Da war sich die LVZ am 11. November ganz sicher: „Leipzigs Bau-Bürgermeister Thomas Dienberg (Grüne) bläst der Gegenwind ins Gesicht: Sein Plan, die Prager Straße zwischen An der Tabaksmühle und Friedhofsgärtnerei nur noch einspurig in jede Richtung zu führen, hat Kritiker auf den Plan gerufen.“ Da hatte sich Handwerkskammer-Präsident Matthias Forßbohm zu Wort gemeldet und gegen eine Fahrspurreduzierung ausgesprochen. Doch sein Einspruch ist Unfug, stellt jetzt PRO BAHN fest.

Der Fahrgastverband PRO BAHN Landesverband Mitteldeutschland begrüßt ausdrücklich die Vorzugsvariante der Verwaltung zum Umbau der Prager Straße am Völkerschlachtdenkmal.

Der wesentliche Grund für die Anpassung des Straßenprofils ist die Vergrößerung des Abstandes der beiden Straßenbahngleise voneinander. Das ermöglicht auf der Linie 15 nach vielen Jahren Anpassungen durch andere Baustellen den durchgängigen Einsatz breiterer Straßenbahnen, als letzte Engstelle neben der Zeppelinbrücke an der Kleinmesse. Breitere Bahnen sorgen durch mehr Platz im Inneren für viel zügigeres Aus- und Einsteigen, also für mehr Pünktlichkeit auch bei hoher Nachfrage.

Dass mit der gefundenen Lösung (hier die städtische Beschlussvorlage) der Bahnkörper erhalten bleibt, sei dort besonders wichtig, weil bereits eine Separierung vom KfZ-Verkehr besteht.

Das Ziel: attraktiverer ÖPNV

„Zukünftiges Fahrgastwachstum, zum Beispiel durch die Einführung des deutschlandweit gültigen 49-Euro-Tickets, kann so leicht durch Taktverdichtungen bewältigt werden“, begründet Carsten Schulze-Griesbach, PRO-BAHN-Referent für die Region Leipzig/Halle, die Position.

Begrüßenswert sei in der gefundenen Vorzugsvariante der stadtverträgliche Ansatz. Nicht nur das Rasengleis wird analog den angrenzenden Abschnitten für weniger Lärm und besseres Mikroklima sorgen. Auch die deutlichen Verbesserungen für Fuß- und Radverkehr seien elementar wichtig für einen leicht erreichbaren ÖPNV.

Durch den Entfall von zwei der vier KfZ-Spuren befürchten einige verstärktes Chaos und Behinderungen für Rettungsfahrzeuge.

„Wir freuen uns, dass einer der Bedenkenträger, der Handwerkskammer-Präsident Hr. Forßbohm, im Zuge seiner Äußerungen die gefundene Variante diskutiert haben möchte“, sagt Schulze-Griesbach, und setzt nach: „Wir erwarten als Fahrgastverband die konsequente Umsetzung der stadtverträglichen und zukunftstauglichen Planungsvariante und verweisen auf die Notwendigkeit, durch mehr Platzkapazität die zukünftige Entwicklung der dynamisch wachsenden Stadt zu sichern!“

In einem Schreiben an Matthias Forßbohm hat PRO BAHN die in der LVZ angehäuften Argumente gegen den Umbau des Straßenabschnitts analysiert. Argumente, die in dieser Form immer wieder vorgebracht werden – in diesem Fall vom Handwerkskammer-Präsidenten, vom ADAC, diversen Bürgern und Bürgervereinen. Argumente, die, würde man sie bei Straßenumbauten immer wieder berücksichtigen, dazu führen würden, dass der motorisierte Verkehr keine Fahrspuren abgeben muss und für Rad- und Fußwege kein oder zu wenig Platz da ist. Mal werden gewaltige Staus befürchtet, mal Engpässe bei Anreisen zu Großveranstaltungen, mal Schleichverkehr durchs Wohngebiet.

