, Screenshot: LZ

Worauf ja das DRK schon reagiert hat, indem es im „Moritzhof“ in angemieteten Räumen eine Kontaktstelle eröffnet. Und das schien Karsten Albrecht vollauf zu genügen. Wozu braucht denn dieser Stadtteil noch mehr Angebote? Können denn nicht auch die Jugendlichen mit ihren Problemen in den „Moritzhof“ gehen?

Das „Paradise“ reicht doch, oder?

Das wäre zumindest einmal etwas Neues, obwohl die Jugendarbeit in Leipzig zeigt, dass man Jugendliche auf diese Weise nicht wirklich dazu bringt, mit der Jugendsozialarbeit Kontakt aufzunehmen. Dazu brauche es eigene Räumlichkeiten, betonte Schmidt. Und die Erfahrungen des DRK könne man sehr wohl einbeziehen in die Planung für das neue Sozio-kulturelle Zentrum.

Im zweiten Beschlusspunkt heißt es dazu: „Die Verwaltung wird sich im Jahr 2022 mit der IG Lößnig und dem neuen Träger des gemeinwesenorientierten Zentrums (DRK Kreisverband Leipzig) dazu verständigen, welche künftige Trägerschaft (gleicher Träger wie Moritzhof oder Trägerkooperation) sowohl zielgruppenspezifische als auch gemeinwesenorientierte Arbeit leisten kann. Hierbei werden die gewonnenen Erkenntnisse des Betriebs des neuen Zentrums im Moritzhof in die konzeptionelle Weiterentwicklung einbezogen.“

„Mit Blick auf Angebote für junge Menschen und Jugendgruppen fördert das Amt für Jugend und Familie die Einrichtung der offenen Kinder- und Jugendarbeit ‚OFT Paradise‘ in Lößnig. Diese Einrichtung verfügt über zahlreiche Räumlichkeiten, die – genau wie die Räumlichkeiten im Moritzhof – multifunktional zu nutzen sind“, meinte die Verwaltung in ihrer Ablehnung dazu.

Aber das „Paradise“ habe ein gänzlich anderes Profil, betonte Michael Schmidt. Gerade die Schaffung einer festen Einrichtung für die Streetworker sei wichtig, erklärte Juliane Nagel.

Und so soll dann die Mischung im neuen Stadtteilzentrum auch aussehen: „Die Stadtverwaltung wird beauftragt, den Standort Johannes-R.-Becher-Straße 22 unter Beibehaltung der Angebote des Leipziger Tanztheater e. V. und ‚suedpol – Mobile Jugendarbeit‘ des Jugendhaus Leipzig e. V. als perspektivischen zweiten Standort des gemeinwesenorientierten Stadtteilzentrums Dölitz-Lößnig-Dösen-Marienbrunn zu sichern.“

An 2025 sanieren

Und dann geht es natürlich um Geld. „Ein zusätzlicher Standort entspricht nicht den Maßstäben der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit. Das Objekt in der Johannes-R.-Becher-Str. wäre vor einer umfassenden Nutzung als Stadtteilzentrum aufwendig zu sanieren. Die Grobkostenschätzung des Liegenschaftes für Maßnahmen und Kosten zur Herrichtung des Objektes belaufen sich auf 677.824,00 Euro (brutto). Diese finanziellen Mittel müssten zusätzlich bereitgestellt werden. Die Sanierung ist nicht geplant“, hatte das Amt für Jugend und Familie formuliert.

Und im Wesentlichen damit auch seine Ablehnung begründet: „Der Antrag ist abzulehnen. Derzeit ist vorgesehen, das gemeinwesenorientierte Stadtteilzentrum Dölitz, Lößnig, Dösen, Marienbrunn im ‚Moritzhof‘ zu etablieren. Hier ist das von der Ratsversammlung beschlossene Konzept sehr gut umsetzbar.“

Wobei Michael Schmidt darauf hinwies, dass das vom Stadtrat beschlossene Planungsraumkonzept ganz und gar nicht umgesetzt sei. Die Schaffung des (zweiten) Stadtteilzentrum sei darin ein ganz wesentlicher Bestandteil gewesen. Und der Kontaktladen im „Moritzhof“ decke nur einen kleinen Teil dieser Aufgaben ab.

„Für die Sanierung und perspektivische Erweiterung des Objektes wird im Jahr 2022 eine Vorplanung und konkrete Kostenermittlung für eine umfassende Sanierung des Gebäudes vorgenommen“, beantragten die drei Fraktionen deshalb gleich mit. Und: „Auf Grundlage dieser Vorplanung werden im Doppelhaushalt 2023/24 entsprechende Planungsmittel zur Verfügung gestellt und eine Sanierung im Jahr 2025 umsetzen zu können.“

Es geht also gar nicht darum, gleich mal 500.00 Euro oder mehr auszugeben, sondern erst einmal in die Vorplanung zu gehen. Denn egal, wer künftig in den Räumen ein Obdach findet: Die Stadt muss das Gebäude so oder so sanieren. Alles andere ist Ablenkung und Ausrede. Und dabei kann sie natürlich gleich klären, was man hier tatsächlich alles unterbringen kann, um damit einen attraktiven Anlaufpunkt in einem sonst ziemlich „vergessenen“ Ortsteil zu schaffen.

Dass das für Lößnig, Dölitz, Dösen und Marienbrunn bitter notwendig ist, sah dann eine Stadtratsmehrheit von 39 Stadträt/-innen so. 21 aus dem konservativen Lager stimmten dagegen. Die Stadt muss also mit den Planungen für dieses schon 2016 angedachte Stadtteilzentrum beginnen.

Die Debatte vom 9. Februar 2022

Video: Livestream der Stadt Leipzig

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