Wer nun das Zentrum für Deutsche Einheit und Europäische Transformation bekommt, welche ostdeutsche Stadt den Zuschlag erhält oder ob gar gemeinsame Bewerbungen – etwa von Leipzig und Plauen – möglich sind, ist noch offen. Aber in der Ratsversammlung am 13. April war sich Oberbürgermeister Burkhard Jung sicher, dass so ein Zentrum nah Leipzig bestens passen würde und der Matthäikirchhof der richtige Standort dafür wäre.

Beantragt hatte das ursprünglich die Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen.

Dann gab es mehrere Änderungsanträge aus anderen Fraktionen und eine positive Stellungnahme der Stadt, die sich das Anliegen sofort zu eigen machte.

In der Ratsversammlung am 13. April wurde dann über die Bewerbung Leipzig um das Zentrum für Deutsche Einheit und Europäische Transformation auf Antrag der Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen beschlossen. Doch einen Monat später ist aus Sicht der Grünen überhaupt nicht klar, was nun passiert und ob die Stadt das Anliegen wirklich aktiv vorantreibt.

„Durch unseren Antrag wird der Stadtrat und damit die Stadtgesellschaft an der von der Stadt vorbereiteten Bewerbung angemessen beteiligt. Ein Zukunftszentrum in Leipzig und Plauen, wie wir Bündnisgrüne es beantragten, ist eine Qualität und Alleinstellung. Im breiten Bündnis mit Akteuren und Stadtgesellschaft hier wie in Plauen wollen wir daher die Bewerbung voranbringen“, erklärt Fraktionsvorsitzende Katharina Krefft.

Am Donnerstagabend, 12. Mai, hat die die Stadt die Ergebnisse des aufwendigen Beteiligungsprozesses zum Matthäikirchhof bei einer Veranstaltung vorgestellt und sprach geheimnisvoll vom Matthäi-Code.

Diesen Matthäi-Code hat die Stadt in einer umfangreichen Liste auf ihrer Homepage veröffentlicht. Das Stadtbauprojekt wäre ein kleines Wunderwerk, wenn das tatsächlich alles auf dem vorhandenen Baugrund umgesetzt werden kann.

„Die Entwicklung des Matthäikirchhofes ist jedoch in keiner Weise geheim und gerade der Beteiligungsprozess und die vorbildliche Aufbereitung auf der Webseite der Stadt Leipzig belegen dieses“, betont Katharina Krefft. „Der Begriff soll Neugierde wecken, das durch die Stasifestung überbaute Gelände zu entdecken. Genauso darf die Bewerbung der Stadt gemeinsam mit Plauen um das Zukunftszentrum nichts Geheimes sein. Das haben wir mit dem Antrag erreicht.“

Dass aber selbst auf Bundesebene noch nicht so recht klar ist, was das Zukunftszentrum eigentlich einmal werden soll, thematisiert Dr. Paula Piechotta, Bundestagsabgeordnete von Bündnis 90 / Die Grünen, wenn sie zur bundespolitischen Gemengelage Stellung nimmt:

„Für das Zukunftszentrum Europäische Transformation und Deutsche Einheit müssen sich alle, die im Bundestag darüber entscheiden, ehrlich machen: Wollen wir mit mehreren hundert Millionen Euro Strukturförderung betreiben, oder wollen wir ein echtes Zentrum für Forschung, Kultur und Dialog zur Transformation gerade der postsozialistischen Gesellschaften in Mittel- und Osteuropa, das tatsächlich tausende von Besucher/_innen erreicht und so überhaupt erst seinem Auftrag wirklich gerecht werden kann?

Wenn in diesem Zentrum wirklich auch einer breiten Öffentlichkeit vermittelt werden soll, wie osteuropäische und ostdeutsche Besonderheiten erklärt werden können, dann muss es an einen Ort, an dem das Maximum an Besucher/-innen und damit auch eine Maximierung der Wirkung des Zentrums erreicht werden kann.“

Und da habe eigentlich Leipzig, die Stadt der Friedlichen Revolution, zusammen mit Plauen mit die besseren Karten.

„Die Bürgerbeteiligung macht deutlich, dass sich die Menschen in Leipzig dieses Zentrum wünschen und die Leipziger Bewerbung in Kooperation mit Plauen von unten, aus der Mitte der Stadtbevölkerung, kommt mit ihrer großen Zahl an zivilgesellschaftlichen Akteuren, nicht zuletzt der Stiftung Friedliche Revolution. Wir brauchen jetzt einen ehrlichen, transparenten Wettbewerb, bei dem der Gewinner nicht schon vorher feststeht und nicht das Budget der Kampagnenagentur oder die politischen Kontakte der Wahlkreisabgeordneten entscheiden“, fordert Piechotta.

„Ein Wettbewerb, der in der Öffentlichkeit nicht als fair wahrgenommen werden würde, wäre gefährlich, denn er würde am Ende eine weitere Enttäuschungserfahrung in Ostdeutschland nach sich ziehen.“

Und diesen Vorteil des Gespanns Leipzig/Plauen sieht auch Katharina Krefft, wenn sie sagt: „Gerade für diesen Wettbewerb ostdeutscher Städte halten wir eine Bewerbung der Großstadt Leipzig und dem Mittelzentrum Plauen für einzigartig und vielversprechend. Die nächsten Wochen müssen intensiv für eine mitreißende Kampagne genutzt werden, die Akteure breit und vielfältig einbezieht.“

Nur mit dem umtriebigen OBM hadert sie dabei: „In der Debatte hatte sich Herr Jung als Erstredner nach vorne gespielt – darum erwarten wir von ihm natürlich jetzt auch die Verve, für die Bewerbung alle denkbaren Bündnisse und kreativen Potenziale zu aktivieren.“

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