Vor einem Dreivierteljahr beschloss der Stadtrat auf Antrag der Freibeuter-Fraktion, dass in der Zschocherschen Straße in Höhe der Markranstädter Straße eine Interimsampel aufgestellt werden sollte. Mit Statratsbeschluss wurde der 30. Juni 2023 zur Umsetzung festgelegt. Denn die Situation ist prekär – für Fußgänger gibt es weit und breit keinen sicheren Überweg. Am 5. Juli war die Nachfrage der Freibeuter im Stadtrat.

Denn anders als 2022 beschlossen, hat das Verkehrs- und Tiefbauamt (VTA) bis zum 30. Juni nicht Vollzug gemeldet, was die Aufstellung einer Interims-Ampel an der Markranstädter Straße betrifft. FDP-Stadtrat Sascha Matzke zeigte sich mit der knappen Antwort aus dem Planungsdezernat gänzlich unzufrieden. Sein Fraktionskollege Sven Morlok fragte mehrmals nach, wie bindend dann eigentlich Termine sind, die der Stadtrat beschließt. Und wann die Verwaltung mitteilt, wenn sie die Termine nicht schafft.

Kurzerhand ein Umsetzungsantrag

Und da kann man zurückschalten in den November 2022, als der Stadtrat mehrheitlich dem Antrag der Freibeuter zustimmte. Beziehungsweise: dessen Neufassung. Und die hatte es in sich. Denn der Ursprungsantrag war ein reiner Prüfauftrag, das zuständige Amt hätte also selbst prüfen und festlegen können, wann und wie dort eine Ampel aufgestellt wird. Denn zugesagt hatte es das VTA ja.

Und trotzdem gewarnt: „Die Einrichtung einer interimistischen Fußgängersignalanlage an diesem Standort wird mit Beschluss des Verwaltungsstandpunktes eingeplant. Es wird jedoch betont, dass das Vorhaben Planungs- und Finanzkapazitäten bindet und andere prioritäre Maßnahmen in der Umsetzung der Mobilitätsstrategie verschiebt. In der Prioritätenliste des Verkehrs- und Tiefbauamtes befinden sich derzeit 83 LSA-Projekte in Bearbeitung, 37 Projekte warten auf einen Projektstart und im Zuge der Beschlussfassung des Lärmaktionsplans sind weitere 72 LSA zu prüfen und zu bearbeiten.“

Genau dieses Thema wurde in der Ratsversammlung am 5. Juli wieder brandaktuell. Den natürlich steht die Frage: Woran liegt es, dass so viele Beschlüsse des Stadtrates nicht termingerecht umgesetzt werden?

Eine Antwort gab am 5. Juli OBM Burkhard Jung, der sich in die Diskussion einklinkte, weil augenscheinlich schon wieder Baubürgermeister Thomas Dienberg unter Beschuss stand, mit Vorwürfen, die mit der Sache nichts zu tun haben. Zum ersten Mal nannte er Zahlen, die auch der Stadtrat so bislang noch nicht gehört hat, wahrscheinlich nicht einmal in den Ausschüssen, in denen er sich eigentlich mit Mobilitätswende und Klimaanpassung beschäftigt.

Allein mit dem 2020 beschlossenen Rahmenplan zur Mobilitätsstrategie hat der Stadtrat 700 Maßnahmen beschlossen, die vor allem das VTA umsetzen muss. Und dann staunten doch einige Stadträte, als Jung auch noch die Zahl der Anträge auf verkehrsrechtliche Anordnungen nannte, die der Stadtrat seitdem zusätzlich zu diesem Programm beschlossen hat: 200.

40 Stellen im VTA nicht besetzt

Logisch, dass der Baubürgermeister da irgendwann den ganzen Stapel schnappt und Burkhard Jung auf den Tisch packt, weil das alles nicht zeitnah umgesetzt werden kann.

Denn ein Problem wird im VTA immer prekärer. Und Jung wurde dabei sehr deutlich: „Wir kriegen einfach keine Leute.“

Die massive Zurückhaltung der Stadt in der Vergangenheit, die Leute einzustellen, die man für die Umsetzung städtischer Planungen braucht, rächt sich jetzt. Es gibt wirklich viele Arten, auf dümmste Weise zu sparen. Die beim Personal ist eine der dümmsten. Nur dass das in der Amtszeit von Dorothee Dubrau, Dienbergs Amtsvorgängerin, fast nicht thematisiert wurde. Da freuten sich im Gegenteil einige Akteure in der Stadt, dass Projekte der Verkehrswende nur zögerlich oder gar nicht angepackt wurden. Was sich unter Dienberg spürbar geändert hat.