Alles Befürchtungen, die sich so auch bei anderen Straßenumgestaltungen nicht eingestellt haben.

Was animiert Menschen eigentlich zum Umsteigen?

„Weiterhin werden in der Lokalpresse Hinweise von Bürgervereinen angeführt. Konkret die Befürchtung von starkem Schleichverkehr durch Wohngebiete. Bisher zeigen überall die Erfahrungen, dass dieser nicht eintritt. Der heißt nicht umsonst ‚Schleich‘verkehr, denn dieser ist so langsam, dass PKW-Nutzer gleich laufen könnten. Derart unattraktives langsames Vorankommen wird deshalb nicht von einer Masse als Ausweichstrecke genutzt werden“, schreibt Carsten Schulze-Griesbach.

Und führt hingegen ein Argument an, das in der LVZ so gut wie nie erwähnt wird: Dass eine bessere ÖPNV-Anbindung und bessere Bedingungen für den Radverkehr viele Menschen animierten, auf die umweltfreundlicheren Verkehrsarten umzusteigen.

Und der Umbau würde auch ein anderes Fahrverhalten bei den Autofahrern mit sich bringen: „Die Verringerung der KfZ-Spuren ist im Gegensatz zu den Befürchtungen der Bürgervereine auch keine ‚nachteilige Entwicklung‘ für die vorhandenen und geplanten Wohnquartiere. Eher führt die vorgesehene Neuaufteilung zu einer deutlich ruhigeren und gleichmäßigeren Fahrweise, was die Lärm- und Schadstoffemissionen absenkt und die Wohnqualität steigert. Angst vor dem Dauerstau ist nicht nötig. Die Verkehrsmenge wird sich – wie immer und überall bei Veränderungen – der Kapazität anpassen und genau wie im heutigen Tagesverlauf wird es sehr volle und weniger belastete Zeiten geben.“

Menschen passen ihre „Mobilitätsbedürfnisse (Wege und Verkehrsmittelwahl) den Gegebenheiten und vor allem der Attraktivität folgend an“, betont er. „Die einstreifige Führung wird für einen Teil der heutigen PKW-Nutzer zur Verhaltensänderung führen. Da jede Menge Alternativen (wie Fuß- und Radverkehr, Bus & Straßenbahnen sowie Regionalbahn) vorhanden sind, fällt ein anderes Mobilitätsverhalten auch leicht und bedeutet erst recht keinen Verlust an Lebensqualität. Eher ist es ein Gewinn, und zwar für die Anwohner gleich mit.“

Und es bedient genau das, worum es in Leipzig seit über zehn Jahren geht – und was in der Vergangenheit genau durch die oben erwähnten Argumentationen immer wieder ausgebremst wurde: eine richtige Mobilitätswende, welche die Leipziger/-innen dazu einlädt, auf den Umweltverbund umzusteigen.

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So sehr ich auch das Pro-Votum für die Dienberg-Variante von Pro-Bahn begrüße, die Argumente sind teils hanebüchen!

Schleichverkehr kommt nicht von schleichen und ‘langsam fahren’, sondern bezeichnet offiziell die Verlagerung des Verkehrs von Haupt- auf Nebenstraßen. So viel sollte man dann auch darüber wissen.

Dass dieser in verschiedenen Stadtteilen existiert, ist auch nicht zu verleugnen.
Grund sind verstopfte Hauptstraßen bzw. sinnfreie Verkehrsführungen.
Beispielsweise schleicht sich erheblicher Verkehr durch Anger-Crottendorf, weil man an der auswärtigen Breiten Straße / Riebeckstraße nicht links abbiegen und obendrein in entgegengesetzter Richtung abkürzen kann.
Man wird diesen nicht verhindern können, nur reglementieren.
Aber deswegen notwendige Straßenumgestaltungen zu blockieren, wäre nur sture Besitzstandswahrung.

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