War am sogenannten Tag X die Sicherheit der Besucher*innen von Stadtfest und Grönemeyer-Konzert gefährdet? Laut sächsischem Innenminister Armin Schuster (CDU) gab es Drohungen, die beiden Großveranstaltungen anzugreifen. Die Leipziger Zeitung hat sowohl beim Innenministerium als auch bei den Veranstalter*innen nach Belegen für diese Behauptung gefragt – aber keine bekommen.

Schuster hatte die Behauptung am 13. Juni in der MDR-Sendung „Fakt ist!“ in den Raum gestellt. Das Zitat „Wir hatten Drohungen, dass das Stadtfest angegriffen wird“ landete anschließend sogar in der Überschrift des dazugehörigen Texts auf der Homepage des Senders. Ob diese Behauptung wirklich ein Fakt ist, erscheint allerdings zweifelhaft.

Sowohl die für das Stadtfest zuständige Leipzig Tourismus und Marketing GmbH (LTM) als auch Konzertveranstalter Matthias Kölmel teilten auf Anfrage mit, selbst keine Drohungen erhalten zu haben. Kölmel seien generell keine Drohungen gegen das Grönemeyer-Konzert bekannt.

Andere Erkenntnisse hatte offenbar die LTM. Dieser sei eine Drohung mit dem Inhalt „16 Uhr wird die Innenstadt gestürmt“ bekannt. Angaben zu Ort und Zeit der Veröffentlichung machte die LTM nicht. Auf die Frage nach einem Screenshot von der Drohung hieß es, dass keiner angefertigt worden sei.

Veranstaltungen im Fokus der Polizei

Das Innenministerium selbst leitete die an sich gerichtete Anfrage an die Polizeidirektion Leipzig weiter. Sprecher Olaf Hoppe teilte mit, „dass es keine klassische konkrete Drohung gegeben hat“. Allerdings habe es Äußerungen und Andeutungen in den sozialen Medien gegeben, durch die die Veranstaltungen stärker in den polizeilichen Fokus gerückt seien. Für die Sicherheit von Stadtfest und Konzert wurden laut Hoppe mehrere Hundertschaften eingesetzt.

Die Polizei verweist unter anderem auf Twitter-Einträge und benennt in ihrer Antwort den Account einer linken Gruppe und ein konkretes Datum. Nach Einschätzung der Leipziger Zeitung ist allerdings aus keinem Tweet, der an jenem Tag veröffentlicht wurde, eine Drohung oder ähnliches abzulesen. Lediglich in einem Tweet ist von einem „Gerücht“ die Rede, dass Antifaschist*innen kostenlos zum Grönemeyer-Konzert dürften – offensichtlich ein Scherz.

Klar ist, dass sich die Polizei in ihrer Lageeinschätzung für „Tag X“ unter anderem auf einen Text bezog, der wenige Tage vorher auf Indymedia veröffentlicht worden war. Dieser beschäftigte sich mit Strategien für ein mögliches Demoverbot und rief dazu auf, „dezentral im Stadtgebiet aktiv“ zu sein sowie Stadtfest und Konzert „als Ausgangspunkt für Aktionen zu nutzen“.

Die Großveranstaltungen mit mehreren zehntausend Besucher*innen ließen sich für die Polizei „schwer überblicken“ und böten daher Möglichkeiten, „unserer Wut auf Repression und Kriminalisierung Ausdruck zu verleihen“. Von einem Angriff auf die Veranstaltungen selbst beziehungsweise deren Besucher*innen ist allerdings keine Rede.

Keine Belege im Innenausschuss

Nach Informationen der Leipziger Zeitung wurden auch dem Innenausschuss des Landtags in seiner Sondersitzung am 12. Juni keine konkreten Belege für geplante Angriffe präsentiert. Laut dem Grünen-Abgeordneten Valentin Lippmann war lediglich von „Anhaltspunkten“ für „Störungen“ der Veranstaltungen die Rede.

Auch der SPD-Abgeordnete Albrecht Pallas sieht die Behauptung des Innenministers nicht durch die Ausführungen im Innenausschuss gedeckt: „Etwaige Aussagen, dass Angriffe auf andere Veranstaltungen in Leipzig am 3. Juni geplant gewesen sein könnten, stehen im Widerspruch zu den von mir wahrgenommenen Angaben des Landesamtes für Verfassungsschutz im Innenausschuss.“

Sollte es dennoch Drohungen gegeben haben – möglicherweise anonym –, stellt sich zudem die Frage, wie plausibel diese gewesen wären. Die Polizei konnte auf Anfrage kein Beispiel dafür nennen, dass in den vergangenen Jahren am Rande linker beziehungsweise linksradikaler Versammlungen jemals Veranstaltungen wie Stadtfeste oder Konzerte angegriffen wurden.

Sowohl die Tourismus-GmbH als auch die ZSL als Konzertveranstalterin teilten mit, dass ihnen keine Vorfälle im Zusammenhang mit „Tag X“ bekannt seien. „Wir blicken auf einen fantastischen Konzertabend zurück“, so Kölmel.

In einer früheren Textfassung hieß es, dass Michael Kölmel der Stadionbetreiber sei. Das ist nicht richtig. Der korrekte Vorname der zitierten Person lautet Matthias und die ZSL, deren Geschäftsführer er ist, nutzt das Stadion lediglich als Veranstalter.

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