Dass dahinter aber ein massiver Mangel an Planern steckt, stellte sich erst heraus, als Dienberg im Stadtrat öfter darüber berichtete. Besonders betroffen: die Planungsabteilungen für ÖPNV und Radverkehr.

Am 5. Juli bezifferte Dienberg nun die Zahl der im VTA nicht besetzten Stellen mit 40. Und das hat nichts mit den Haushaltsbeschlüssen des Stadtrates zu tun, wie Linke-Stadtat Oliver Gebhardt vermutete. Leipzig findet diese Fachleute einfach nicht mehr auf einem leergefegten Fachkräftemarkt.

Was dann tatsächlich die Frage aufwirft: Wie geht das VTA dann mit solchen Beschlüssen wie denen zur Interimsampel in der Zschocherschen Straße um?

In der Antwort der Baudezenats wurde auf die Prioritätenliste bei Ampelanlagen hingewiesen: „Das zuständige Sachgebiet ist für alle Planungen/Überarbeitungen/Anpassungen der 455 Lichtsignalanlagen im Stadtgebiet verantwortlich. Eine Priorisierung der Aufgaben ist daher erforderlich. Oberste Priorität haben hierbei Behebung von Unfallhäufungsstellen zur Verbesserung der Verkehrssicherheit, Gewährleistung der Schulwegsicherheit, erforderliche Rekonstruktionen (da sonst dauerhafter Ausfall der Anlage zu erwarten ist) sowie Planungen im Rahmen von Baumaßnahmen oder Investorenvorhaben.“

Die Antwort des VTA zur LSA an der Markranstädter Straße.

Umsetzung bis 2024

Und ganz gestrichen hat man die Ampel auch nicht. Das VTA versprach sogar: „Die Planung für die Errichtung einer interimistischen Fußgängersignalanlage wurde in den Arbeitsplan für das aktuelle Jahr aufgenommen. Eine Umsetzung erfolgt im Anschluss und ist für 2023/24 vorgesehen. Der FA Stadtentwicklung und Bau und der SBB Südwest werden im Vorfeld der Umsetzung einbezogen.“

Aber in der Debatte an diesem 5. Juli wurde eben auch deutlich, dass es allerhöchste Zeit für einen Kassensturz ist, wie es Burkhard Jung ausdrückte. Er bringt überhaupt nichts, wenn der Stadtrat immer neue verkehrsrechtliche Anordnungen beschließt, wenn das VTA diese gar nicht abarbeiten kann.

CDU-Stadtrat Falk Dossin fragte zwar noch nach, wie viele von diesen 200 Stadtratsbeschlüssen schon abgearbeitet sind. Aber die Zahl konnte Thomas Dienberg an dem Tag auch noch nicht nennen.

Aber es ist klar: Jetzt müssen alle Beteiligten überhaupt erst einmal eine Vorstellung davon bekommen, was das personell deutlich unterbesetzte VTA überhaupt abarbeiten kann, was schon geschafft ist und wo Leipzig tatsächlich steht bei der Abarbeitung des Rahmenplans zur Mobilitätsstrategie 2030.

Die Kommunikation muss besser werden

In einem hat OBM Burkhard Jung recht: Die Kommunikation muss besser werden. Und die Ratsfraktionen brauchen deutlich bessere Informationen darüber, was das VTA tatsächlich leisten kann – und wann Aufträge schlichtweg nicht in der beschlossenen Zeitspanne abzuarbeiten sind.

Dass es eben nicht nur um die Bestellung einer Lichtsignalanlage bei einem mittelständischen Anbieter geht, machte Dienberg am 5. Juli auch noch deutlich. Ampeln haben gerade an Unfallschwerpunkten höhere Priorität, betonte er. Die LVB-Haltestelle Markranstädter Straße ist kein Unfallschwerpunkt. Aber das wahrscheinlich nur, weil viele Fußgänger hier dringlichst vermeiden, die Straße zu überqueren.

Und auch wenn das vom Stadtrat beschlossene Verfahren für Fragestunden bei dieser Anfrage völlig gesprengt wurde, wurde auch klar, dass endlich ein Thema zur Sprache kam, das viel zu lange immer schon mit köchelte. Dies geschah, ohne dass den ja tatsächlich fleißigen Ratsfraktionen, wie Gebhardt meinte, wirklich klar ist, welche Kapazitäten in Leipzig tatsächlich für immer detaillierte Beschlüsse zum Verkehr zur Verfügung stehen.

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